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Ausgabe:

1981

Spalte:

757-759

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Anzenbacher, Arno

Titel/Untertitel:

Einfuehrung in die Philosophie 1981

Rezensent:

Härle, Wilfried

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 10

758

Sherwood, Terry G.: Conversion Psychology in John Donne's Good

Friday Poem (HThR 72, 1979 S. 101-122).
Siegele, Ulrich: Bachs Ort in Orthodoxie und Aufklärung (MuK 51,

1981 S. 3-14).

Steiger, Renate: Bach und Israel (MuKi 50, 1980 S. 15-22).

Philosophie, Religionsphilosophie

Anzenbacher, Arno: Einfuhrung in die Philosophie. Wien-Freiburg-
Basel: Herder 1981. 343 S. m. Abb. 8". ÖS 188,-.

Der Wiener Philosophie-Dozent Anzenbacher (A.) hat seine Einführung
in die Philosophie durchgehend im Sinne eines Lernbuches
angelegt. Das zeigt sich vor allem an folgenden Punkten:

1. Ihrer Zielsetzung nach ist diese Einführung, wie aus dem Impressum
hervorgeht, als Schulbuch Tür den Philosophie-Unterricht an
Höheren Schulen (in Österreich)gedacht.

2. Angestrebt wird die Vermittlung eines Überblicks „über die gesamte
philosophische Thematik" - also keine Einfuhrung in das Philosophieren
, sondern ein Bekanntmachen mit den „wichtigen Pro-
bleme(n) der abendländischen Philosophie" (5).

3. Strukturgebend ist nicht ein philosophischer Leitgedanke, sondern
die Idee des,,Baukastenprinzips" mit einzelnen „Lerneinheiten", aus
denen ..Lernprogramme" zusammengestellt werden können (a.a.O.).

4. Eine sorgfaltige didaktische Aufbereitung des Stoffes durch
Begriffserläuterungen, Querverweise, graphische Darstellungen, Bildmaterial
, Zusammenfassungen, Lektürehinweise ist unverkennbar.

.Der Verfasser gliedert den philosophischen Lernstoff in sieben
Kapitel mit insgesamt 278 (!) Unterabschnitten. An sie schließen sich
an: Hinweise auf „Hauptwerke der abendländischen Philosophie"
(332-334), ein Verzeichnis der verwendeten Literatur (334-339)
sowie ein Personenverzeichnis (340-343). Ein Sachregister fehlt.

Das erste Kapitel unter der Überschrift „Was ist Philosophie?"
(15-52) verfolgt zwei Ziele: Einerseits wird mittels Abgrenzung von
den sog. Einzelwissenschaften, von Religion, Kunst und Ideologie
sowie unter Bezugnahme auf begriffsgeschichtliche Beispiele (von
Plato bis Popper) der Philosophiebegriff definiert („Philosophie ist
kritische Vernunftwissenschaft von den Bedingungen der Möglichkeit
der Erfahrungswirklichkeit als ganzer", 38). Andererseits leitet A. aus
den „Grundfragen der Philosophie" (44ff), wie er sie bei Plato vorgeprägt
findet, eine „Einteilung der Philosophie" (510 ab, an die sich
dann auch der weitere Aufbau des Buches im Wesentlichen anschließt
.

Der systematischen Darbietung von Ontologie (84-134), Erkenntnistheorie
einschließlich Sprachphilosophie, Logik und Wissenschaftstheorie
(135-207), Anthropologie (208-248), Ethik (249-298)
und philosophischer Theologie (299-331) vorgeschaltet ist jedoch zunächst
- im Sinne eines Exkurses - ein Kapitel über die „Philosophie
der Gegenwart" (53-83). Hier werden überblicksartig einige Hauptvertreter
und Grundgedanken der phänomenologischen, der analytischen
und der marxistischen Philosophie vorgestellt sowie als „Einzelpositionen
" (78 ff) die Erlanger Schule, Habermas, Apel und gewissermaßen
als krönender Abschluß A.s Lehrer und philosophischer
Haupt-Gewährsmann E. Heintel.

Angesichts der enzyklopädischen Zielsetzung A. s ist es nicht möglich
, die Fülle der dargebotenen oder doch angesprochenen Themen
und Theorien auch nur aufzuzählen. Stattdessen soll der Versuch gemacht
werden, die philosophischen Intentionen der Einführung
etwas genauer zu beschreiben und das Buch seiner Konzeption nach
kritisch zu würdigen.

Charakteristisch ist zunächst eine starke Orientierung an der Problemgeschichte
der abendländischen Philosophie, wie man schon an
den zahlreichen und ausführlichen in den Text eingestreuten Zitaten
erkennen kann. Dabei vermittelt A. insgesamt das Bild eines relativ

homogenen philosophischen Traditionszusammenhanges, der von
Plato und Aristoteles über Thomas von Aquin bis zu Kant und Hegel
reicht und zumindest partiell auch noch Husserl und Heidegger umfaßt
. Fragt man, was im Sinne A. s diesem Traditionsstrang seine
Kohärenz verleiht, so ist auf dessen nicht-empiristischen Charakter
bzw. - positiv formuliert - auf die transzendentale Orientierung zu
verweisen. Damit wird zugleich sichtbar, wogegen A. sich in der
Wahl der Problemlösungen durchgehend abgrenzt: gegen den Empirismus
bzw. Positivismus unterschiedlichster Provenienz. Dieser Abgrenzung
fällt u. a. weithin die analytische Philosophie zum Opfer, zu
der A. offensichtlich keine sehr intensive Beziehung hat (S. 78 wird
„analytisch" trotz der Differenzierung von S. 68 dann doch wieder
einfach mit „positivistisch" gleichgesetzt).

Seinen eigenen philosophischen Standort hat A. unverkennbar in
der thomistischen Tradition (siehe z. B. 30, 38, 93, 99, 103, 124,
156ff, 173, 242ff 256, 287ff). Sie ist für A. der Hauptstrom, dem
Plato und Aristoteles, aber auch Kant und Hegel immer wieder zugeordnet
, von dem aus sie erschlossen, aber gelegentlich auch interpretiert
werden. Von daher wird man dem Buch nicht Unrecht tun,
wenn man es, auch seiner Intention nach, als „gut-katholisch" kennzeichnet
, wobei „gut" in diesem Fall sowohl für Eindeutigkeit wie für
Gesprächsfähigkeit steht.

Ein Buch, das dem philosophischen Trend zum Trotz den kühnen
Versuch unternimmt, in die gesamte philosophische Thematik einzuführen
und dabei immer wieder eindeutig Position zu beziehen, bietet
naturgemäß viele Angriffspunkte im Detail. Dabei könnte man sich
sowohl bei dem aufhalten, was das Buch nun trotz aller Materialfülle
doch nicht bringt, wie auch an Verkürzungen, Ungenauigkeiten oder
Oberflächlichkeiten in der Einzeldarstellung (z. B. Universalienproblem
, 180fT; Wahrheitstheorien, 204ff; Gottesbeweis, 307 und 3200.
Und beide Kriterien wären - gemessen an der Zielsetzung des Buches
- in diesem Falle ja ganz sachgemäß.

Wenn wir hierauf nicht näher eingehen, so aus zwei Gründen:
1. weil uns der Versuch A. s auf so knappem Raum über eine solche
Themenfülle verständlich und zutreffend zu informieren, im wesentlichen
gelungen zu sein scheint (kleinere Fehler: S. 18, Z. 6 muß es
„Kamiah" statt „Lorenzen" heißen; S. 100*, Z. 26 wird „Designat"
durch das Definiens von „Denotat" definiert; S. 175, Z. 9 v.u.
„Semiotik" ist mehr als „Metalogik; S. 262, Z. 12 v.u. zwischen
„praktischer Vernunft" und „Gewissen" müßte unterschieden
werden - zumal wenn man sich hier auf Kant beruft) und 2. weil u. E.
das eigentliche Problem in der Art dieses Versuchs einer „Einführung
" in die Philosophie liegt und nicht in der Art seiner Durchführung
.

Dazu noch einige Hinweise: Was bei A. völlig ausfällt, ist die
methodologische Reflexion, durch die der Leser zu eigenständigem
philosophischen Denken angeleitet werden könnte. An die Stelle solcher
Reflexion tritt bei A. in der Regel der Verweis auf ein philosophiegeschichtliches
Denkmodell (insbesondere das sog. „platonische
Dreieck", 48f, hat eine solche Funktion: z.B. 135, 306) oder auf
einen vorausgesetzten Konsens (in oder mit?) der Tradition (17, 21,
36f, 84f u. o.). Auf diese Weise erscheinen die philosophischen Probleme
und Problemlösungen als etwas, das sich in der Philosophiegeschichte
so ergeben hat, und in dem man die eigenen philosophischen
Probleme eben entdecken müsse (16). Gewiß würde die von
uns vermißte methodologische Reflexion den Rahmen dieses Buches
sprengen, sie würde aber u. E. das Buch besser geeignet machen, in
die Philosophie, nämlich ins philosophische Denken einzuführen.

Dies kann A. s Einführung wohl nicht leisten. Sie nähert sich eher
dem Typus eines Nachschlagewerks bzw. philosophischen Lexikons
an, das in einer Fülle von kurzen Abschnitten (= Artikeln) eine Problemexposition
sowie wirkungsgeschichtlich erfolgreiche Lösungsversuche
aus der Sicht des Autors bietet. Als solches kann es wegen
seiner Verständlichkeit, Klarheit (besonders das Bemühen um Begriffserklärungen
und einprägsame Unterscheidungen - z. B. 33, 37,
90, 141, 193ff, 250 - verdient Anerkennung) und Zuverlässigkeit