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Ausgabe:

1981

Spalte:

54

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Tschackert, Paul

Titel/Untertitel:

Die Entstehung der lutherischen und der reformierten Kirchenlehre samt ihren innerprotestanischen Gegensätzen 1981

Rezensent:

Koch, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 1

54

Fischer, Konrad: De Deo trino et uno. Das Verhältnis von productio
und reductio in seiner Bedeutung für die Gotteslehre Bonaventuras
. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1978. 364 S. gr. 8' = Forschungen
zur systematischen und ökumenischen Theologie.
38. Kart. DM 64,-.

Unter ausführlicher Bezugnahme auf die Literatur und die Bewegung
der Forschung seit P. Brunners Forschungsbericht (1930) wird
die Problematik der Egressus-Regressus-Bewegung (von productio
und reductio, wie Vf. zu sagen vorzieht) in der Theologie Bonaventuras
entwickelt, speziell die Frage, ob damit lediglich die Sinnrichtung
eines innergöttlichen Geschehens gemeint ist. die sich dann in die des
s|ttlich-religiösen Strebens umsetzt, oder ob sie ein heilsgeschichtliches
Schema und damit die Geschichts-Theologie Bonaventuras
darstellt. Letzteres ist die von Jos. Ratzinger unter diesem Titel 1959
vertretene und seitdem viel um- und bestrittene These. Vor diesem
Hintergrund bewegt sich F.s Untersuchung.

Nun geht es dem Autor, von welchem Aspekt immer er Stoff und
Problem angeht, darum, den egressus-regressus in Gott wirklich als
einen innergöttlichen Vorgang, in welchem als solchem aber Welt
und Weltbezug mitgesetzt sind, darzutun. Das Material, an dem er
seine These entwickelt, sind - natürlich unter Beiziehung einschlägiger
Texte aus Bonaventuras gesamtem opus - die Collationes in
Hexaemeron und das Hinerarium mentis in deum. In der dionysischen
Hierarchienlehre des Hexaemeron und der „Aufstiegstheologie
" beider (Spät-)Werke und ihrem Verhältnis zu den in der
»Strenge der Lehre und des Gedankens" bei der Trinität einsetzenden
früheren Schriften B.s (Sent., Brevil.) findet F. bereits die in seiner
Untersuchung durchgerührte These ausgeprägt: Bonaventuras gesamte
Theologie ist „Aufstiegstheologie", d. h. die Welt ist immer
schon in das Reden von Gott einbezogen; es wäre ohne ihren Einbe-
zug und alles dessen, was in ihr ist und geschieht, mit dem verbum
incarnatum und dem crueifixus als Zentrum, defektiv. Dann ist letzteres
aber nicht nur ein abbildlicher, sondern ein im innergöttlichen
Geschehen verankerter Vorgang. „Aufstiegstheologie" ist keine unverbindliche
Ergänzung von Theologie im engeren und strengen
Sinn. Deshalb bewegt sich auch diese Untersuchung nach Art einer
ständigen Rückkoppelung zwischen geschichtstheologischen, heilsgeschichtlichen
und innergöttlich-trinitarischen Vorgängen und Aus-
®gen, Vf. spricht von einem „kreiselnden und schwingenden" Denken
Bonaventuras, das er damit zu erfassen sucht. Denn aus der so
umlassend verstandenen egressus-regressus-Bewegung erwächst konsequent
die Aufgabe zu zeigen, wie alles anscheinend auf innerweltliche
Tatbestände abzielende Schöpfungs- und Erlösungs-Handeln
Gottes in Wahrheit im innersten Sein Gottes, im deus trinus et unus
7-um Ziel kommt und dieses und dieser wiederum aus und in jenem
erst erkannt werden kann. Dem geistlichen Menschen kommt dabei
die Rolle zu. in seinem geistlichen Aufstieg die Welt zu Gott zurückzuführen
. Das ..kreiselnde und schwingende" Ineinander von verbum
'ncreatum. v. incarnatum und v. inspiralum in seiner Unauflöslichkeit
und gegenseitigen Bedingtheit ist hierin wie überall sichtbar.

In einer ...Schlußbemerkung" läßt der Autor zunächst Inhalt und
Ergebnis seiner Untersuchung so zusammen: „. . . ist Gott der trinita-
nsche Gott nicht anders als so. daß die Stele, im heiligen Geist die gesamte
Kreatur und sich selber der Tendenz auf das Nichts entreißend.
In Gott zum Ziel gelangt. Darin ist der Deus trinus et unus. Gott in
seiner Erstlingsschaft gänzlich entfaltet".

Dann aber stellt er sich. bzw. stellt er das von ihm entworfene so
vollkommen geschlossene, in sich gerundete Gottes- und Weltbild
Bonaventura* unter der Überschrift „Von der Gefährdung Gottes"
vor die Theodizeefrage. In der Kreatur in sich gesehen liege die Tendenz
zum Nichtsein, im spiritus rationalis Tendenz und Ermögli-
chungsgrund der Sünde, die causa deficiens zum non-essc. Die aus
Bonaventuras Konzeption von Gott und Nichts resultierende „höch-
s'e und schärfste Anfrage", „ob ... das Nichts . . . sich ausweite bis
hin zu Gefährdung Gottes", beantwortet er mit dem Salz aus dem Iti-
nerarium V, 3: „Das reinste Sein begegnet nicht anders als in voller
Flucht vor dem Nichtsein, wie auch das Nichts nicht anders als in
voller Flucht vor dem Sein begegnet." Die Frage aber, wer bei dem
'angen Fluchtweg vor dem Nichts bzw. vor dem reinsten Sein als letzter
auf dem Plan bleibe, beantwortet sich - das Gesamt-Schema von
egressus und regressus in Betracht gezogen - mit Gottes letztem
Schöpfungswerk, dem Menschen. Er ist erschallen, im itincrarium

mentis in deum die Welt heimzuführen in Gott. „Gerade darin, daß
Gott in seinem letzten Schöpfungswerk sich der Gefährdung durch
das Nichts übergibt, gerade darin ist Gott Gott in seiner Gottheit."

Konrad Weißt

Tschackert, Paul: Die Entstehung der lutherischen und der reformierten
Kirchenlehre samt ihren innerprotestantischen Gegensätzen.
Neudruck der 1. Aufl. v. 1910. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1979. XII. 645 S. gr. 8 Lw. DM 100.-.

Mit zwiespältigen Gefühlen nimmt man den unveränderten Neudruck
einer Publikation mit Lehrbuchcharakter zur Hand, deren
Erstveröffentlichung fast 70 Jahre zurückliegt. Das Buch rief bereits
damals gegensätzliche Beurteilungen hervor: Während Otto Ritsehl
das „statistische Interesse" kritisierte, gegenüber dem das „aetiolo-
gisch-historische Interesse" zu kurz komme (ThLZ 36. 1911 Sp. 19),
rühmte E. Fischer an ihm. daß „in diesem ganzen Buche nicht
Namen, Begriffe. Zahlen. Zitate zuerst gegeben werden", sondern
eine „Darstellung des Drängens der Geistesmächte" (ThLBl 32,
1911. 106 11). Nach 70 Jahren intensiver und spezialisierter Erforschung
der Reformationsgeschichte würde man die Akzente der
Wünsche an eine Darstellung wie der vorliegenden wohl noch anders
setzen. Heute erscheint es z. B. kaum mehr als möglich, den Gegenstand
des Buches lediglich als Darstellung der Gedankenwelt der Reformation
zu beschreiben (so das Vorwort) - übrigens ein Vorsatz,
den der Vf. bereits damals nicht hat voll durchhalten können, und ein
Grundsatz, der auch in Otto Ritschis „Dogmengeschichte des Protestantismus
" (dessen I.Band 1910 bereits vorlag) und in Hans Emil
Webers „Reformation. Orthodoxie und Rationalismus" nicht durchbrochen
worden ist. Daß Tschackerts Buch mit allen Mängeln, die
ihm anhaften - bereits Otto Ritsehl hat die erhebliche Unterbewertung
der Bedeutung Melanchthons bemerkt, und weitere Lücken
könnten mühelos aufgezeigt werden -. heute einen Neudruck erfährt,
ist wohl primär darin begründet, daß es ein jüngeres Werk mit gleichem
Charakter, das noch dazu die Fülle des gebotenen Materials aul
knapp 650 Seiten verarbeitet, nicht gibt. Gewiß ist auch mit gutem
Grund auf den Nachtrag von Literatur verzichtet worden. Er hätte
das Buch wahrscheinlich unvertretbar erweitert. Tschackerts Buch
eignet sich heute, wenn man vom wissenschaftsgeschichtlichen Wert
des Neudrucks absieht, am ehesten als ein erster Wegweiser beim
Nachschlagen, wozu auch das gute Register ermuntert. Im übrigen
liegt der Neudruck in einer Qualität in Form und Ausstattung vor. die
vergessen läßt, daß es sich um einen Neudruck handelt.

Leipzig Ernst Koch

Gry MM, Roger: Dehnt de Maximinus avec August in. Scolies ariennes
sur Ic concile d'Aquilee. Concordance et index. Louvain-la-Neuve:
Universite Catholique de Louvain (Publications du CETEDOC)
I980.XIII. 212 S. 4- = Traveaux publies par le Centre de Trai-
tement Electronique des Documents de l'Universite Catholique de
Louvain. XI,I.

Auf 196 Seiten werden im engsten Kleindruck alle Worte der lateinischen
„Arianer" aufgenommen. Die Konkordanz bezieht sich auf
zwei Quellen, die in sehr unterschiedlichen Editionen vorliegen: Die
„Scolies ariennes sur la concile d'Aquilee" hatte Gryson last gleichzeitig
herausgebracht (Kurzanzeige ThLZ 105. 1980 Sp. 766). Die
zweite Quelle liegt leider in keiner neueren Edition vor: Die „Collatio
Augustini cum Maximino episcopo" soll zwar im Rahmen des Corpus
Christianorum neu ediert werden von Roland Vander Plaets.
Gryson konnte in die vorbereitenden Arbeiten Einsicht nehmen (S.
VIII/1X). Er hat aber die neue Edition nicht abwarten wollen; er
stützt sich bei seiner Konkordanz für die Collatio auf die problematische
Ausgabe bei Migne. PL 42. 709 ff. In einem Appendix werden
Berichtigungen dieses Textes zusammengestellt (207-212).

G. H.

Arzt. Johannes: Newmans vier Maximen (Cath 33. 1979 S. 134-152).
Comoth. Katharina: Werden zu Gott. Ein Beitrag zur spekulativen
Theologie Meister Eckharts (N/.STh 21. 1979 S. 92-101).