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Ausgabe:

1981

Spalte:

741

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Miller, Patrick D.

Titel/Untertitel:

Genesis 1-11 1981

Rezensent:

Wallis, Gerhard

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Seite 1

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741

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 10

742

Miller, Patrick D., Jr.: Genesis 1-11. Studies in Structure & Theme.
Sheffield: Department of Biblical Studies, The University of Sheffield
1978. 50 S. 8* = Journal for the Study of the Old Testament,
Suppl. Series,8.Kart. £ 1.25.

Der Autor greift mit der Erörterung der Urgeschichte der Genesis
(Primeval History) ein zu allen Zeiten - so auch in der Gegenwart -
literarisch und theologisch lebhaft diskutiertes Stoffgebiet auf und
versucht es über die bisher erreichten Ergebnisse im Hinblick auf drei
Themen zu bearbeiten, a) the divine first person plurals, b) the rela-
tion of sin and judgment in the individual stories; und c) the'ädämäh
motif(8).

Der Vf. bemüht sich, die wesentliche Fachliteratur der Gegenwart
auf diesem Sachgebiet ebenso wie die dem Verständnis dienenden
ugaritischen Parallelaussagen zu erfassen und die dortigen Feststellungen
zu erörtern. Bei allem spielt für ihn in den drei genannten
Themenkreisen das Prinzip einer gegenseitigen Bezogenheit eine sehr
wichtige Rolle, die sich über die wie immer auch abzugrenzenden
Pentateuchquellen hinaus erkennen läßt. Dies ist so zu verstehen:
Die Verwendung der l.Plur. in den Eigenreden Gottes (Gen 1,26;
3,22; 11,7; zum Vergleich wird z.B. herangezogen Jes6,8)
setzt eine Bezogenheit der göttlichen Welt zu der geschöpflichen
voraus. "That is certainly the case in Israel where the monotheistic
character of Israel's faith never precluded the notion of Yahweh ha-
ving a coterie or surrounded by a court of semidivine beings." (18).
In diesem Sinne sind göttliche und menschliche Welt in einer gewissen
Analogie gedacht.

Was Sünde und Strafe anlangt, so zeigen sich auch hier echte Entsprechungen
zwischen der Schuld und der Gestalt der Bestrafung. So
werden Schlange, Frau und Mensch jeweils an dem gestraft, was
ihnen Lebenssinn und -grundlage bedeutet; dies spiegelt sich teilweise
sogar in Wortspielen wider. Die Schlange ist arüm (listiger) als
alle Geschöpfe der Erde, so lautet das Urteil, sie sei 'arür (verflucht)
von allen Geschöpfen der Erde (29). Aber ebenso wird Kain, der
Landmann, in Entsprechung zum Mord an seinem Bruder gerade an
seiner Lebensgrundlage, dem Acker, gestraft, der das Blut seines ermordeten
Bruders aufnahm und der ihm hinfort seinen Dienst versagen
soll. In der Sintflut werden die Menschen um ihrer die Schöpfung
störenden Schuld willen mit der Störung dieser Schöpfung gestraft. In
dem Turm- und Stadtbaubericht von Babel wird gerade der beabsichtigte
Erfolg des menschlichen Vorhabens, Einheit und Geschlossenheit
der Menschheit, zur Strafe verhindert.

Schließlich stellt die Behandlung des ädämäh-Motis die Beziehungen
zwischen dem Menschen 'ädäm und seiner Lebensgrundlage
, der 'ädämäh her. "The fate of 'ädäm is not apart from
'ädämäh." (42).

Im ganzen ein interessanter Versuch, die Aussagen der Urgeschichte
in ihrer Dialektik zu hinterleuchten. Bedauerlich ist jedoch
der Umstand, daß bei allem Bemühen beachtenswerte Literatur unberücksichtigt
geblieben ist. So wäre z.B. L. Rost, Die Bezeichnungen
für Land und Volk im alten Testament, 1934 = Das kleine geschichtliche
Credo und andere Studien zum Alten Testament, Heidelberg
1965, 76-101 eine gute Hilfe für den Autor gewesen, und die Unterscheidung
von 'artes und 'ädämäh wäre etwas schärfer ausgefallen
. Das Verdienst dieser kurzen Studie liegt bei allen kritischen Anmerkungen
, die zu machen wären, jedoch darin, daß bei gewissenhafter
Unterscheidung der Pentateuchquellen dem übergreifenden Sinn
des kanonischen Textes nachgegangen wird.

Halle (Saale) Gerhard Wallis

Beyerlin, Walter: „Wir sind wie Träumende". Studien zum 126.
Psalm. Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 1978. 79 S. 8' = Stuttgarter
Bibelstudien, 89. Kart. DM 16,-.

Einleitend weist der Vf. auf die Hochschätzung dieses Psalms hin,
die in einem merkwürdigen Kontrast zur exegetischen Beurteilung

und Problematik stehe. Die Probleme liegen in der Spannung von v.
1-3 mit dem Faktum der Wiederherstellung des Zion und v.4ff mit
der Bitte um diese Wiederherstellung, in der Gattungsbestimmung,
der Datierung u.a. Für den Vf. nimmt v.lb mit dem Vergleich „wie
Träumende" eine Schlüsselfunktion ein. Anders als etwa im Deutschen
sei im Alten Testament der Traum ausschließlich ein Schlafereignis
, und eine Negativwertung (Traum = Selbsttäuschung) sei für
Ps. 126 auszuschließen. Der Traum sei Erfahrung künftiger Wirklichkeit
, so daß sich der Psalmist denen gleichsetzt, die anticipando
erleben, was Jahwe zu tun im Begriff sei (30). V. 1-3 heben sich durch
den Rhythmus und Stilfiguren von v.4ff ab, aber der Psalm sei
dennoch als Ganzes zu betrachten. Teil I könne als Heilsvergegen-
wärtigung und Teil II als Bittgebet bestimmt werden, deren Sitz im
Leben der „gemeindliche Kult" (68) sei. Auf die Rückführung aus
dem Exil nehme der Psalm keinen Bezug, und „Zion" bezeichne die
„auf ihre Widerherstellung hoffende Glaubensgemeinschaft" (44).
Die Ansetzung zur Zeit Deuterojesajas sei sinnvoll.

Der Vf. weist den Psalm einem prophetischen Kontext zu und zeigt
besonders die Verbindung zu Joel auf. Der Psalmist habe Joel als
schriftliche Vorlage gekannt und seine Gedanken umgearbeitet.

Die vorliegende Studie bietet eine in sich geschlossene, interessante
Auslegung von Ps 126. Man wird an vielen Stellen dem Vf. gern folgen
, was aber nicht bedeuten muß, daß man die gleichen Schlußfolgerungen
zieht und zum gleichen Gesamtbild gelangt. Der Vergleich
mit den Träumenden zeigt, daß der Psalmdichter keine unmittelbare
prophetische Traumschau erlebt, sondern die Ereignisse distanziert
beschreibt. Es ist eine Situation der Vergangenheit, die mit dem zweifachen
anaphorischen'äz eingeleitet, in den folgenden Sätzen näher
beschrieben wird. Diese Erfahrung des Jubels und Staunens über Jahwes
Großtaten konnte durchaus verglichen werden mit der Wirklichkeitserfahrung
im Traum, in dem Jahwe sich wirkend zeigt. Den
Hinweis auf das Wesen des Traums wird man aus der Studie gern
aufnehmen, ohne daß sich daraus zwingend ergibt, daß ein künftiges
Ereignis träumend vorweggenommen sei.

In der Studie wird deutlich gesagt, daß Ps 126 liturgischen Strukturen
aufweise und daher kaum als liturgische Dichtung angesehen
werden könne. So hätte man gern gewußt, was der Vf. dann unter „gemeindlichem
Kult" als Sitz im Leben verstehtrund an welchen Personenkreis
er als Psalmdichter denkt.

Kritische Rückfragen ergeben sich aus der Zuordnung von Joel -
Ps 126. Zwar kommt die Wendung higdil J. lasot in dieser Form nur
Joel 2,21 und Ps 126,2.3 vor, aber in Ps 126 in anderer Funktion. Die
sonstigen Ähnlichkeiten zwischen Joel und Ps 126 sind auch an anderen
Texten nachzuweisen, so daß die Basis für eine so direkte Abhängigkeit
Joel - Ps 126 zu schmal zu sein scheint. Dazu kommt, daß die
vorexilisch/exilische Ansetzung von Joel zu erheblichen Problemen
führt und die Erkenntnisse der Untersuchungen von Ahlström,
Myers, Reicke, Stephenson, Thompson u.a. umgeht. Es bleibt anzufragen
, ob die Beeinflussung nicht auch in Richtung Ps 126 - Joel gelaufen
sein kann. Anfragen und Widerspruch zeigen, wie sehr die Studie
durch ihre eindringende Exegese anregend und herausfordernd
wirkt und - was keinesfalls übersehen werden darf - eine Fülle von
nachdenkenswerten Erkenntnissen anbietet, wie z.B. die Verbindung
von Ps 126 zur Prophetie.

Leipzig Hans Seidel

Seybold, Klaus: Die Wallfahrtspsalmen. Studien zur Entstehungsgeschichte
von Psalm 120-134. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener
Verlag des Erziehungsvereins 1978. 108 S. 8" = Biblischtheologische
Studien, 3. Kart. DM 18,-.

Es ist bemerkenswert, daß im gleichen Jahr wie die Studie von
Beyerlin eine Veröffentlichung über die Sammlung von Ps 120-134