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Ausgabe:

1981

Spalte:

700-701

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Hahn, Joachim

Titel/Untertitel:

Das "Goldene Kalb" 1981

Rezensent:

Hahn, Joachim

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699

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 9

700

französischer Sprache zusammen. Es sind Referate, Gesprächsbeiträge
, Fragen und Berichte aus den Arbeitsgruppen.

Der Schwerpunkt liegt bei neutestamentlichen Untersuchungen,
u.a.: „Die urchristliche Prophetie: Ihr Charakter und ihre Funktion
", „Prophecy in the New Testament Church - and Today",
(E. Ellis), „Botschaft und Bedeutung der urchristlichen Prophetie
nach dem 1. Korintherbrief (Kap. 2,6-16; Kap. 12-14)" (G. Daut-
zenberg), „Vom Ende der urchristlichen Prophetie" (H. Kraft),
„Jesus und seine Propheten" (D. Lührmann). Allein in A. Bittlingers
Beitrag „Der neutestamentliche charismatische Gottesdienst im
Lichte der heutigen charismatischen Erneuerung der Kirche" wird
das „Today" eingehend behandelt. Sonst ist vom „Prophetischen
heute" nur in Ansätzen die Rede. Die Anfragen H.-R. Webers vom
Ökumenischen Rat betonen zwar das Defizit in den reports and Statements
, scheinen aber in der Konsultation im Blick auf Antirassismus-
programm, sowie Pfingstkirchen und Charismatische Erneuerung
nicht zum Tragen gekommen zu sein.

Offensichtlich hat Bittlinger recht, wenn er in seinem Beitrag über
charismatische Gottesdienste feststellt, daß es problematisch sei,
„wenn wir neutestamentliche Texte, in denen von erfahrenen und erfahrbaren
Phänomenen die Rede ist, rein theoretisch zu verstehen
versuchen" (186).

Bei den neutestamentlichen Untersuchungen ist man bemüht,
außer den Stellen in den Paulus-Briefen, auch „Jesus als Prophet" in
den Blick zu bekommen. Ausführliche Untersuchungen gelten der
Prophetie innerhalb der Gemeindesituation und Gemeindeversammlung
. Wichtig wird dabei das Gegenüber von Bischöfen, Märtyrern
und Propheten. Gegenseitige Vorwürfe und Verdächtigungen,
einerseits der Großkirche als bloße „Psychiker" und andererseits der
Montanisten als von Dämonen Besessenen, sind durch die Jahrhunderte
in ähnlicher Form wiederzufinden. Hier z. B. fehlt ein Beitrag,
der Fragen „Today" offen ausspricht und angeht.

Ganz gleich, wie man zur Glossolalie und ihrer Ausübung stehen
mag, das von Kraft (169) Gesagte („ein ekstatisches und zumeist unverständliches
Lallen") ist dafür unzutreffend. Ellis weiß in „Prophecy
and Tongues" offensichtlich mehr von der Sache. Ein ähnliches
Defizit zeigt nun allerdings das ganze Gebiet der Prophetie, wie es in
diesem Band behandelt wird. Wenn man von Erfahrungen heute ausgegangen
wäre und von daher neutestamentliche Stellen untersucht
hätte, wäre man vermutlich weitergekommen. Bittlinger kommt zu
dem gleichen Ergebnis: „Ich meine deshalb, daß der Rückschluß von
einer heutigen Erfahrung her auf das Verständnis einer anderen Erfahrung
(selbst wenn sie nicht identisch mit der heutigen sein sollte)
verheißungsvoller ist als ein rein" verstandesmäßiges Bemühen um Erklärung
solcher Phänomene" (186).

Am aufschlußreichsten ist daher im Beitrag Bittlingers die Geschichte
der charismatischen Aufbrüche von 1901-1974 in Verbindung
mit Erfahrungen in charismatischen Gottesdiensten. Einen solchen
Gottesdienst sieht er unter der Überschrift: „Gott redet mit uns
- wir reden mit Gott". Hier wird am besten das Wesen eigentlicher
und spezieller Prophetie sichtbar als „Auferbauung, seelsorgerliche
Hilfe und Ermutigung". Hier findet sich auch der Hinweis auf Einzelseelsorge
, die mindestens bei Paulus auch eine entscheidende Rolle
spielt. „Konkrete Weisungen" und „kleinere Weichenstellungen" sowie
Prüfung durch andere in der Gemeinde werden als „Prophecy
Today" aufgeführt. In diesem Beitrag findet man auch die Feststellung
: „Glossolalie ist eine Sprache, kein Stottern, Stöhnen, Jauchzen
oder Lallen. Die Bezeichnung der G. als ,ekstatisches' Reden ist
falsch und irreführend" (201). So ergänzt und korrigiert sich dieser
Sammelband schließlich selbst. Das ist ein Zeichen verdienstvoller
Offenheit. Schade, daß offensichtlich niemand aus einer Pfingstkirche
zu Wort kommt, denn dort hat man zum Thema etwas zu sagen und
ist darüber inzwischen auch mit theologischen Arbeiten vertreten.

Stendal Friedrich Carl Eichenberg

Referate über theologische Dissertationen
in Maschinenschrift

Hahn, Joachim: Das „Goldene Kalb" - Die Jahwe-Verehrung bei
Stierbildern in der Geschichte Israels. Diss. Tübingen 1980. 461 S.
+ Bibliographie.

Von den Stierbildern des Volkes Israel berichten im Alten Testament
vor allem die folgenden Texte: Ex 32; parr. Dtn 9,7-29 (ein
Stierbild Aarons in der Wüste); lKön 12,26-32 (Stierbilder Jero-
beams [. in Bethel und Dan).

In der Auslegungs- und Forschungsgeschichte findet sich zu diesen
Texten eine inzwischen kaum mehr übersehbare Anzahl von Interpretationen
und Beurteilungen der Texte. Die vorliegende Arbeit hat
sich zum Ziel gesetzt, das bisher zu den Erzählungen von den Stierbildern
Israels Erforschte und Gedachte systematisch zusammenzufassen
und „nach-zu-denken". Etwa 900 Beiträge wurden hierzu verarbeitet
, die in irgendeiner Weise auf die Stierbilder Israels zu sprechen
kommen: Kommentare und Beiträge aus der jüdischen und christlichen
Auslegung zur Zeit der Alten Kirche, dann auch des Mittelalters
und der Reformationszeit sowie die einschlägige Literatur seit der
frühen Forschungsgeschichte (d. h. seit ca. 1550) bis zur gegenwärtigen
Forschung.

Einleitende Überlegungen beschäftigen sich mit der Frage, wie der
Begriff Vll? der alttestamentlichen Berichte zu verstehen ist: als
„Kalb" oder „Jungstier". Offensichtlich liegt in Vi» jedenfalls der
offizielle Terminus zur Bezeichnung der „Jungstier"-Bilder vor, ein
polemischer Gebrauch ist unwahrscheinlich.

In drei zentralen Abschnitten der Arbeit werden die Texte Ex 32,
Dtn 9,7-29 und lKön 12,26-33 exegetisch untersucht und zu allen
Versen die Gedanken zu Fragen der Übersetzung, Textkritik und
Interpretation zusammengetragen. Dabei wird das jeweilige Spektrum
der Auslegungsmöglichkeiten aufgezeigt und auf Wege zur
Lösung von exegetischen Schwierigkeiten aufmerksam gemacht.

An jeden dieser Abschnitte schließt sich eine Untersuchung über
die literarkritischen Probleme der erwähnten Texte an. Hier werden
die - vor allem zu Ex 32 nur in wenigen Punkten zu vereinbaren den
- literarkritischen Analysen der bisherigen Forschung zusammengetragen
und ausgewertet; eigene Beobachtungen schließen sich an
diese Zusammenstellungen an. Als sicheres Ergebnis kann festgehalten
werden, daß Ex 32 keiner der alten Pentateuch-Quellen J oder E
angehört; die verschiedenen literarischen Schichten sind unterschiedlicher
Herkunft; z.B. ist Ex 32,7-8.10-14 ein sog. proto-
deuteronomischer Abschnitt. Überaus aufschlußreich ist der Vergleich
zwischen Ex 32 und Dtn 9,7-29 für die literarkritische Auswertung
beider Abschnitte.

Innerhalb der Auslegungs- und Forschungsgeschichte zu Ex 32 bereiten
drei Themen bislang die größten Interpretations-Schwierigkeiten
: die „Herstellung des Stierbildes", „die Anbetung Jahwes beim
Stierbild" und die „Vernichtung des Stierbildes". Die Probleme der
hierzu gehörigen Abschnitte aus Ex 32 werden in gesonderten Abschnitten
dargestellt. Eine Vielzahl phantasiereicher Deutungen
wurde hier je versucht, doch können nur wenige überzeugen.

Anschließend wird der Frage nach dem „historischen Kern" von
Ex 32 nachgegangen, die - trotz mannigfacher Spekulation in der
Forschung - nur im Zusammenhang mit 1 Kön 12,26ff gedeutet
werden kann.

Im letzten Viertel der Arbeit beschäftigt sich ein Abschnitt mit der
religionsgeschichtlichen Herleitung und Herkunft der israelitischen
Stierbilder in Auslegungs- und Forschungsgeschichte. Hier hat die
Forschung die unterschiedlichsten Wege zu gehen versucht, doch
bahnt sich in den letzten Jahrzehnten ein allgemeiner Konsens einer
Herleitung aus dem kanaanäisch-palästinischen Bereich an. Bis zur