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Ausgabe:

1981

Spalte:

698-699

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Prophetic vocation in new testament and today 1981

Rezensent:

Eichenberg, Friedrich Carl

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 9

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wird dieser in sich umfangreichste Teil des Arbeitsberichtes durch die
beigefügten Referate, die u. a. über das Problem verbindlicher Lehre
nach römisch-katholischem, orthodoxem und evangelisch-freikirchlichem
Verständnis Auskunft geben. Kennzeichnend für die
katholische Kirche ist die abgestufte und zugleich eingebundene
Autorität von Heiliger Schrift, consensus ecclesiae und Lehramt: Die
Schrift erweist sich darin als norma normans, daß sie durch Überlieferung
und Verkündigung ihren wahren Sinn enthüllt. Auch wenn
der consensus ecclesiae der Schrift nachgeordnet ist, sind beide
gleichwohl „Elemente der Heilswirklichkeit" (11). Das Lehramt erwächst
aus dem Konsensus der Kirche und fungiert als Auslegungsinstanz
. Unter Einschluß der Gläubigen befindet sich die gesamte
Kirche in einem ständigen Konsensusprozeß, wobei Lehre ständig
neu gebildet wird, freilich nicht nur im Sinne der Weiterbildung, sondern
vor allem der interpretierenden Ausformung überlieferter Lehre.
Noch stärker versteht sich die Orthodoxie von dem der Kirche insgesamt
vorgegebenen Glaubens- und Heilsbewußtsein her, das in der
Fülle der ekklesialen Gemeinschaft authentisch gelebt und bewahrt
wird. Schrift, Tradition und Glaube stehen nach orthodoxem Verständnis
nicht der Kirche gegenüber, sie sind „vielmehr Teil ihrer
organischen Einheit" (14). Aus der Glaubensüberlieferung als dem
umfassenden Wahrheitsbestand, wie er von der Gesamtheit der Gläubigen
erlebt wird, die Lehre der Kirche zu artikulieren, ist die Aufgabe
der Hierarchie. Die Kirchen der Reformation kennen dagegen
kein übergeordnetes Lehramt. Sie wissen sich in ihrer Lehrverantwortung
lediglich an Schrift und Bekenntnisse gebunden. Dabei dienen
die Bekenntnisse wohl zum rechten Verständnis der Heiligen Schrift;
ihre Verbindlichkeit erhalten sie jedoch letztlich durch ihren Bezug
auf eben diese Heilige Schrift. Das bedeutet: auch ein hermeneu-
tischer Schlüssel vermag den hermeneutischen Zirkel nicht zu öffnen,
Wenn sich nicht das Wort Gottes selbst dabei zur Sprache bringt.
Und: „Konsensusbildung und Lehrverurteilungen können nur in Anerkennung
der Autorität der Heiligen Schrift und der Bedeutung der
Bekenntnisse auf dem Wege gemeinsamer theologischer Bemühungen
um Übereinstimmung erreicht werden" (17).

Aus der Tatsache, daß die einzelnen. Kirchen je für sich Lehre verbindlich
, wenn auch mit unterschiedlichem Verständnis wahrnehmen
, ergab sich für die Studiengruppe die Frage nach einem verbindlichen
Zeugnis zwischen den Kirchen, so daß möglicherweise von
einer „ökumenischen Gemeinsamkeit verbindlichen Lehrens" gesprochen
werden kann (23). Ansatzpunkte dafür bilden die Autorität
der Heiligen Schrift und die Überlieferung der Alten Kirche, die von
allen Kirchen für die Bezeugung des Evangeliums als verbindlich
anerkannt werden. Für die Studiengruppe enthielt dies eine Reihe
von Implikationen wie z. B.: Alle Kirchen sind an Jesus Christus als
den Grund und Zeugen des Evangeliums gebunden. Es ist der vorgegebene
Inhalt ihres Zeugnisses, das durch Wort und Tat in der Nachfolge
Jesu zu geben ist. Die Verkündigung des Evangeliums als escha-
tologisch qualifizierte Gottesherrschaft erfordert eine möglichst große
Gemeinsamkeit im Zeugnis, aber auch eine verbindliche Formulierung
der Wahrheit in den wechselnden Weltsituationen. Die als
Grundübereinstimmungen konstatierbaren Elemente veranlaßten die
Studiengruppe zu der Erwägung, ob es unbeschadet der nach wie vor
bestehenden Differenzen bezüglich des Lehramtes „zwischen den
Kirchen nicht jetzt schon so etwas wie ein .Grundlehramt' (basic
teaching ministry) geben kann, mit dem sich die verschiedenen Kirchen
auch tatsächlich identifizieren können" (25).

Dazu werden thesenartige Überlegungen angeboten, von denen vor
allem die zum Begriff der Universalität hervorzuheben sind. Der Universalität
des Evangeliums sucht eine Lehrverkündigung zu entsprechen
, die auf eine allgemeine Gültigkeit ihrer Aussagen abzielt.
Diese Konzeption der „doktrinalen Universalität" wird von der der
..kommunialen Universalität" unterschieden, die in Anlehnung an
Rezeptionsprozesse in der alten Kirche von der „Anerkenntnis
zunächst nur lokal oder territorial verbindlicher Aussagen ausgeht"
(26), um damit gemeinsame Geschichte zu eröffnen, aber noch nicht

vorauszusetzen. Der Arbeitsbericht optiert nicht einseitig für eines
der beiden Universalitätsverständnisse, sondern spricht sich dafür
aus, sie gegenseitig füreinander offenzuhalten. Er verbindet damit die
Hoffnung, daß verbindliche Lehre in ökumenischer Gemeinschaft
über die altkirchlichen Symbole hinaus in doktrinalen wie in kommunialen
Prozessen entwickelt werden kann.

Der Gedanke kommunikativer Wahrheitsfindung begegnet auch in
der Studie des niederländischen katholischen Theologen Anton
Houtepen über „,Lehrautorität' in der ökumenischen Diskussion".
Sie untersucht Äußerungen zur Lehrautorität im Bereich des Ökumenischen
Rates seit Montreal 1963 und in der katholischen Theologie
seit dem 11. Vatikanischen Konzil. Houtepen geht es um eine verbindliche
Kommunikation des Glaubens. Nachdem in Anbetracht
der geistesgeschichtlichen Entwicklung wie auch der hermeneutischen
Probleme im Schriftverständnis die determinatio fidei durch
das Lehramt der Kirche problematisch geworden ist, sollte sie künftig
nicht anders als in der communicatio fidei erfolgen, an der das ganze
Volk Gottes teil hat.

Die Studie von Houtepen ist den Texten aus dem Deutschen Ökumenischen
Studienausschuß beigefügt. Sie hat der Konsultation der
Kommission für Glauben und Kirchenverfassung in Odessa 1977
vorgelegen. Ihr Bericht zur Frage verbindlichen Lehrens ist gleichfalls
mitabgedruckt. Der Bericht verarbeitet die Stellungnahmen von vier
Studiengruppen und faßt die Überlegungen der Kommission zusammen
. Dabei werden Übereinstimmungen und Unterschiede in den
Methoden und Formen verbindlichen Lehrens dargestellt, wie sie
sich zwischen den verschiedenen konfessionellen Traditionen herausgebildet
haben. Beispielhaft wird die Vielfalt der Situationen verdeutlicht
, in denen sich verbindliches Lehren der Kirche heute vollziehen
muß. Gesellschaftlicher Wandel, Pluralismus, Partizipation und
Rezeption werden als die Faktoren genannt, an denen sich auf Glaubwürdigkeit
bedachtes kirchliches Lehren zu bewähren hat. Dazu
kommt der Kontext der ökumenischen Bewegung, für die das Problem
je länger je mehr unausweichlich geworden ist.

Es hängt vermutlich mit der Anlage des Studienprojektes zusammen
, daß sich sowohl die ORK-Kommission wie die Arbeitsgruppe
in der BRD im wesentlichen darauf konzentriert haben. Formen,
Methoden und Situationen zu beschreiben, in denen sich das Lehren
der Kirchen heute vollzieht, und dabei jeweils den Zusammenhang
mit ihrem Selbstverständnis und ihren Strukturen zu erfassen. Bei
einer in solchem Maße ökumenisch und ekklesiologisch bestimmten
Fragestellung konnte das auch kaum anders sein. Beide Gremien sind
sich daher auch bewußt, daß das Problem verbindlichen Lehrens
Implikationen enthält, die in ihrer Arbeit erst ansatzweise behandelt
worden sind. Dazu gehört das Verständnis von Lehre im eigentlichen
Sinn und ihr Verhältnis zu Ausdrucksformen kirchlicher Rede wie
Zeugnis, Verkündigung und Bekenntnis. Dieses Problem wird zwar
genannt, aber nicht eigentlich in Angriff genommen. Um den theologischen
Ort kirchlicher Lehre und ihres Verbindlichkeitscharakters
zu beschreiben, dürfte dies unabdingbar sein. Welche Fragestellungen
und Herausforderungen hier auf uns zukommen, weisen zwei Referate
aus, die im Rahmen der Studiengruppe des Deutschen Ökumenischen
Studienausschusses über das religionssoziologische Umfeld des
Problems sowie über Lehren und Bekennen in den Kirchen Asiens
und Afrikas gehalten worden sind. Auch das erwähnte differenzierte
Verständnis von Universalität im Geltungsanspruch kirchlicher
Lehre dürfte geeignet sein, um mit neuen Impulsen in ein bisher
undurchforschtes Gebiet vorzustoßen.

Schöneiche b. Berlin Helmut Zeddies

Panagopoulos, J[ohannes], [Ed.]: Prophetic Vocation in the New
Testament and Today. Leiden: Brill 1977. VIII, 248 S. gr.8° =
Supplements to Novum Testamentum, XLV.

Der Band faßt Beiträge einer Konsultation des Ökumenischen
Instituts in Bossey vom September 1975 in englischer, deutscher und