Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1981

Spalte:

696-698

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Verbindliches Lehren der Kirche heute 1981

Rezensent:

Zeddies, Helmut

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

695

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 9

696

sprachen werden. Darüber hinaus verbirgt sich hinter der Rede vom
„Jahrzehnt der pld. Pastoren" solide theologische Arbeit; denn nicht
wenige pld. Pastoren sind - von der Universität und Amtskirche oft
alleingelassen - willens und fähig, das Thema „Niederdeutsch als
Kirchensprache" sowohl in historischer als auch in praktischtheologischer
Hinsicht aufzuarbeiten und zu durchdenken.

Einige Arbeitsergebnisse sind in dem anzuzeigenden Band vereinigt
, 11 Autoren, darunter mehrere Universitätsprofessoren, legen 13
Beiträge vor, die um die Bereiche Sprache, Predigt, Dichtung und
Bibelübersetzung angelegt sind.

Ein gutes Basiswort entdeckten wir in dem Aufsatz des holländischen
Philologen Klaas Heeroma: „Sprachtheologie ist die Wissenschaft
der Sprache Gottes, und diese Sprache Gottes ist die wunderbare
normale Sprache, in der wir als Menschen vor ihm und vor einander
existieren ... Gott ist für uns mehr als eine Glaubensvorstellung
, Gott ist für uns, weil er Sprecher unserer Sprache hat werden
wollen, eine Spracherfahrung geworden" (54). Da wir es also immer
wieder mit dem in Sprache geborenen und in der Sprache auferstehenden
Gott zu tun haben, der Nicht-Theologie zu Theologie macht,
fragt Julius Harms in seiner Studie „Scriptura scripta und viva vox
Evangelii" folgerichtig nach dem Stellenwert der biblischen Schriften.
Obwohl sich Luther stets gegen eine metaphysisch-sakramentale Verklärung
seiner Übersetzung gewehrt hat, wurde die Freiheit Luthers
gegenüber der scriptura bald zugunsten eines neuen „Papierenen
Papstes" aufgegeben - sehr zum Schaden der mundartlichen Lexik
und Syntax. Es kann nicht deutlich genug gesagt werden, daß ,jede
Sprache ihr Eigenleben braucht, um auch lebendig wiederzugeben"
(69). Um dieses Eingenleben der Sprache geht es des weiteren in den
11 Thesen von Götz Harbsmeier über „Die Bedeutung der Volkssprache
in der theologischen Intention N. F. S. Grundtvigs". Wir bekennen
uns zu den Thesen XI und X: Gottesdienst und Pfarramt sind
kein Experimentierfeld für die Wiederbelebung „verlorener Plattinseln
"; und: Nur der sollte pld. predigen und Seelsorge üben, der die
Mundart glaubwürdig und aktiv beherrscht! Ebenso freimütig referiert
Horst Hirschler über den pastoralen Auftrag im Spannungsfeld
von Sprache und Gemeindeerfahrungen. Er fordert die konkrete,
am Exempel orientierte Predigtsprache und votiert für den rechten
Gebrauch der Mundart. Gundsätzlich gilt: „Die Sprache der Predigt
soll Sprachhilfe für die Alltagssprache des Glaubens sein" (26). Eine
indirekte Bestätigung dieser Forderung finden wir in dem Beitrag von
Gottfried Holtz „Volkssprache und religiöser Humor". Um ein altes
Mißverständnis abzuwehren: Humor hat nichts mit Vulgarismus zu
tun; es gilt vielmehr den religiösen Humor, der sich vor allem im
weisheitlichen Sprichwortgut äußert, für die praktische Arbeit der
Kirche wirksam werden zu lassen, denn „der Mund des Glaubens ist
voll Lachens, nicht voll verkrampften Redens oder Schweigens" (47).

Einen entscheidenden Schritt nach vorn bedeutet die Aufarbeitung
der Predigttradition, die kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte
der pld. Predigt. Dieter Andresen würdigt den Beitrag
Claus Harms' zur Entwicklung einer pld. Kirchensprache, während
Heinrich Kröger den Bogen über „Hundert Jahre plattdeutsche Predigt
" spannt - von Joh. Paulsen über Heinrich Hansen bis Rudolf
Mtiuß (t 1972). Eine sachbezogene Darstellung mit 151 Fußnoten
zum Text! Wir sind sicher, daß eine ebenso detaillierte Arbeit über
den Hermannsburger Pastor Louis Harms folgen wird. - Aus dem
Beitrag von Hannes Demming erfahren wir, daß die pld. Predigt
auch in der katholischen Kirche eine lange, von evangelischer Sicht
unabhängige Tradition hat. - Eine Studie besonderer Art ist die von
Ernst Arfken in Dialektfassung vorgelegte „Kleine plattdeutsche
Hymnologie", die einen Abriß der Geschichte des nd. Kirchenliedes
vom 15. Jh. bis in unsere Zeit (mit Beispielen) bietet.

Zwei Beiträge beschäftigen sich mit der nd. Dichtung. G. Holtz
beleuchtet Fritz Reuters sozial-kritische Dichtung „Kein Hüsung" in
kirchenkundlicher Sicht. Die sozialen und kirchlichen Realitäten in
einem mecklenburgischen Tagelöhnerdorf nach dem Scheitern der
Revolution von 1848 werden in dieser Arbeit des Rostocker Gelehrten
ebenso gründlich erhellt wie das Problemfeld von Tod und Leben.
Segen und Fluch, Schuld und Sühne. - Unser Dank gilt auch Gerhard
Cordes, der den christlichen Frömmigkeitsinhalten in der modernen
nd. Dichtung (von Gorch Fock bis Dieter Bellmann) nachgeht;
seine Untersuchung bestätigt, daß die Mundart genügend sprachliche
Mittel bereithält, um Glaubensaussagen und Glaubenserfahrungen
zur Darstellung zu bringen.

Die'beiden letzten Beiträge des Sammelbandes befassen sich mit
dem Problem der Bibelübersetzung. H. Kröger hat die bisher unveröffentlichte
Denkschrift des Mecklenburgers Ernst Voß über sein pld.
„Neues Testament" (1929) für den Druck freibekommen und diese
mit Anmerkungen versehen. H.-R. Müller-Schwefe hingegen
äußert grundsätzliche „Überlegungen zur Übersetzung der Bibel".
Wir konstatieren: Kein Übersetzer wird von einer leichten Aufgabe
träumen, wenn es gilt, in einer naturwissenschaftlich-technischen
Welt mit ihrer heillosen Sprachverwirrung die Offenbarung Gottes
konkret werden zu lassen; wir werden uns vorerst mit einer Vielfalt
von „Übersetzungen", auch nd. Bibelübertragungen, bescheiden
müssen.

Den beiden Herausgebern sowie allen Autoren gebührt Respekt
und Dank für die vorliegende Dokumentation. Alle Beiträge (z. T.
mit Literaturhinweisen) informieren sachgerecht und regen zur Weiterarbeit
an. Die Bemühungen im „Jahrzehnt der pld. Pastoren"
haben sich gelohnt.

Rostock Karl Homuth

Ökumenik: Allgemeines

Verbindliches Lehren der Kirche heute. Arbeitsbericht aus dem Deutschen
Ökumenischen Studienausschuß und Texte der Faith and
Order-Konsultation Odessa 1977, hrsg. vom Deutschen Ökumenischen
Studienausschuß. Frankfurt (Main): Lembeck 1978. 227 S.
8'= Beiheft zur Ökumenischen Rundschau, 33.

Mit zunehmendem Nachdruck wird die Kirche wieder daraufhin
befragt, was in ihr gilt. Wo Mitarbeiter und Gemeindeglieder sich dessen
bewußt geworden sind, daß der Auftrag zum missionarischen
Zeugnis nicht nur „hauptamtlich" wahrgenommen werden kann,
sondern allen Christen insgesamt gegeben ist, da ist diese Frage verständlich
,ja notwendig. Sie ist jedoch, nicht frei von einer verbreiteten
Unsicherheit. Die unvermeidlichen Veränderungen in der Kirche mit
ihren zahlreichen, oft unverstandenen Experimenten, ebenso aber
- und dies vielleicht noch mehr - irritierende Erfahrungen mit dem
Verkündigungsgehalt mancher Predigten haben das Verlangen nach
Information und zuverlässiger Orientierung wachsen lassen. Daneben
stehen jedoch eine gerade bei Gemeindegliedern nach wie vor unverkennbare
Skepsis gegenüber dem Realitätsbezug kirchlicher Lehre
und bei den kirchlichen Institutionen eine mitunter geradezu lähmend
wirkende Scheu, in Lehrfragen zu verbindlichen Aussagen zu
finden.

So unterschiedlich die Gründe im einzelnen auch sein mögen, aus
denen heraus die Kirche erneut an ihre Aufgabe zu lehren erinnert
wird - es handelt sich dabei offensichtlich um ein weltweites Phänomen
. Die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen
Rates der Kirchen sah sich 1974 veranlaßt, eine Studie
einzuleiten unter der Frage „Wie lehrt die Kirche heute verbindlich
?" Die Mitgliedskirchen wurden zur Mitarbeit eingeladen. Der
von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der BRD getragene
Deutsche Ökumenische Studienausschuß hat sich mit einer
speziellen Arbeitsgruppe an dem Studienprojekt beteiligt und unter
dem Titel „Verbindliches Zeugnis der Kirche als ökumenische Aufgabe
" das Ergebnis seiner Arbeit vorgelegt.

Darin werden zunächst die unterschiedlichen Formen des Lehrvollzuges
einzelner Kirchen dargestellt und analysiert. Unterstützt