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Ausgabe:

1981

Spalte:

687-689

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Schneider, Theodor

Titel/Untertitel:

Zeichen der Nähe Gottes 1981

Rezensent:

Peters, Albrecht

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687

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 9

688

Systematische Theologie: Dogmatik

Schneider, Theodor: Zeichen der Nähe Gottes. Grundriß der Sakramententheologie
. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag 1979.
322 S.gr. 8". Lw. DM 38,-.

Die aus einer Mainzer Vorlesung erwachsene Studie bietet einen
ausgezeichneten „nachkonziliaren Grundriß der Sakramententheologie
" (15); auch der evangelische Theologe kann sich gut informieren
und empfangt hilfreiche Anstöße. Zu jedem Abschnitt ist wichtige
Literatur für einen breiteren Leserkreis zusammengestellt, die zum
Beschluß (305-317) alphabetisch aufgelistet ist.

Ein einführendes Kapitel (17-69) skizziert „Grunddaten heutiger
Sakramententheologie"; dazu setzt der Vf. unter der charakteristischen
Überschrift „anthropologische Basis" (17) ein bei einer symbolhaft
sich ausprägenden, leibvermittelnden Kommunikation,
orientiert sodann die geschichtliche Selbstmitteilung Gottes auf das
„Ursakrament" Jesus Christus als das Mysterion schlechthin sowie
den entscheidenden „Ort" menschlicher Erhöhung; als drittes Bezugsfeld
fügt er die geistdurchwaltete Kirche hinzu. Sie entfaltet sich
als das „Grund- oder Wurzelsakrament" hinein in die Grundsituationen
ihrer Glieder und gestaltet hierdurch die einzelnen Sakramente
aus, deren klassische Siebenzahl mehr die integrierende Fülle als eine
nicht mehr hinterfragbare Größe meint. Hieraus resultieren die Elemente
eines christlichen Sakramentsbegriffs: unsere menschliche
Verfaßtheit, nach der sich Sein im Handeln oder Erleiden realisiert,
die Qualifizierung einer Situation durch einen performativen Vollzug
, der nicht historisierend einzuengende Rückbezug auf den irdischen
Jesus und erhöhten Christus sowie das von Gott verbürgte
(opus operatum) und vom Menschen vertrauend-hoffend angenommene
(opus operantis) Engagement. Diese ,essentials' dürften auch,
für uns Evangelische gelten; lutherische Schau würde freilich den
Vollzug des Wortes als Inslitutio und Distributio, als Mandatum und
Promissio akzentuieren, altkirchliche wie gegenwärtige ökumenische
Sichtweise hingegen mehr den trinitarisch-hcilsgeschichtlichen Ge-
betsvollzug unterstreichen.

Die weiteren Kapitel bieten äußerst geraffte, höchst informative
und zugleich praxisbezogene Einführungen in die sieben katholischen
Sakramente. Die Taufe (70-106) wird unter der Trias: Bekenntnis zur
eigenen Lebenswende, „Initiation" als Wiedergeburt im Alemraum
des Gottesvolkes, Teilhabe an Christi Leidensgehorsam und Erhöhung
aufgeschlüsselt. Das Problemfeld „Säuglingstaufe" wird entschärft
durch eine Besinnung auf das „offene, gedehnte Verhältnis"
zwischen Glaube und Taufe. Nicht so hart tritt die sündige Verlorenheit
des Menschen heraus, damit bleibt auch die Leitfrage vor allem
Luthers unbedacht; sie lautet nicht: läßt sich eine Kindertaufe
biblisch begründen oder theologisch rechtfertigen, sondern: Wer gibt
uns das Recht und die endzeitliche Gewißheit, dieses herzugetragene
Menschenkind aus dem universalen Hcilsangebot Gottes und der
Weisung Jesu, alle Völker unter seine Heilsherrschaft und in seine
Jüngerschaft einzufügen, noch auszuschließen? Hilfreich bleiben die
korrespondierenden Verweise auf ein seelsorgerliches Einführen in
das Leben der Gemeinde.

Die Firmung (107-127) wird von den biblischen Aussagen zum
Wirken des Gottesgeistes aus angegangen; der durch Papst Paul VI.
1971 neugeordnete Vollzug: Salbung mit Chrisam auf der Stirn unter
Handauflegung mit dem Votum: Accipe Signaculum Doni Spiritus
Sancti (1 14f) wird als Besitzergreifung und Inanspruchnahme, als Begeisterung
und Entschiedenheit expliziert. Im Hinblick auf die Praxis
verbleibt eine kaum lösbare Aporie, die sich analog auch in den Vorschlägen
zur Neugestaltung der Konfirmation zeigt; die Intention,
möglichst früh in das Abendmahl einzuführen, reibt sich mit dem
Wunsch, die Unmündigentaufe in einem eigenständigen Akt der
Glaubensrechenschaft zu rezipieren.

Die Eucharistie (128-186) als „sacramentum Ecclesiae" wird aufgeschlüsselt
unter dem Aspekt eines „Selbstvollzuges der Kirche am

Ort" (128). Die Intention der durch die Liturgiekonstitution eingeleiteten
Erneuerung wird umsichtig entfaltet und zugleich gegen die Einsprüche
des Kreises um Erzbischof Lefebvre verteidigt; freilich bleibt
die Diskrepanz zwischen dem Ringen um einen zeitgerechten Gottesdienst
und manchen „gesellschaftlichen Gegenstimmungen". Das
Problem des Rückbezuges der kirchlichen Eucharistiefeier auf den
vorösterlichen Jesus ist erstaunlich offen diskutiert, hierbei scheint
freilich der historisch-kritischen Forschung noch zu viel zugetraut zu
werden. Im Hinblick auf die „Realpräsenz" ist die personale Sicht des
Neuprotestantismus aufgegriffen; hilfreich ist die Erläuterung der
umstrittenen Chiffre der „Transsignifikation" (Piet Schooncnberg).
Der Opfercharakter der Eucharistie ist eingefügt in die allumspannende
Hingabebewegung von Gott zu uns und zugleich ausgerichtet
auf die Selbsthingabe des Christusleibes der Kirche als lebendige
Hostie im Alllag der Welt. Für reformatorisches Urteil tritt nicht so
präzise heraus, daß wir uns im Eucharistiegebet auf den bleibenden
Hohenpriesterdienst des Sohnes berufen, der unsere Selbsthingabe
von allem sündigen Beiwesen reinigt und dem heiligen Vater darbringt
. Das ökumenische Problemfeld der Gemeinschaft am Tisch
des Herrn ist unter Anführung entscheidender kirchlicher Stellungnahmen
knapp skizziert.

Die Erörterungen zur Buße (187-219) setzen ein beim tiefgreifenden
Wandel gegenwärtiger katholischer Beichtpraxis. Auf der einen
Seite wird ein traditionelles Drohen mit dem Richtergott inkriminiert
, auf der anderen eine heute sich breitmachende Anthropodizee
mit ihrem „diffizilen Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungsmechanismus
" (J. B. Metz) befehdet (188-191). Innerhalb des biblischen
Rekurses wird das Evangelium am eindeutigsten als Heilszusage gewertet
; einige Schlaglichter auf die Kirchengeschichte zeigen den tiefgreifenden
Wandel im Beichtvollzug an. Die reformatorische Position
erscheint leider nur als Anlaß zur Reaktion des Trienter Konzils.
Instruktiv sind aber die Verweise auf die gegenwärtigen Erneucrungs-
versuche, die im Ordo paenitentiae von 1974 kanalisiert wurden.
Umstritten bleibt hierbei die sakramentale Qualität von Bußfeiern
sowie deren Zuordnung zur Einzelbeichte. Beherzigenswert ist auch
für uns reformatorische Christen der Hinweis, daß echte Erneuerung
nicht beim Gesetz, sondern beim Evangelium ansetzen wird (217).

Das radikalste Umdenken ist wohl bei der Krankensalbung
(220-236) gefordert. Die „letzte Ölung" als Todesweihe oder gar als
„Eintrittskarte zum Himmel" ist seit 1972 unter Rückgriff auf Jesu
Wirken und Sendungsauftrag sowie auf Jakobus, 5,14-16 umgewandelt
zu einer Schalom-Handlung, die sich auch mit einer Meßfeier der
Familie verbinden soll oder innerhalb eines „Heilungsgottesdienstes"
etwa auf einer „Krankenwallfährt" vollzogen werden kann. Hier erfolgt
eine bedenkenswerte Öffnung in die Richtung charismatischer
Ansätze in der Ökumene.

Die Überlegungen zur Priesterweihe bzw. zum Ordo (237-269)
gehen wiederum von der gegenwärtigen Situation aus und problema-
tisicren unter dem Stichwort der „Demokratisierung" den Tatbestand
, daß noch immer die Legislative, Exekutive und Judikatur beim
Bischofliegt. Die biblische Überlegung zur Ausgestaltung des Amtes
unterstreicht den Dienst des bevollmächtigten Zeugen vor der Gesamtgemeinde
und damit das Evangelium. Am II. Vatikanum wird
die Konzentration auf das Bischofsamt aber auch der Rückgriff auf
die reformatorische Lehre (bes. Osiander und Calvin) vom dreifachen
Amt Jesu kritisch beurteilt. Die Problemfelder einer lebenslangen
Verpflichtung, des Zölibats sowie der Ordination von Frauen werden
nur gestreift; zur ökumenischen Annäherung rückt der Vf. die Konsensustexte
der Gruppe von Dombes und des „Paderborner Kreises"
in den Vordergrund.

Ein Schlußkapitel zur Ehe (270-303) akzentuiert den geschichtlichen
Wandel, spricht die Krise der kirchlichen Ehemoral an, weist
aber auch auf Neuansätze hin und fördert für die Ehelehre eine Integration
der naturalen, sozialen und personalen Bezüge unter dem
Leitgedanken persönlicher Liebeszuwendung wie Treuegemeinschaft
. Deshalb soll auch die sakramentale Struktur der Ehe nicht