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Ausgabe:

1981

Spalte:

683-685

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Weger, Karl-Heinz

Titel/Untertitel:

Karl Rahner 1981

Rezensent:

Hübner, Siegfried

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 9

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rer Idylliker wie bei Oliver Goldsmith, J. H. Voß, Mörike, der Droste
u. a. Wenn in der Novelle „Die Frau Pfarrerin" die Witwe im Sterben
ihr Eheleben als Idylle sieht, so ist das idealisierende Verklärung im
Vorblick auf die anbrechende Ewigkeit. Gotthelf war immer Kämpfer
: gegen Dummheit, Aberglauben, liberalen Zeitgeist, Pietismus,
Dogmengläubigkeit, Kurpfuscherei, ärztliche Überheblichkeit. Die
Polemik kann zu Pamphleten ausarten, - gewiß unpassend in Idyllen.
Der in der Biedermeierzeit lebende Dichter fällt aus ihr heraus. Der
Leser kann sich bisweilen des Eindrucks nicht recht erwehren, daß
dies Ergebnis dem Vf. leid tut. Ist er vielleicht beauftragt gewesen,
Idyllen aufzufinden?

Ausgeschöpft sind vor allem die großen Romane: Schulmeister,
Anne Bäbi, Geld und Geist, - ohne daß eine Pfarrergestalt der übrigen
Romane und Novellen ausgelassen wäre. Göttler hat redliche
Arbeit geleistet, nur die Ausführungen zu „Geld und Geist" sind u. E.
mißglückt. Der Pfarrer der vier Predigten des Romans sei überhöht
zu einer „gottähnlichen Stellung". Wiederholt wird er als gottähnlich
und allwissend charakterisiert, auch als übermenschlich
(124-127.132). Göttler konstruiert hier eine Parallele zur Autoritätsstellung
des Aufklärungspfarrers. Aber das ist ein Irrweg. Göttler verrät
seine Unkenntnis über den christlichen Glauben an Gott als Geist.
Damit ist der Zugang zu der wohl besten pfingstlichen Dichtung der
deutschen Literatur verbaut. W. Muschg hat sie richtig „Gotthelfs
frömmstes, feierlichstes Werk" genannt, „ein Buch der Heiligung des
Lebens und der Ausgießung des Geistes, eine pfingstliche Dichtung"
(W. Muschg: J. Gotthelf, eine Einführung in sein Werk, Dalp-
Taschenbücher 303, 1954, S. 95). Gott hat die am Geld schuldig
gewordenen Eheleute durch innere Führungen so zubereitet, daß sie
im Erlebnis zweier pfingstlicher Gottesdienste mit ihren Predigten
von dem Geist erfaßt wurden, „der stark macht, was danieder lag"
(R. A. Schröder). Es ist zu beklagen, daß ein Literaturkritiker heute
den Glauben der Christen an den Gott des Dritten Artikels nicht
mehr zu kennen scheint. Der verführenden Macht von Plakatierungen
wie Christ oder Pfarrer in der und der Epoche - etwa der Goethezeit
, des Biedermeier, der Romantik - ist Göttler nicht erlegen. Wie
schwer es ihm wurde, zeigt der Mißgriff zur Pseudomorphose der
Gottähnlichkeit, die eine Verbindung zu einem aufklärerischen Pfarrerideal
sein soll.

Zum Schluß sei auf die guten Arbeits- und Forschungshilfen aufmerksam
gemacht, die der Leser in den reichen Literaturangaben und
in den Hinführungen zu Zeitgenossen wie Krünitz, Zschogge, Pestalozzi
, Mörike findet. Die Geschichte des protestantischen Pfarrerstandes
hat noch Lücken. Eine von ihnen hat Göttler aufgespürt und
weithin erfolgreich geschlossen.

Rostock Gottfried Holtz

Systematische Theologie: Allgemeines

Weger, Karl-Heinz: Karl Rahner. Eine Einführung in sein theologisches
Denken. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1978. 175 S. kl. 8' =
Herderbücherei, 680. Kart. DM 6,90.

Ein Buch, das eine Einführung in das theologische Denken Karl
Rahners verspricht, kommt heute dem Wunsch einer breiten Schicht
theologisch und kirchlich Interessierter entgegen. Vor allem diejenigen
, die durch den „Grundkurs des Glaubens", den Rahner 1976 als
„Einführung in den Begriff des Christentums" vorgelegt hat, Zugang
zu seinem theologischen Werk suchen, werden für eine „Hinführung
und einführende Lesehilfe" dankbar sein, selbst wenn sie sich, wie
Rahner es im Vorwort zu seinem „Grundkurs" erwartet, für „einigermaßen
gebildete und die ,Anstrengung des Begriffs' nicht scheuende
Leser" halten. Karl-Heinz Weger bietet mit dem hier vorzustellenden
Bändchen der Herderbücherei eine solche an. Es geht ihm dabei in
erster Linie um Leser, die nicht Fachtheologen sind oder Rahner zum
ersten Mal studieren wollen. Ihnen will er die Begriffe, die Methode
und vor allem das Anliegen Rahners verständlicher machen (II), bewegt
von der Überzeugung, daß die Theologie Rahners in der
gegenwärtigen Situation dringend benötigte Hilfen geben kann, die
Frage zu beantworten „Warum bin ich heute ein Christ?", und es der
Mühe wert ist, möglichst vielen dafür ein Tor zu öffnen.

In 7 Abschnitten geht der Vf. diese nicht leichte Aufgabe an. Er
zentriert alles um die Darlegung des Begriffs des „übernatürlichen
Existentials", der die Grundüberzeugung Rahners zusammenfaßt,
daß Gnade eine Wirklichkeit ist, welche in der innersten Mitte
menschlicher Existenz immer und überall im Modus des (angenommenen
oder abgelehnten) Angebots gegeben ist, so daß der Mensch
aus dieser Eigentümlichkeit seines Wesens niemals heraustreten kann
(IV). Hierin sieht er „das Herzstück der Theologie Rahners", ihren
„Zentralbegriff" (79), als der dann freilich auch die „Selbstmitteilung
Gottes" bezeichnet werden kann (97). Die vorausgehenden Abschnitte
(13-77) enthalten eine vorzügliche Erläuterung der „transzendental
-anthropologischen" Denk- und Fragemethode Rahners,
die als Antwort auf die Glaubensnot der Gegenwart von ihren philosophiegeschichtlichen
Hintergründen her eingeführt (I) und im Blick
auf den Menschen mit seiner Undefinierbarkeit und Verwiesenheit
auf ein unsagbares und namenloses Geheimnis (II) sowie durch die
für das Denken Rahners charakteristische Interpretation der damit
gegebenen „transzendentalen Erfahrungen" als Gotteserfahrung (III)
ausführlich expliziert wird. Vom Begriff1 des „übernatürlichen Existentials
" aus werden dann die Folgerungen in den Blick gerückt, die
Rahner entwickelt: die Möglichkeit „anonymen Christentums", die
Neueinschätzung nichtchristlicher Religionen und Weltanschauungen
, sein Verständnis von Offenbarung als Beziehungseinheit ihres
transzendentalen und kategorialen Aspekts (V). Die letzten beiden
Abschnitte (123-165) sind dem Glauben an Jesus Christus (VI) und
der Kirchlichkeit des Glaubens (VII) gewidmet. Sie bringen dem
Leser die „transzendentale Christologie" bzw. „Christologie von
unten" Rahners nahe und machen mit seinen Antworten auf eine
Reihe (vor allem kontroverstheologischer) ekklesiologischer Fragen
vertraut.

Schon dieser knappe Überblick zeigt, daß hier auf einem Wege, der
derGedankenführung Rahners im „Grundkurs" folgt, die wichtigsten
methodischen Voraussetzungen, Begriffe und Überlegungen vorgestellt
werden, denen der Leser begegnen wird, wenn er sich den Veröffentlichungen
Rahners selbst zuwendet. Die einzelnen Abschnitte
sind selbstverständlich viel reichhaltiger, als hier angezeigt werden
kann. Der Vf. erweist sich hierbei als ein kundiger Wegbereiter, der es
versteht, viele Einzelerkenntnisse von ihrem inneren Zusammenhang
her aufzuschließen und dort Akzente zu setzen, wo er eine besondere
Korrespondenz zwischen den Gedankengängen Rahners und den
Fragen seiner Adressaten erwarten kann. Als Beispiel dafür seien die
Ausführungen zum Begriff der „Selbsttranszendenz" (69-73) genannt
. Das volle Engagement, mit dem er sich hinter die Theologie
Rahners stellt, kommt dabei - aufs Ganze gesehen - seiner Intention
sehr zugute. Rahner selber erhält oft und in trefflich ausgewählten
Zitaten das Wort, hervorragend z. B. in den langen und
eindrucksvollen Texten über „transzendentale Erfahrungen" (49f;
83-86).

So hilfreich und empfehlenswert sich das Buch damit präsentiert,
so weckt die Lektüre doch auch Fragen, von denen einige noch genannt
werden sollen. Da ist zunächst die, auf welcher Verständnis-
ebene der Vf. schreiben wollte - wenn er z. B. seinen Lesern den Begriff
Anthorpologie erläutert (22) -, und wie weit das gelungen und
immpr durchgehalten worden ist. Manche Passagen hinterlassen den
Eindruck, daß sie eigentlich auch nicht „verständlicher" sprechen als
Rahner selbst. Weiter ist zu fragen, und das wiegt schon schwerer, ob
es im Hinblick auf den angesprochenen Leserkreis glücklich ist, als
Einstieg und Leitfaden einseitig die transzendentale Methode zu wählen
. Der Vf. ist sich bewußt, daß eine so kurze Einführung „vereinfachend
, unvollkommen und bruchstückartig sein muß" (12). Aber
wenn er selbst feststellt, daß der „transzendentale Ansatz Rahners . . ■
allgemein . . . immer der Gefahr ausgesetzt" sei, „die kategoriale Seite