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Ausgabe:

1981

Spalte:

677-682

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte 1981

Rezensent:

Dinkler- von Schubert, Erika

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 9

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which in its origins is a divine gift'" (159). Norris kommentiert: „The
Catholic Faith is a dynamic harmony between growth and per-
manence, between energetic life and enduring truth" (163).

In diesem Sinne müsse auch Newmans Verhältnis zum Ersten
Vatikanum gesehen werden: „Newman saw very clearly, that what
was actually afTirmed at the Vatican Council was a revealed truth of
God..." (159). Das Dogma von der Infallibilität des Papstes sah
Newman in Analogie zum Schema Natur - Gnade. Das Christentum
ist im Hinblick auf die menschliche Natur eine additio; die Gnade
fügt der Natur etwas hinzu, was sie von sich aus nicht besitzt. Entsprechend
gelte für die Unfehlbarkeit des Papstes: „What.the reality
of Grace does for human nature, infallibility does for the human in-
tellect"(182).

Norris zufolge darf man Newman als den Propheten einer Bewegung
, die sich von der erstarrten Thesis-Theologie fort dem konkreten
dynamischen Weltbezug der Offenbarung zuwandte, betrachten.
In diesem Sinne habe Newman auch bereits prophetisch im Hinblick
auf das Zweite Vatikanische Konzil gewirkt. In seinem Schlußkapitel
(Newman's Theological Method and Today, 196-210) zeigt der Vf.,
wie sich die Urteile über Newman im Laufe der Zeit zum Positiven
hin gewandelt haben. Von dem zeitweilig erhobenen Vorwurf des
Modernismus befreite ihn endgültig ein von Papst Pius X. an den
Bischof von Limerick im Jahre 1908 geschriebener Brief. Papst Paul
VI. habe ihn ein „Leuchtfeuer für alle Suchenden und einer Führung
Bedürftigen" ("a 'beacon for all who are seeking an informed
orientation and sure guidance'", 197) genannt.

Im Zusammenhang seines Schlußkapitels bringt Norris eine aufschlußreiche
tabellarische Übersicht über Newmans grundsätzliche
Positionen im Vergleich mit der liberalen Theologie und deren Voraussetzungen
. Hierin wird noch einmal verdeutlicht, daß bei Newman
letztendlich trotz seines anthropologischen Ansatzes Gott im
Mittelpunkt theologischer Reflexion steht und nicht der Mensch.
Menschliches Wissen und Denken erscheint jeweils da relativiert, wo
Gott und seine Offenbarung Gegenstand der Denkbemühungen sind.
Anderseits gilt für Newman, daß die Hinkehr unseres Seins und
Wesens zu Gott uns zur Aufnahme dessen, was uns in der Offenbarung
mitgeteilt wird, befähigt. Dem nicht zuletzt wegen seines
Gegenwartsbezuges lesenswerten Buch ist ein Vorwort (Preface,
XI-XIV) von Johannes Artz vorangestellt, das auf die Aktualität der
Untersuchung verweist.

Potsdam-Babelsberg Ilse Bertinetti

Christliche Kunst und Literatur

Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, begonnen von O.
Schmitt, fortgeführt von E. Gall, H. M. Frhr. von Erffa, L. H. Heydenreich
u. K.-A. Wirth, hrsg. vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte
München. Redaktion: K.-A. Wirth. Bd. VI, Lfg. 70-72,
Sp. 1121-1513 m. Abb., Bd. VII, Lfg. 73-81, 1152 Sp. m. Abb.
München: Druckenmüller; Zentralinstitut für Kunstgeschichte u.
Beck i. Komm. 1972/73/78/79. 41.

Die seit unserer letzten Besprechung (ThLZ 99, 1974 Sp. 842-845)
erschienenen Schlußfg.n von Bd. VI beenden zunächst Art. Fahne
(O. Neubecker, 1060-1168), abgegrenzt auf militärischen Gebrauch:
dazu Fahnenbuch (Ders. u. F. Deuchler, 1168-1183), die bis in die
Neuzeit übliche illustrierte Kodifizierung. Es wäre lohnend, dem
Thema in der christlichen Ikonographie auch von der Form her nachzugehen
: so trägt die F. als Attribut der kontrapostierten Ekklesia und
Synagoge im Kreuzigungsbild gelegentlich den Zuschnitt des militärischen
Gonfanon (= Kriegstuch, Sp. 1060 u. 1067, Abb. 2 u. 5); in der
Hand des Auferstandenen dürfte die militärisch zugeschnittene F.
(Sp. 1152) nicht ohne Bezug sein auf den kriegerisch-siegreichen Charakter
des Osterereignisses, im Siegestenor sinngerechter Nachfolger

des älteren österlichen Kreuzstab-Atttributes. Einen Beitrag zur mittelalterlichen
Kulturgeschichte liefert der Art. Falke, F.-jagd, Falkner
, Falkenbuch (H. Peters, 1251-1366). Er zeigt die bedeutende
Rolle der Falknerei im Leben des MA, die den Falkner zum Idealbild
des Ritterstandes erhebt und in allegorischen Darstellungen den Falken
die ,nobilitas' seines Besitzers anzeigen läßt. Zum Niederschlag in
Kaiser Friedrichs II. ,De arte venandi cum avibus', einem der bedeutendsten
zoologischen Werke des MA, vgl. Sp. 1259-1261. Ergänzend
: zum Motiv des beuteschlagenden Raubvogels, Sp. 1354, in
christlicher Deutung des MA: E. Dinkler-v. Schubert, Der Schrein
der Hl. Elisabeth zu Marburg, 1964, 119-123; zum Falkenbuch
Friedrich IL: E. Kantorowicz, Friedrich IL, 1931, bes. S. 332-336
(Neudr.51980).

Als Personifikationen werden vorgestellt: die Vier Fakultäten (K.-
A. Wirth-U. Götz, 1183-1219), die Theologische Fakultät gelegentlich
im Bilde der Dreieinigkeit (!; Sp. 1187, Abb. 2). Ergänzend zu
den Insignien jetzt Bd. II des Corpus Sceptrorum von W. Paatz (Heidelberg
1979), der über das Kunstgeschichtliche des akademischen
Scepters hinaus „die Funktion in Recht und Brauch der Universitäten
" untersucht und damit einen wertvollen rechts- und kulturgeschichtlichen
Beitrag liefert. - Ferner Falschheit (G. Werner,
1374-1407), die seit den Illustrationen zur Psychomachie des Pru-
dentius im Früh-MA zur Gruppe der von den Tugenden bekämpften
Laster gehört. - Fama (H. Kauffmann, 1425-1445), glänzend als feiges
Ungetüm beschrieben bei Vergil (Aen. IV, 178-188) und Ovid
(Met. XII, 39-63), dargestellt als Person aber erst seit dem Quattrocento
, nun positiv und verwandt mit gloria, im Sinne von Petrarcas
,trionfo della Fama'. - Fantasie (H.-E. Mittig, 1451-1461), als Personifikation
erst seit der .Iconologia' des C. Ripa (1618) veranschaulicht
, mit Figurenkrone und Flügeln am Kopf; so noch 1794 auf
einem (verlorenen) Gemälde von E. T. A. Hoffmann. - Vorweggreifend
aus Bd. VII: Feindschaft (K.-A. Wirth, VII, 1072-1078), deren
Verbildlichung zunächst nur allegorisch, personifiziert aber erst seit
der Neuzeit (C. Ripa) begegnet.

Der jeweilige Einsatz der einzelnen Bildthemen verdeutlicht zeitgenössische
Tendenzen: So beginnt mit dem Humanismus des Spät-
MA die Darstellung der Geschichte vom verräterischen Falisker
Schulmeister und dem gerechten Camillus (Liv. V, 27), vorgeführt als
ein ,exemplum morale' (G. Sprigath - G. Schiedlausky, 1237-1251).
Charakteristisch für die spätmittelalterliche Passionsfrömmigkeit ist
das Thema der Sieben Fälle Christi (S. Zajadacz-Hastenrath,
1366-1374), eine Form der Andachtsübung, nah verwandt mit
der Kreuzwegandacht und in diese späterhin einbezogen.

Uber einige Realien unterrichten kleinere Art., zur Koslümkunde:
Faltrock (A. v. Reitzenstein - J. Haug, 1419-1422), ein wohl im
16. Jh. durch Kaiser Max initiiertes männliches Kleidungsstück. Zur
Möbelkunde: Faldistorium (A. A. Schmid, 1219-1237), der noch
heute in katholischem Kult und englischem Hofzeremoniell gebräuchliche
Klappstuhl; zur Paramentik: Fano (U. Keller,
1445-1450), das päpstliche liturgische Schultertuch.

Aktuell für Kunstsammler und -handel ist Art. Fälschung
(P. Bloch, 1407-1419) mit reicher, auch juristischer Fachliteratur.
Zugrundegelegt für die Klassifikation ist das Kriterium böswilliger
Fälschungsabsicht, womit ein alter römischer Rechtsgrundsatz aufgegriffen
wird, der „dolus" für die Feststellung des „crimen falsi" erfordert
(Paul. Dig. XLVIII, 10,22pr;PWVI,Sp. 1976).

Ein dem Band VI angefügtes Supplement Exoten (Baron L. Döry,
1491-1512), d. h. ihre mit dem Entdeckungszeitalter beginnende, auf
Autopsie begründete Darstellung, unterbricht eine Themenfolge, die
von den letzten Artikeln des Bandes eröffnet wird: Farbe, allgemein,
sowie Farbe, Farbmittel in der abendländischen mittelalterlichen
Buchmalerei, von dem Fachmann dieses Gebietes H. Roosen-Runge
(1461-1492), eine subtile Analyse mittelalterlicher Farbgewinnung
aufgrund zeitgenössischer Quellen.

Bd. VII, der mit Lfg. 73 einsetzt, führt die im 6. Band aufgenommene
Thematik ,Farbe' in monographischer Ausführlichkeit fort, zu-