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Ausgabe:

1981

Spalte:

666-667

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Theologen des Protestantismus im 19. und 20. Jahrhundert 1981

Rezensent:

Nowak, Kurt

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Theologische Literatur/eitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 9

666

gionsgemeinschaft. Viele Themen werden dadurch dem Zugriff zeitloser
frommer Erbaulichkeit entzogen und erhalten über die Funk
tion im Text hinaus ihren ursprünglichen bzw. entwickelten Sitz im
Leben wieder. Den Manichäismus als eine sehr spezifische Entwick-
lungslinie innerhalb des spätantiken Synkretismus so wieder einmal
aufgezeigt zu haben, ist nur eines der Verdienste dieses mustergültigen
Buches.

Brisbane. Australia Michael Latlke

Puech, Henri-Charles: Sur le Manicheisme et nutres essais. Paris:
Flammarion 1979. VII, 508 S. 8'.

Das Buch enthält eine Reihe von Aufsätzen über manichäische
Themen (La coneeption manicheenne du Salut, 5-101; Le Prince des
Tenebres en son Royaume, 103ff; Saint Paul chez les manicheens
d'Asie centrale, 153ff; Peche et confession dans le manicheisme,
169ff; Musique et hymnologie manicheennes, 179ff; Liturgie et prali-
ques rituelles dans le manicheisme, College de France, 1952-1972,
S. 235 ff; Catharisme medieval et bogomilisme, 395ff) und drei bereits
früher veröffentlichte Artikel (Le cerf et le serpent, 429ff; Les Prisons
de Jean-Baptiste Piranese, 481 ff; Signification et Representation
487IT). Eine Zusammenstellung von Grundbegriffen, Personennamen
sowie von Titeln der Quellen usw. schließt das Buch (493-508). Es
handelt sich nicht um eine erweiterte Neuauflage des im Jahre 1949
herausgegebenen weltbekannten Büchleins Le manicheisme. Son fon-
dateurs, sa doctrine (Paris: Civilisations du Sud), sondern um lost
Kapitel, in denen der Stoff in bezug auf das angegebene Thema kritisch
und genau behandelt wird. Man könnte wohl von Mikromono-
graphien sprechen. Die methodisch präzise Analyse einzelner Stoffelemente
und die Feststellung ihrer Herkunft und ihrer Funktion im
manichäischen Lehrgebäude einerseits und die Beschreibung des
Systems, der Spekulation und der Phantasie, derer man bedurfte, um
aus wesensfremden Einzeldingen den weltberühmten Mythos
zusammenzufügen andererseits: das ist Puechs zweigleisige Bahn zur
Erkenntnis. Diese Methode vergönnt es dem Vf. nicht, größeres Gewicht
auf die Darstellung der Wirkung der manichäischen Lebensauffassung
in der antiken Gesellschaft zu legen, die wechselseitigen Einflüsse
der Religion und der menschlichen Bedürfnisse aufeinander
festzustellen sowie die unter diesen Einflüssen entstandenen Lehrmeinungen
in einzelnen Ländern und Provinzen der manichäischen
Kirche zu erklären. Trotzdem ragt das Buch durch vortreffliche Genauigkeit
und Gelehrsamkeit des Vf. hervor.1

An einigen Stellen ergänzt Puech die Angaben der Quellen, indem
er eine neue, bisher unbekannte Quelle zitiert, nämlich den Kölner
Mani-Kodcx (Papyri Colon, inv. nr. 4780). Es handelt sich um eine
ganz kleine griechische Handschrift, die von A. Henrichs und L. Koe-
nen seit 1970 untersucht und teilweise herausgegeben worden ist. Der
publizierte Text scheint zu beweisen, daß Mani in seiner Kindheit
von clkesaitischen Lehrern erzogen wurde. Im Artikel „Saint Paul"
befaßt sich der Autor mit einer kleinen Anzahl von denjenigen Stellen
in manichäischen Büchern, in denen Zitate aus paulinischen Episteln
sich befinden (vgl. Turfan-Fragmente S 1; M 551; M 789 und
I Kor 2,9 oder M 801 und die 254. Strophe des chinesischen Gesangbuches
und 1 Kor 11,27ff; vgl. adp(, xai aipa, hebr. baSar wadam.
Mt 16,17; Gal 1,16; Eph6,12; im bab. Talmud ein sterblicher
Mensch, Ber. 33 a, und awpa xai atpa, hebr. guf wadam, vgl.
Mt 26,26ff und 1 Kor 11,27. Mit der Verbindung mü awpaxo<; xai roß
af/uaro? roß xupioo in der letztgenannten Stelle kann man das manich.
aßt?/ iaüv fj adpi xai alpa zoü xvpiov poo im Mani-Kodex 97,9f vergleichen
; die entsprechenden Ausdrücke im Kopt. sarx hisnaf, tsarx
mcnpsnaf, sarx nem snof, im Arab. lahmun wadamun, im Pers.Jasm
o vhun; dieses Syntagma gründlich bei Henrichs und Koenen, ZPE 5,
1970, 147.150 und 32, 1978, 116f. 191ff.

Besonders interessant ist Puechs Abhandlung über die Musik und
Poesie. Dieser Aufsatz enthält alle Fachausdrücke der manichäischen
Terminologie und einige Hypothesen über die Art und Weise der

Rezitation, des-kirchlichen Gesanges, der Aussprache von Silben,
Versen usw. sowie einen Versuch, Fragen der Metrik zu klären. Den
Namen einer Gattung muqranig basah (230) versuchte ich in meinem
Buch „ManisZeit und Leben" (Praha 1962), 338f und 356f zu deuten
(„ein Hymnus das Land Makkuran betreffend"). Neuerdings bezwe -
feit es W. Sundermann in seinem Artikel „Die mittelpersischen und
parthischen Turfantexte als Quellen zur Geschichte des vorislamischen
Zentralasien" (in: Prolegomena to the Sources on the History
of Pre-Islamic Central Asia, ed. J. Harmatta, Budapest 1979), 145.
Was die Metrik und die Rhythmik der manichäischen Verse anbelangt
, muß man sagen, daß diese Probleme noch ihrer Lösung harren.

Puechs Buch, das Werk eines hervorragenden Manichäologen, ist
ein Muster genauer und vorsichtiger methodischer Arbeit und
verdient allen Interessenten empfohlen zu werden.

Prag Otakar Klima

„La coneeption . . ." ist der franz. Text dreier in Ascona 1936 gehaltenen
Vorträge (deutsche Übersetzung: Eranos-Jahrbuch 1936). „Le Prince des
Tenebres": vgl. EtCarm 26, 1948, 136 fT. „Saint Paul": Proccedings of the IXth
International Congress for the History of Religions, Tokyo, 1960, 176fT.
..Musique .. .*': Encyclopedie des musiques sacrecs, ed. Jacques Porte, L Paris
1968. S. 3531T. „Liturgie ...": Berichte über den Inhalt von Lehrgängen am
College de France zwischen 1952 und 1972, vgl. Annuaire du College de
France. - Der Kulturgeschichte des südslawischen Kreises gehört der Artikel
„Catharisme ..." an.

Kirchengeschichte: Neuzeit

Greschat, Martin [Hrsg.]: Theologen des Protestantismus im 19. und
20. Jahrhundert, I u. II. Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer
1978. 452 S. 8" = Urban-Taschenbücher, 284. u 285. Kart.
DM 28,-.

Das Sammelwerk stellt 23 bedeutende Theologen des deutschen
Protestantismus von Schleiermacher bis Bultmann vor. Der Schwerpunkt
der jeweils 15-20 Seiten umfassenden Beiträge liegt im Biografischen
. Nahezu alle Beiträge sind von Autoren verfaßt, die entweder
ausgewiesene Experten sind (z. B. Ratschow über Tillich, Kreck über
Barth, R. Smend über de Wette und Wellhausen, H. Ott über Bon-
hoeffer) oder doch durch Spezialstudien zu ihrem Gegenstand bekannt
geworden sind (z. B. Birkner über Schleiermacher, Sandberger
über D. F. Strauß, Bodenstein über Holl, Strohm über Gogarten).
Die Qualität der Beiträge ist dadurch gesichert. Auf inhaltliche Vereinheitlichung
der Beiträge in einer theologiegeschichtlichen Rahmenkonzeption
hat der Herausgeber verzichtet. Beispielsweise steht
der warmherzigen Würdigung Overbecks durch Martin Rese (S. 5 ärgerlicherweise
: Nese) das harte Wort Schneemelchers von der „giftigen
Kritik Overbecks" gegenüber, die K. Barth zu unerledigten Anfragen
„hochstilisiert" habe (199). In der Gelassenheit des Herausgebers
derart unterschiedlichen Wertungen gegenüber sieht der Rez.
eine Tugend - möchte allerdings sofort das Wort Not hinzusetzen.
Nicht als selbstverständlich empfand er die Selbstverständlichkeit,
mit der Hegel unter die Theologen des Protestantismus aufgenommen
wurde (Autor: C. Frey).

Angenehm berührt auch der lockere, durchgängig präzise Darbietungsstil
. Nur ganz gelegentlich gleitet die Lockerheit ins Saloppe ab
(vgl. etwa die These, wie man mit wenigen gescheiten Schriften über
Hegel die akademische Stufenleiter erklimmt. - S. 23). Die Klarheit
der Miniaturen unterscheidet sich in ihrer guten Lesbarkeit erfrischend
von mancherlei gewundenen Darlegungen in den theologiegeschichtlichen
Standardwerken, zu denen sie freilich trotzdem hinführen
sollten. Durch die Einbeziehung jüngster Entwicklungen lassen
sich Kontinuitäten wie Diskontinuitäten im theologiegeschichtlichen
Prozeß besser überschauen, sowohl grundsätzlich wie in den
Einzeldisziplinen. Ein Vertreter der Praktischen Theologie (will man