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Ausgabe:

1981

Spalte:

660-662

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

The Nag Hammadi Library in English 1981

Rezensent:

Funk, Wolf-Peter

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659

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 9

660

Entsprechende, das Ähnliche; eine Metapher will, vom Wirklichen
ausgehend, auf das Wahre hinweisen. Sprachlich-sachliche Beziehungen
zu Ernst Fuchs werden unmittelbar spürbar: „Metaphorische
Sprache verhilft dem Wirklichen zur Wahrheit" (82). Für die theologische
Metapher reicht das nicht aus, weil nicht Welt durch Welt,
sondern Gott durch Welt prädiziert wird. Die die Entsprechung zwischen
Gott und Welt herstellende theologische Metapher ist die
„Grundmetapher ,Jesus ist Christus'" (83). Das gilt nicht nur im
Blick auf die Wahrheitsfrage für die theologische M, sondern auch für
die G Jesu, wobei auch hier erst Vertrautheit des Hörers (mit S = Gottesherrschaft
und P = Welt) hergestellt werden muß. Zu P gehören Erfahrungen
des Hörers von der Welt, zu S die Nähe der Gottesherrschaft
(d. i. deren Wesen, vgl. 94) zur Welt des Hörers; die Welt aber
zerbricht vor dessen Augen und wird ins Neue gewendet; Ergänzung
dieser Vertrautheit mit S ist dann das Verhalten Jesu (84). Daraus ergibt
sich der „methodische Grundsatz, daß die Gleichnisse Jesu im
Kontext des Lebens Jesu auszulegen sind" (85), sowie das „sachgemäße
Wahrheitskriterium" der „Entsprechung des Gleichnisses
zur Grundmetapher Jesus ist Christus'" (86). Bereits hier wird ein
folgenschwerer Schluß aus den Überlegungen gezogen, wenn gefragt
wird, „ob nicht die christologische Interpretation" der G die einzige
angemessene Auslegung ist (87). Mit dem hier allerdings mißverständlichen
Begriff der „christologischen Interpretation" meint der
Vf., daß die G „dem Ereignis der Nähe Gottes in der Auferweckung
des Gekreuzigten vorgreifen" und als solche „von der durch .Ostern'
notwendig gewordenen Interpretation nicht zu scheiden" sind (95).

Im 2. Teil folgt die „Traditions- und redaktionsgeschichtliche Untersuchung
der Gleichnisse Jesu" (99-273). Da „die für unsere Verkündigung
gültige Form der Gleichnisse erst durch einen Nachvollzug
der Geschichte gefunden werden kann, die ein Gleichnis von der
Jesusstufe bis zu seiner endgültigen Niederschrift in den Evangelien
durchlaufen hat" (99), folgen nun die Auslegungen nach der Reihenfolge
der synopt. Tradition (Mk parr; Q; Mt-SG; Lk-SG). Beispielgeschichten
werden ausgeklammert. In der Regel wird der Text erst
einer Analyse unterzogen und dann werden die Jesusstufe und z. T.
mehrere Gemeindestufen (bis zum-ThEv) interpretiert. Hier wird sowohl
sehr viel Material verarbeitet als auch vom Vf. interpretatorisch
aufgenommen, was ebenso das 300 Titel enthaltende Literaturverzeichnis
(302-312) wie auch die Detailtreue und Sorgfalt der Einzelauslegung
nachweist. Manche grundsätzlichen Aussagen sind in den
Interpretationen besser geglückt4 als in den Teilen 1 und 3; aber auch
der umgekehrte Tatbestand kommt vor.5 Gern wird man die Kritik
des Vf. an der oft sehr einlinigen Situationsbestimmung aufnehmen,
wie sie besonders J. Jeremias und E. Linnemann („gegen die Pharisäer
" u. ä.) meinten feststellen zu müssen. Der gesamte Teil 2 hat
einen eminent praktischen Wert, insofern hier unter exegetischen und
systematischen Gesichtspunkten meditative und Anwendungsbereitschaft
signalisierende Bezüge sichtbar werden, wie sie in heutiger neu-
testamentlich-exegetischer Literatur selten sind.

Der Teil 3 „Zusammenfassung und Folgerungen" (275-301) ist fast
zu knapp geraten. Jedoch auf dem Hintergrund der breit angelegten
Interpretationen im Teil 2 wird dem Leser zugetraut, die z. T. recht
abbreviativ wirkenden Spitzensätze mit Leben und Inhalt zu füllen.
Es sind ausgesprochen tragfähige Ergebnisse, die sich aus der traditionsgeschichtlichen
Betrachtungsweise der G ergeben. Nur die wichtigsten
seien genannt: „Daß Jesus sein Wirken theologisch expliziert,
ist ein Vorgriff im Rahmen des Möglichen" (275), während der Beitrag
des Kerygmatischen darin besteht, daß dieser „Vorgriff im Rahmen
der Wai'heit bekannt wird" (301). Nachösterlich werden die
„Metaphern für lott nun zu Metaphern für Christus" (276). Die G
werden „zum Sp achraum für das geschichtliche Selbstverständnis
der christlichen Gemeinde" (278). „Jesus macht Gott so verständlich,
daß die ethische Praxis des Menschen selbstverständlich daraus folgt"
(280). „Die Gleichnisse Jesu vollziehen am Hörer im Sinne einer
Prolepse, was Gott an Jesus bereits vollzogen hat, und was er dereinst
an aller Welt vollziehen wird: die Auferweckung vom Tode zum Leben
" (283). Die Arbeit schließt mit thesenhaften Sätzen, aus denen
folgendes hervorgehoben sei: 1. „So wie das Verhalten Jesu konkretisierender
Kommentar seiner Gleichnisverkündigung ist, ist das historische
Sein Jesu Konkretheit schaffender Kommentar des kerygmatischen
Christus"; Ostern wiederum verhilft der „Vieldeutigkeit des
historischen Seins Jesu zur Eindeutigkeit". 2. Indem das hist. Sein
Jesu „die Offenbarung des Christus an Ostern erschließt, ist es die
notwendige Voraussetzung (in einem materialen Sinne!) der Christo-
logie". 3. Vf. redet vom Historischen als der „ Verständnisbedingung
des Kerygmas" (300), während „Ostern als Ereignis des Heils verkündbar
" wird (301).

Diese Arbeit6 trifft sich in ihren Ergebnissen weitestgehend mit den
Überlegungen des Rez.,1 der sich über so viel Gemeinsamkeit aufrichtig
freut. Freilich bleiben gerade dann Fragen und Probleme nicht
aus. Einiges wurde schon kritisch vermerkt. Am Schluß dürfen aber
noch zwei Probleme komplexerer Art aufgeworfen werden: 1. Daß es
heute um eine Überwindung der unseligen Alternative von historischem
Jesus und kerygmatischem Christus gehen muß, wird kaum
jemand bestreiten. Kann diese Überwindung aber erreicht werden
durch das kühne Postulat einer „christologischen Interpretation" der
G? M. E. ist es die neue Vermittlung (Versöhnung!) von Gott und
Mensch, die Jesus durch G sagbar macht und die durch seine Auferweckung
vollendet wird. 2. Mir scheint die Auswechselbarkeit von
Gottesherrschaft (93 u. ö.) und Gott (69 u. ö.) im Blick auf die Auslegung
der G zu bedenklichen Konsequenzen zu führen. - Dieses Buch
wird von vielen dankbar aufgenommen werden!

Leipzig Martin Petzoldt

1 Ausgehend von Jülicher werden die Ansätze von Bultmann, Dodd, Jeremias
, Linnemann, Fuchs, Jüngel, Funk und Via dargestellt.

2 Die Begründung dafür sieht Vf. darin, „daß die im G spielende
Spannung zwischen der Gottesherrschaft und der Welterfahrung nicht
leicht zu absorbieren ist", 62 Anm. 19.

' Überlegungen zu eigentl. und uneigentl. Rede, Allegorieproblem, Sprache
und Wirklichkeit.

4 Z. B. daß eine nicht-christol. Metapher „Grundmetapher" sein kann, 213;
Aussagen zum Verhältnis von Jesus und Gott, 216,228f, 237.

5 Wortmetapher, z. B. 244; besser zu Lk 15, 11 fT, 260.

6 Errata: C. H. Dodd (22), G. Eichholz (54), das vierte Gebot (259).
' Vgl. ThLZ 102, 1977 Sp. 397-400.

The Nag Hammadi Library in English, transl. by Members of the
Coptic Gnostic Library Project of the Institute for Antiquity and
Christianity. Leiden: Brill 1977. XVI, 493 S. gr. 8". Lw. hfl 38.-.

Dieses Buch ist ein Meilenstein! Es erschien etwa gleichzeitig mit
demjenigen Band der Faksimileausgabe der Nag-Hammadi-Texte,
der die Codices komplettierte (Codex I), und hat mit einem Schlag
den Inhalt des Gesamtfundes einem breiteren Interessentenkreis zugänglich
gemacht. Immerhin gab es unter den 46 verschiedenen Texten
, die man jetzt zählt, bis zum Erscheinen dieses Buches noch ca. 12
Texte, von denen keine Übersetzung öffentlich vorlag. Auch nach der
äußerst regen Editions- und Übersetzungstätigkeit der letzten zehn
Jahre bedeutet es einen unschätzbaren Gewinn, wenn jetzt sämtliche
Texte nicht nur nach dem Original photographiert, sondern auch in
eine moderne Sprache übersetzt vorliegen: Man kann sie nun ohne
Schwierigkeiten überblicken und jede beliebige Textstelle nachschlagen
.

Ein derartiges Buch konnte zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl nur
von einer einzigen Institution erwartet werden: dem unter Leitung
von James M. Robinson stehenden Coptic Gnostic Library Project
des Institute for Antiquity and Christianity in Claremont (California).
Unter dem Dach dieses Projekts arbeitet seit über einem Jahrzehnt
eine größere Gruppe von vorwiegend amerikanischen Wissenschaftlern
(mit wechselnder Beteiligung) an der papyrologischen Sicherung
und philologischen Erschließung des Gesamtfundes, mit dem Ziel
einer in mehreren Bänden erscheinenden Gesamtausgabe ("The Cop-