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Ausgabe:

1981

Spalte:

41-42

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lips, Hermann von

Titel/Untertitel:

Glaube, Gemeinde, Amt 1981

Rezensent:

Lohse, Eduard

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 1

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Pose des Absolutheitsanspruchs auf. M. E. ist eine solche Haltung für Umsichtige Argumentation und solide Interpretation der Texte,
einen Kommentar, dem man gerade unter Studenten und Pfarrern wie sie der Vf. vornimmt, weisen ihn als gewissenhaften Exegeten und
weite Verbreitung wünschen möchte, eine wesentliche Voraus- urteilsfähigen Theologen aus. Da er seine Aufgabe streng darauf be-
setzung. schränkt hat, das in den Pastoralbriefen entfaltete Verständnis der
Insgesamt: In meinen Augen ist dieser neue Kommentar eine Mei- Ordination darzulegen, konnte er die Erörterung der religions-
»erleistung, für die man dem Autor nur höchste Bewunderung aus- geschichtlichen Voraussetzungen knapp halten. Ein wenig zu rasch
sprechen kann. Niemand wird meinen, daß daneben breiter angelegte hat er sich dabei freilich mit der Auskunft zufrieden gegeben, daß
Kommentare, die stärker ins wissenschaftliche Detail und in die Ein- „die Anfänge der urchristlichen Ordination im Dunkel liegen" (240).
zelargumentation und dann auch interpretatorisch noch mehr in die Eingehender zu erörtern wäre die Frage, warum die Pastoralbriefc
Tiefe gehen können, überflüssig würden. Im Grunde muß man ja einerseits das paulinische Evangelium bewahren wollen, andererseits
c>nen solchen ..breiteren" Kommentar komplett ausgearbeitet aber nicht nur für ihre Kirchenordnung, sondern auch in lehrhaften
haben, um sich dann so vorbildlich kurz fassen zu können. Jedenfalls Zusammenhängen judenchristliche Überlieferungen aufnehmen und
kann man G. Schneider nur mit Dank bescheinigen, daß es ihm gc- sie mit paulinisch-heidenchristlicher Tradition verbinden. Der Vf.
'ungen ist. einen im bestell Sinne lesbaren Kommentar zu schreiben, weist mit Recht auf das Zurücktreten der urchristlichen Naherwar-
Den Herausgebern und Verlegern kann man zu diesem Start nurgra- tung und die Nötigung hin, in der Auseinandersetzung mit Häre-
tulieren und die Hoffnung ausdrücken, daß auch weitere Bände der tikern eine festere Ordnung der Kirche auszubilden und die paulineuen
Serie diesen Standard mögen halten können. nische Lehre als das zu wahrende Erbe zu bestimmen (266). In diesem

Zusammenhang hebt er vor allem die Unterschiede hervor, die sich

Naumburg (Saale) Nikolaus Walter gegenüber der paulinischen Theologie zeigen. Im Gegenzug aber

stellt sich die Frage, wie paulinisch die Pastoralbriefe denn nun sind
und welche Gemeinsamkeiten den Apostel trotz allem mit seinen
Schülern verbinden. Inwieweit ist die Predigt von der Rechtfertigung

'■ips, Hermann von: Glaube-Gemeinde - Amt. Zum Verständnis der durch die von den Pastoralbriefen entfaltete Sicht von Tradition und

Ordination in den Pastoralbriefen. Göttingen: Vandenhoeck Kirchenordnung in ihrem Inhalt verändert oder aber gegen gnostische

& Ruprecht 1979. 327 S. gr. 8' = Forschungen zur Religion und Mißdeutung oder judaistische Gesetzlichkeit tatsächlich geschützt

Literatur des Alten und Neuen Testaments, 122. Lw. DM 66,-. worden? Sicherlich wird auch diese Problematik differenziert gesehen

werden müssen.

Diese von E. Dinkler betreute Heidelberger Dissertation wendet In einer Zeit, in der die Aufgabe der Konsolidierung der. Kirche

Slch dem vielfach verhandelten Problem, welche Bedeutung nicht wenig zu schaffen macht, kann die Beschäftigung mit den Pasto-

Handauflegung und Ordination im NT zukommen, unter der Frage- ralbriefen neue Einsichten vermitteln und vielleicht auch zu einer

Stellung zu, wie Amt und Amtseinsetzung im Kontext der Pastoral- Beurteilung ihrer Theologie führen, die ihnen mehr Gerechtigkeit

briefe verstanden werden. Dabei geht der Vf. an die Exegese der ein- widerfahren läßt, als es in der Phase nahezu ausschließlich kritischer

schlägigen Texte umsichtig heran und legt auf Grund präziser Einzel- Wertung zumeist üblich war. Viele Einsichten, die sich zur Lösung

analysen zu einem guten Teil den Entwurf einer Theologie der Pasto- auch dieser Aufgabe nützlich erweisen können, sind in der kundigen

ralbriefe vor. Denn er verfolgt den methodisch richtigen Ansatz, daß Dissertation des Vf. zu finden.

Hannover Eduard Lohse

Kirchengeschichte:

nur aus diesem größeren Zusammenhang heraus genau bestimmt
werden kann, wie die Pastoralbriefc die Ordination bewerten.

Die vorgetragenen Ergebnisse verdienen durchweg Zustimmung:
Glaube wird in den Pastoralbriefen weithin als Glaubensinhalt, nicht
als Glaubenshaltung des einzelnen begriffen. Daher kommt es daraut
an, daß gesunder Glaube lehrhaft dargeboten wird und in christlicher Ref OTmatlOPISZeit
Lebensweise Gestalt gewinnt. Die Kirche wird als feste, institutionelle
Größe betrachtet, die Haus Gottes und Fundament der Wahr- Locher, Gottfried W.: Die Zwinglische Reformation im Rahmen der
heit gegenüber jeder Bedrohung durch Verfälschung ist. Der Amtsträ- europäischen Kirchengeschichte. Göttingen: Vandenhoeck &
8er wird infolgedessen hinsichtlich seiner Funktion und Autoritäts- Ruprecht 1979. VI, 712 S. m. 21 Abb. i. Text, 4 Taf., 1 Faltkte gr.
Stellung nach dem Modell des Hausvaters beschrieben. „Absolute 8°. Lw. DM 120,-.
Treue und Zuverlässigkeit sind wesentliches Kennzeichen eines guten

Hausvaters" (148). Die Pastoralbriefe geben somit „das Bild der Dieses groß angelegte und ausgezeichnet informierende Buch ist

Klrche in der Phase der Konsolidierung wieder" (150). Im Unter- Teil eines sehr begrüßenswerten Unternehmens des Verlags, das die

sehied zum genuin paulinischen Verständnis ist der Begriff des Cha- Reformation in Biographien vorstellt. Entsprechende Werke über

r'smas nicht mehr auf alle Glaubenden, sondern nur auf den Amtsträ- Hutten (H. Holborn), den jungen Melanchthon (W. Maurer), Eras-

Rer bezogen und meint die „pneumatische Befähigung und Vollmacht mus (R. h. Bainton), Müntzer (W. Elliger), Luther (R. H. Bainton

Zl>r Ausübung einer amtlichen Funktion" (223). Der Ritus der Hand- und H. Bornkamm) und Melchior Hoffmann (K. Deppermann) sind

auflegung, dessen jüdische Herkunft als wahrscheinlich angesehen bereits erschienen.

Wlrd (223-231), empfangt seine konkrete Bedeutung in Verbindung Nim fügt Locher ein Zwinglibuch an, das allerdings den Charakter

m't dem Glaubens- und Kirchenbegriff der Pastoralbriefe insgesamt: einer Biographie um eine breit ausladende zeitgenössische Kontext-

• Als eine Handlung, die eine pneumatische Gabe vermittelt, bedeu- analyse und um die Wirkungsgeschichte des Zürcher Reformators bis

et die Ordination „eine Heraushebung des Amtsträgers aus der Ge- jn die ökumenische Bewegung der Gegenwart hinein ergänzt. Der

meinde durch die ihm so übertragene besondere Verantwortung und Untertitel „... im Rahmen der europäischen Kirchengeschichte" ist

esondere Vollmachtsgabe". 2. Im Zusammenhang mit der Bedeu- a|so denkbar weit gefaßt und war wohl bei dem Systematiker und

Ung. die der Kirchenordnung in den Pastoralbriefen zugemessen Theologiegeschichtier an der Berner Theologischen Fakultät nicht

Wlrd, „erhält die Ordination den Charakter eines institutionell- anders zu erwarten. Die letzten hundert Seiten des Buches enthalten

Rechtlichen Aktes, durch den Funktion und Autoritätsstellung des die Darstellung der „Fernwirkungen und Nachwirkungen" des Refor-

mtssträgers in derGemeinde begründet werden" (265). mators vom Spätzwinglianismus bis zur Dialektischen Theologie in

Der Vf. weicht dankenswerterweise der Aufgabe nicht aus, ab- unserem Jahrhundert. Dabei berücksichtigt Locher sowohl die Refor-

sehließend einige „Gesichtspunkte Tür die heutige Diskussion um die mationsgeschichte einzelner europäischer Territorien als auch die

^rdination" zu entwickeln. Das von den Pastoralbriefen entfaltete Zwinglirezeption bedeutender Theologen und ganzer Strömungen in

"'Id ist weder einseitig kritisch zu beurteilen noch einfach als Vorbild der Kirchen- und Frömmigkeitsgeschichte. So kann man in mehr-

Zu übernehmen, sondern als Modell zu werten, an dem sich neben facher Hinsicht sagen, daß Lochers Arbeit ein großer Wurf ist.

anderen Modellen die Gemeinde zu orientieren hat. Dabei hat sich Abgesehen von dieser allgemeinen Einschätzung des vorliegenden

Jede Ordnung der kritischen Frage zu stellen, „ob sie dem Evange- Bandes ist noch ein Wort zu seinem Stellenwert in Lochers reichem

IUm und dem (der ganzen Gemeinde gegebenen) Auftrag seiner Aus- Schaffen angebracht. Wer seine vielen das Ganze und die Details des

"Chtttag, also der .Erbauung' der Gemeinde entspricht" (288). Reformationswerkes Zwingiis angehenden Veröffentlichungen kennt