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Ausgabe:

1981

Spalte:

607-608

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Denecke, Axel

Titel/Untertitel:

Persönlich predigen 1981

Rezensent:

Hertzsch, Klaus-Peter

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Seite 1

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607

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 8

608

schwer. D. Emeis interpretiert „die Gruppe in der Kirche"
(257-267) als einen „Weg zur Überwindung von Identitätskrisen im
Glauben". R. Leuenberger unterbreitet Vorschläge zur Umgestaltung
der Kindertaufe („Taufbeginn und Katechumenat", 268-279).
Vor der Taufe verlangt er einen „Elternkatechumenat", der danach
freiwillig fortzuführen ist. R. Zerfaß würdigt „die Einbindung der
Sakramentkatechese in den Gemeindeaufbau" (280-293) soziologisch
als Kompensation des Verlustes gesellschaftlicher Sozialisa-
tionskanäle, theologisch als Lebensäußerung des „Ursakraments"
Gemeinde. Aus G. Kuglers Buch „Familiengottesdienste" folgen
grundsätzliche und praktische Hinweise zu dieser bewährten Möglichkeit
eines „zweiten Programms" im gottesdienstlichen Leben.
Der Band schließt (unmittelbar, also auch ohne Register) mit einem
Teil der Untersuchung von M. Koschorke: Das gegenwärtige Beratungsangebot
und die Unterschichten (307-320). K. weist nach, daß
das in Westeuropa dominierende Beratungsangebot den Erwartungen
und Kommunikationsmöglichkeiten der „Unterschichten" nicht entspricht
. - Das Buch bietet jedem anregende Informationen, der sich
mitarbeitend und nachdenkend an der Gemeindepraxis beteiligt.

Gutenberg b. Halle/S. Eberhard Winkler

Praktische Theologie: Homiletik

Denecke, Axel: Persönlich predigen. Anleitungen und Modelle für
die Praxis. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1979.
164 S. 8°. Kart. DM 18,80.

Ich jedenfalls habe aus diesem Buch manches gelernt, vor allem:
wie wichtig es ist, „Ich" zu sagen. Axel Denecke geht von der Überzeugung
aus: Wenn unter unsern Kanzeln nur wenige Menschen sitzen
, dann liegt das nicht daran, daß kein Interesse für die christliche
Verkündigung vorhanden wäre, sondern daran, daß unsere Predigtweise
die Person des Predigers und die des Hörers zu wenig berücksichtigt
, um Menschen heute wirklich anzusprechen. Sein Buch gehört
dabei nicht zu jenen, die ein Problem aufzeigen wollen und sich
dann mit der bequemen Halbwahrheit verabschieden, Rezepte können
natürlich nicht gegeben werden; Denecke will vielmehr „Anleitungen
und Modelle für die Praxis" anbieten, und er hält dies durchaus
für möglich. Ja, wenn er den Ansatz'seines Buches empfiehlt,
klingt gelegentlich fast der Ton jener Bestseller vor allem aus dem
amerikanischen Raum an, die Kommunikations- und Lebensprobleme
zu lösen versprechen und dabei nach Meinung des jeweiligen
Autors auf das Ei des Kolumbus gestoßen sind. Von 1. bis 11. werden
in unserm Buch (47 ff) all die Vorteile aufgezählt, die für meine Predigt
in Aussicht stehen, wenn ich nur persönlich predige; meine Predigt
werde dann angstfrei, eindeutig, unbefangen, dialogisch, bescheiden
usw. usw. Andererseits hat mich für dieses Buch eingenommen,
daß es selber wirklich persönlich geschrieben ist: Axel Denecke erzählt
von seinen eigenen Erfahrungen, er gibt zu erwägen, er plädiert.
Er ist im Gespräch mit seinen Lesern, wie er offenbar im Gespräch
mit Theoretikern und Praktikern der Predigt ist und vor allem im Gespräch
mit den Vikaren, die er zur Zeit mit auszubilden hat.

Im Mittelpunkt seines Buches steht ein konkretes Modell. Vier
Grundformen der persönlichen Predigt werden unterschieden. Sie
gehen zurück auf die Einteilung, die Fritz Riemann in seinen
„Grundformen der Angst und Antinomien des Lebens" angeboten
hat und die offenbar den Praktischen Theologen zunehmend als
brauchbar erscheint. Denecke übersetzt dabei aus der Terminologie
der Neuroselehre in die Sprache konkreter Homiletik und gewinnt als
vier Grundtypen den verantwortungsvollen Prediger der Ordnung,
den wandlungsfähigen Prediger der Freiheit, den tiefsinnigen Prediger
der Erkenntnis und den einfühlsamen Prediger der Liebe. Die Charakteristika
jedes Typs, seine Stärken und Schwächen, seine Grenzen
und Möglichkeiten werden nun übersichtlich geordnet. Da er nun
noch die sprachanalytische Differenzierung von Inhalts- und
Kommunikationsebene berücksichtigt und dazu noch Karin Horneys
tiefenpsychologisches Modell der Grundkonflikte im Menschen
bruchlos mit einarbeitet, wird sein Überblicks-Raster fast beunruhigend
säuberlich und kunstvoll. Jeder kann sich und andere, seine eigene
Predigtweise und die anderer in diesem Schema wiederfinden
und ihm einzuordnen suchen. Und da in einem zweiten, ausführlicheren
Durchgang zu jedem Predigerprofil ein konkretes Predigtbeispiel
, eine interessante Analyse und ein Katalog dessen angeboten
wird, was hier zu nutzen, zu vermeiden und dazuzulernen ist, kann
jeder für seine Praxis etwas lernen und für sich selber etwas ausprobieren
: der, der Predigten zu halten hat, der, der Prediger auszubilden
hat, und ein wenig auch der, der Predigten hört.

Eine originelle Pointe gewinnt der Gedankengang gegen Ende
noch, wenn er einmündet in ein „Plaidoyer für Tief-Sinn und Hoch-
Mut in der Predigt". In der Kirche dominiere sowohl in der grundsätzlichen
Wertschätzung wie im konkreten Vollzug das zwanghaft-
depressive Element, während die Ergänzung durch das schizoidhysterische
weitgehend fehle. Wenn aber derart die Ideale von Liebe
und Ordnung dominieren auf Kosten der Ideale von Erkenntnis und
Freiheit, dann legt sich über das kirchliche Leben ein Grau-Schleier
und entscheidende Impulse des Evangeliums gehen verloren.

Axel Denecke weiß natürlich so gut wie jeder von uns, daß es allerhand
Einwände gegen seinen Ansatz gibt. Darum verwendet er den
ganzen ersten Teil seines Buches darauf, diesen Ansatz annehmbar zu
machen. Er ordnet ihn in der Geschichte der Homiletik ein: im
Nebenstrom, der von Schleiermacher über Haendlerbis zu Christoph
Piper fließt. Er begründet ihn theologisch: „Die Sache Gottes ist die
Person des Menschen. Daher: christlich predigen heißt persönlich
predigen." Er nimmt ihn in Schutz gegen das naheliegende Argument
, gerade wo es um das Persönliche geht, sind Raster besonders
fragwürdig: Eine „mittlere Ebene" sei zu finden, sagt er, eine Region
im Menschlichen, die Exemplarisches und Typisches so festhält, daß
das einmalig Individuelle nicht nivelliert, aber Selbstfindung und
Einordnung in die vorfindliche Welt dennoch ermöglicht wird. Mir
hat das grundsätzlich eingeleuchtet; aber als ich die nächsten konkreten
Predigten und lebendigen Prediger vor mir hatte, war alles noch
ganz anders, und die Spalten jener Übersichten wurden zu sehr fließenden
Grenzen. Soviel hat das Buch allerdings erreicht: daß ich
mich gern mit Herrn Denecke darüber beraten hätte, was er aus seiner
Sicht zu diesem oder jenem Prediger meint - mich selber eingeschlossen
-, und vielleicht ist solch ein Ergebnis schon ziemlich viel.

Jena Klaus-Peter Hertzsch

Otte, Klaus: Durch Gemeinde zur Predigt. Zur Verhältnisbestimmung
von Theologie und Predigt bei Alexander Schweizer und
Alois Emanuel Biedermann. Frankfurt/M. - Bern - Las Vegas:
Lang 1979. 109 S. 8° = Erfahrung und Theologie, Schriften zur
praktischen Theologie, 3. Kart. sfr24,-.

Nach Schweizer ist die Gemeinde nicht nur Empfänger, sondern
indirekt auch Quelle oder Vermittler der Wahrheit. Die Predigt stellt
das Glaubensbewußtsein der Gemeinde sprachlich dar. Biedermann
setzt dieser hermeneutischen Funktion der Gemeinde den Vorrang
der biblischen und dogmatischen Tradition entgegen, aus deren kritischer
Interpretation die Gemeinde entstehe. Otte bejaht bei Biedermann
den Sinn für methodologische Klarheit, möchte aber mit
Schweizer die Gemeinde als hermeneutisches Mittel wiederentdek-
ken. „Es gibt eine Theologie aus der Erfahrung der Gemeinde, die
zugleich in der theologischen Normativität der Offenbarung ver-