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Ausgabe:

1981

Spalte:

605-607

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Gemeindepraxis 1981

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 8

606

Richtlinien entwickeln lassen. Die Fülle des Materials kann hier
nicht angegeben werden.

Wo liegen die Grenzen dieses Gesamtplanes? Die Frage ist nicht als
Kritik zu verstehen,, weil die Beschränkung des Plans auf die gegenwärtigen
Möglichkeiten die besseren Realisierungschancen hat. Aber
die Diskussion muß weitergehen, über diese Grenzen hinaus. Ich sehe
das in dreifacher Richtung:

1. Der Gesamtplan fußt auf den gegebenen Verhältnissen in Mitteleuropa
. Die Unterscheidung der 1. und 2. Phase ist nur innerhalb dieser
Tradition denkbar. Es gibt in der Ökumene genügend andere Modelle
theologischer Ausbildung (vgl. z. B. ÖD 3, 1967 H. 4), die ein
engeres Verhältnis von Theorie und Praxis verwirklichen als hier vorgesehen
ist.

2. Bemerkenswert ist, daß zur gleichen Zeit im katholischen Raum
der Bundesrepublik parallele Pläne entwickelt wurden. Die „Rahmenordnung
für die Priesterausbildung" (hrsg. vom Sekretariat der
Deutschen Bischofskonferenz Bonn 1. Mai 1978 in der Reihe „Die
deutschen Bischöfe" als Bd. 15) spricht ebenfalls von drei Bildungsphasen
. Sie redet aber auch von drei Dimensionen der Ausbildung:
Geistliches Leben und menschliche Reifung - Theologische Bildung
- Pastorale Befähigung. Die Einbeziehung der ersten und dritten
Dimension in den evangelischen Gesamtplan wäre eine nötige und
mögliche Fortschreibung des Gesamtplanes.

3. Schließlich haben die evangelischen Landeskirchen in der DDR
bereits mit der Gründung des Bundes den Versuch gemacht, Ausbildungsfragen
auch gesamtkirchlichen Aufgaben zuzuordnen. Die
..Überlegungen zur Neuorientierung des Gemeindedienstes kirchlicher
Mitarbeiter" (Die Christenlehre 28, 1975 S. 268-280), die von
der Synode des Bundes in Eisenach 1975 positiv aufgenommen wurden
, versuchen einen breiteren Weg. Hier wird die Ausbildung aller
kirchlichen Mitarbeiter für den Verkündigungsdienst ins Auge gefaßt,
'rn Gesamtplan geht es nur um den wissenschaftlich ausgebildeten
Pfarrer, - selbst der 2. Bildungsweg ist bereits ausgeblendet.

Das Nachdenken über die optimalsten Ausbildungsformen und
-inhalte hat mit den obigen Plänen endlich ernsthaft angefangen.
Ausbildungsgänge programmieren die kirchliche Arbeit langfristig.
Kurzfristige Veränderungen in der Ausbildung sind meist auch kurzsichtig
. Es bleibt zu hoffen, daß diese Fragen in Zukunft auch stärker
von Nichttheologen mitdiskutiert werden.

Potsdam Peter Schicketanz

Greinacher, Norbert, Mette, Norbert, u. Wilhelm Möhler [Hrsg.]:
Gemeindepraxis. Analysen und Aufgaben. München: Kaiser;
Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag 1979. 320 S. 8* = Gesellschaft
und Theologie. Praxis der Kirche, 30. Kart. DM 36,-.

Die Beiträge dieses Bandes zur Situation, zum theologischen Verständnis
und zur Praxis des Gemeindelebens erschienen zumeist in
Zeitschriften und wurden teilweise erheblich gekürzt. Einer der Herausgeber
führt jeweils in die Kapitel „Analysen" (Greinacher), „Ziel-
Erstellungen" (Mette), „Leitung" (Greinacher) und „Handlungsfelder
" (Möhler) ein. Katholische und evangelische Autoren stimmen
sachlich so weitgehend überein, daß der Leser in Ermangelung eines
Autorenverzeichnisses mitunter unsicher sein kann, welcher Konfession
ein bestimmter Autor zugehört. In territorialer Hinsicht ist die
Auswahl fast ganz auf die BRD beschränkt. Es fällt auf, daß Veröffentlichungen
aus der DDR auch in den Anmerkungen der 23 Beiträge
unberücksichtigt bleiben. Das ist im Blick auf Teil 1 begreiflich,
stimmt aber hinsichtlich der andern Teile nachdenklich.

Teil I ist der Analyse der Gemeindesituation in der BRD gewidmet
. K.-W. Da hm erläutert ein „Verbundenheitsmodell , Volkskirche
'" (15-34) unter Verwendung von Daten aus der Befragung „Wie
stabil ist die Kirche?" (hrsg. v. H. Hild). Er arbeitet 6 Schwerpunkte
für die Begründung der Kirchenzugehörigkeit heraus: A Geistliches

Leben, B Sinnfragen, christliche Grundwerte, C Seelsorgerliche Zuwendung
zum einzelnen, D Rituelle Begleitung, E Fürsorgerische
Diakonie, F Gesellschaftspolitisches Engagement. G. Kehrer/D.
Schäfer untersuchen die Motive für „Kirchenaustritte in Württemberg
" (35-51) 1968-1970. Sie finden keinen Zusammenhang zwischen
politischer Einstellung und Austritten, sondern „die Einschätzung
des Jenseitigen als Nullposten" (44), die auch bei vielen Kirchenmitgliedern
zu verzeichnen ist und eine innere Instabilität signalisiert
. U. Boos-Nünning, Soziale Schicht und Religiosität (52-67)
zeigt, daß die „Unterschicht" zwar unkirchlicher als andere Schichten
ist, da die Kirche sich um sie weniger kümmert, doch bedeutet
Unkirchlichkeit nicht Areligiosität. R. Zerfaß schlägt ein Schema
zur Erstellung einer „amateur-soziologischen" Gemeindeanalyse im
Rahmen eines pastoralen Praktikums vor (68-76). H. Steinkamp,
Gemeindestruktur und Gemeindeprozeß (77-89) beschreibt drei
Gemeindetypen: 1. Gemeinde als kleinste kirchliche Verwaltungseinheit
in hierarchischen Strukturen, 2. Gemeinde als Organisation,
die selber Subjekt des Handelns ist, 3. Gemeinde als Gemeinwesen
mit demokratischen Strukturen, die ideal in Basisgemeinden vorhanden
sind und vom Vf. angestrebt werden.

In der Einleitung zu Kap. 2 würdigt Mette vier Zielvorstellungen:
l.von der Pfarrei zur Gemeinde, 2. von der Volkskirche zur Gemeindekirche
, 3. die (Basis-)Gruppe als Gemeinde, 4. die Ergänzung
des Territorialprinzips durch das Funktionalprinzip. Ch. Bäum ler,
Erwägungen zur Zielbestimmung der Gemeindearbeit (108-125) vergleicht
die Zielkonzepte nach G. Bormann und W. Marhold sowie
Dahms „Verbundenheitsmodell". Er fordert, die Gemeinde an der
Zielbestimmung zu beteiligen und sucht nach „Möglichkeiten, unter
den Bedingungen gegenwärtiger Kirchengemeinde auf dem Wege von
einer Betreuungskirche zu einer Beteiligungskirche voranzukommen
". N. Greinacher entwirft „Zielvorstellungen einer Gemeinde
von morgen" (126-141) mit den Kennzeichen Identität in der Erinnerung
an Jesus, Funktionalität, Menschlichkeit, Gleichheit, Freiheit,
Offenheit, Ort der Hoffnung, Lernbereitschaft. H. Schilling, Pastorale
Praxis im gesamtgesellschaftlichen Kontext (142-157) kritisiert
das einseitige Gemeindeprinzip, sofern damit eine Abwertung und
Vernachlässigung der distanziert Kirchlichen verbunden ist. Er warnt
vor der Ineinssetzung von Unkirchlichkeit und Unchristlichkeit und
fordert, die unkirchlichen Christen in der Gemeindearbeit ernstzunehmen
. R. Schloz, Gemeinde als konziliare Gemeinschaft
(158-169) will den Gottesdienst in einen differenzierten Gemeindeaufbau
einbetten, der Kontakte ermöglicht und die Berührungsangst
gegenüber der Kirche überwinden hilft.

Den 3. Teil (Leitung) eröffnet Greinacher mit einer scharfen Ablehnung
patriarchalischer zugunsten einer an Jesus orientierten Autorität
, die Raum für kritische Öffentlichkeit in der Kirche läßt. K.-F.
Daiber, Leitung in der Ortsgemeinde (180-197) erörtert Funktionen
, Strukturen und Vollzug der Leitung sowie Möglichkeiten, die
Leitenden zu beraten. B. Honsel berichtet von den negativen Folgen
einer Stellenreduzierung und fordert, daß die vorhandenen aktiven
Laien zu Aufgaben wie Krankenseelsorge (bis hin zu Salbung und Bestattung
), Eucharistie in kleinen Gruppen u. a. legitimiert werden. E.
Lange sieht die „Schwierigkeit, Pfarrer zu sein" (212-223) vor allem
in drei Konflikten: 1. zwischen Selbstverständnis des Pfarrers und Erwartungen
der Gemeindeglieder, 2. zwischen differenten Erwartungen
der volkskirchlichen, vereinskirchlichen und reformkirchlichen
Gemeindeteile, 3. zwischen Traditions- und Zukunftsorientierung.
H. Grosse unterbreitet praxisnahe Anregungen zur Frage: „Was
kann getan werden, damit Kirchenvorsteher ihre Aufgaben sachgemäß
wahrnehmen können?" (224-235). Greinacher diskutiert
„das Problem der nichtordinierten Bezugspersonen in katholischen
Gemeinden" (236-248) und hält nichtordinierte Bezugspersonen für
theologischen Nonsens. Da die Leitung vieler Gemeinden durch
Ordinierte nicht mehr möglich sei, müsse der Pflichtzölibat als
Haupthindernis für die Gewinnung Ordinierter fallen.

Bei Teil 4 (Handlungsfelder) fiel die Auswahl sicher besonders