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Ausgabe:

1981

Spalte:

601-602

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Bussini, François

Titel/Untertitel:

L' homme pécheur devant Dieu 1981

Rezensent:

Bertinetti, Ilse

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Seite 1

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601

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 8

602

McVeigh, Malcolm: Afrika: Der Religionsbegriff in den christlichen
Theologien Afrikas(S. 433-437)
Mancini, Italo: Religionsphilosophie (S. 438^141)
Turner, Victor: Das Religionsverständnis in der heutigen Anthropologie
(S. 442^147)
Terrin, Aldo Natale: Die Definition der Religion in der Religionsgeschichte
(S. 447-451)
Sullivan, Lawrence E.: Die Religionswissenschaft: Wie sie Gestalt
annahm (S. 452^160).
Wiedenhofer, Siegfried: Ökumenische Theologie (1930-1965). Versuch
einer wissenschaftsgeschichtlichen Rekonstruktion (Cath 34,
1980 S. 219-248).
Williams, Glen Garfield: In der Kraft des Heiligen Geistes, frei für die
Welt(ZdZ 1980 S. 134-143).

Systematische Theologie: Dogmatik

Bussini, Francois: L'homme pecheur devant Dieu. Theologie et
anthropologie. Paris: Les Editionsdu Cerf 1978. 197 S. 8" = Cogita-
tioFidei. ffr 56.-.

Mit der vorliegenden Monographie nimmt der Vf. ein in letzter
Zeit von katholischen Theologen mehrfach erörtertes Thema auf.
Der Straßburger Theologe will die Einzigartigkeit des christlichen
Menschenbildes, wie es durch das im Glauben an die Versöhnung
gesprochene Bekenntnis der Sünde bestimmt ist, aufweisen. Wie im
Vorwort (Avant-propos; 7-13) hervorgehoben wird, ist die Sünde
nach biblischem Verständnis zweidimensional. Sie ist persönliche
Sünde und zugleich Teilhabe an der mit Adams Fall begonnenen
Sünde der Menschheit. Dieser Gedanke wird in zwei Hauptabschnitten
expliziert.

Der erste Hauptteil des Buches befaßt sich mit dem Sünder in seiner
Individualität (L'homme pecheur; 17-81), der zweite mit der sündigen
Menschheit (L'humanite pecheresse; 85-182). Unter Befragung
der neueren exegetischen Literatur werden die einschlägigen Texte
sowohl des Alten wie des Neuen Testaments befragt und zur Vertiefung
des Sündenbegriffes die Wortbedeutungen von hätta't, pcessä',
awon und g'aön untersucht. Für Bussini ergibt sich, daß die These
des Thomas von Aquin, Sünde sei aversio a Deo et conversio inordi-
nata ad creaturas, der biblischen Auffassung von Sünde als Bundesbruch
entspreche. «Selon la Bible et la tradition chretienne, le peche
est inseparablement rupture avec Dieu et perturbation de nos rela-
tions avec nous memes et les creatures» (51).

Umgekehrt gelte, daß die gestörten Beziehungen der Menschen untereinander
die gestörte Gottesrelation widerspiegeln. Jeder Mensch
Partizipiere an der Ursächlichkeit der Sünde Adams und damit an
der Sünde der Welt (peche du monde). Nach dem Jahwisten wie nach
Paulus erscheine die Gestalt Adams ambivalent, er sei ebenso einzelner
Mensch wie Repräsentant der ganzen Menschheit. Jeder Mensch
sei im Sinne von Rom 5,12-19 an Jesus Christus gewiesen, ohne den
er im Status der Entfremdung und unter der Knechtschaft der Sünde
verbleibe. Prononciert gesagt bedeute dies: «Pour saint Paul, chaque
homme est solidaire d'Adam et du Christ avant tout engagement per-
sonel de sa part» (174). Ohne die Begrenztheit menschlicher Möglichkeiten
zu ignorieren, insistiert Bussini auf einer dogmatischen Unterscheidung
zwischen schwerer und leichter bzw. läßlicher Sünde. Er
wendet sich gegen einen Fatalismus, der das Sündersein als unumgängliches
Schicksal hinzunehmen geneigt sei. Der sich zu Christus
bekennende Mensch vermöge, im Geist Christi die Fatalität des Sün-
digenmüssens zu durchbrechen.

In seiner Gebundenheit an die biblischen Grundlagen der Tradition
und auch hinsichtlich der immer wieder zum Tragen kommenden
ethischen Komponente ist das Buch vorzüglich für ein interkonfessionelles
Gespräch mit dem Protestantismus geeignet, soweit die

Ausführungen im biblischen und dogmatischen Kontext verbleiben.
Bei den Versuchen einer Aktualisierung werden jedoch Überlegungen
angestellt, die u. E. undiskutabel sind. Vf. glaubt, in einen Dialog mit
der wissenschaftlichen Gesellschaftsanalyse eintreten zu sollen,
indem er der marxistischen Betrachtungsweise eine Aporie unterstellt
, die sich darin zeige, daß sie dem Übel (le mal), das in der
Gestalt der ungerechtfertigten Gewalt und weiterer, das Zusammenleben
der Menschen störender Faktoren auftrete, eine notwendige
Funktion im Prozeß der Entwicklung zuschreibe.

Bussini plädiert letztlich dafür, nicht die gesellschaftlichen Wurzeln
des Übels, sondern seine Symptome zu bekämpfen. Man wird
gewiß mit dem Vf. darin übereinstimmen müssen, daß eine christlich
motivierte Auflehnung gegen Unrecht und nackte Gewalt ein notwendiges
Postulat ist. Weshalb damit aber die strikte Ablehnung der
marxistischen Gesellschaftslehre einschließlich ihrer Anwendung auf
die Praxis verbunden sein muß, bleibt uneinsichtig. Unter Zuhilfenahme
solcher Positionen, wie sie denkmethodisch von Maurice
Blondel, theologisch von der TheologieNder Hoffnung Jürgen Möllmanns
und anthropologisch von Roger Garaudy geliefert werden,
belegt der Vf. seine Anschauungen mit verschiedenen Beispielen.

In einer zusammenfassenden Conclusion (183-191) wird noch einmal
nachdrücklich auf die Bibel verwiesen, die zeige, daß jeder
Mensch in seinem Sündersein (als einzelner und als Glied einer
sündigen Menschheit) auf die durchhaltende Treue und Gnade Gottes
in Christus angewiesen ist. Zwar beweise Gottes Zorn, daß der
Mensch als schuldig anzusprechen sei, da durch ihn der Bund gebrochen
wurde, gleichzeitig aber gelte: «Parce qu'il reste fidele ä son pro-
pos d'alliance, Dieu fait le premier pas de la reconciliation» (183).
Sünde in ihrer Tiefendimension sei nicht schlechthin Amoralität,
sondern Unglaube und Mißbrauch der Freiheit im Zurückweisen der
angebotenen Gnade.

Potsdam-Babelsberg Ilse Bertinetti

Courvoisier, Jaques: De la reforme au protestantisme. Essai d'eccle-
siologie reformee. Paris: Beauchesne 1977. 209 S. 8* = Theologie
Historique, 45. Kart, ffr 24.-.

Es handelt sich um einen interessanten Versuch, die wichtigsten
Aspekte und Etappen der reformierten Ekklesiologie aufzuzeigen.
Der Vf. geht aus von Zwingli und schildert dann die römische Gegenposition
, vertreten durch Eck, Sadolet, Hosius und Bossuet. Die Ablehnung
des reformatorischen Aufbruchs hat zur Entwicklung eines
protestantischen Kirchenbewußtseins geführt. Dies hat sich schon,
in radikalem Maße, bei den Täufern vollzogen, denen das dritte Kapitel
gewidmet ist. Sie haben keinen Sinn mehr für eine Kirche jenseits
ihrer eigenen Gemeinschaft. Wie bei Zwingli ist auch Calvins
Ekklesiologie (Kap. 4) noch auf die traditionelle Kirche bezogen. Er
wollte nichts anderes, als die bestehende Kirche zu reformieren. Das
5. Kap. befaßt sich mit einigen Theologen des 17. Jh.: Pierre du Mou-
lin, Jean Claude, Frangois Turretini, Pierre Jurieu, Benedict Pictet.
Auch für sie ist die Universalität der Kirche eine Wirklichkeit und die
Einigung der Christenheit (z. B. für Jurieu in der Form einer Konföderation
) ein erstrebenswertes Ziel. Mit dem Puritanismus und Pietismus
, wie sie sich, z. T. von Bucer und seinen „christlichen Gemeinschaften
" ausgehend, in England entwickeln, kommen andere ekkle-
siologische Tendenzen zum Zuge: eine stärkere Betonung der Kirchenzucht
, die Neigung zum Separatismus von der offiziellen Kirche,
die Reformation der Ethik und der Sitten neben (bzw. über) der
Reformation der Lehre. Hier ist die Rede von Thomas Cartwright,
Travers, Harrison, Brown, Perkins, Amesius, Lodenstein, Voetius
und Labadie. Ein letztes Kapitel befaßt sich mit der rationalistischen
Orthodoxie, vertreten durch Amyraut, Werenfels, J. A. Turrettini
und Ostervald. Hier sind wir in einer anderen Welt als bei den Reformatoren
: „Ein Klima, das die Existenz verschiedener kirchlicher