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Ausgabe:

1981

Spalte:

37-39

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bovon, François

Titel/Untertitel:

Luc le théologien 1981

Rezensent:

Burchard, Christoph

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 1

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die Eigentümlichkeiten der verschiedenen Gruppen von Wundern bar wurden, und ließ die literarischen, historischen und textkritischen
(Heilungen, Exorzismen. Rettungstaten sonst. Gaben-, Legitima- zurücktreten. Dafür bezog er die Literatur zum Lukasevangelium ein.
tionswunder [außergewöhnliche Ereignisse, die nichts mit der Gabe soweit sie nicht Probleme behandelt, die allein das Evangelium be-
d« Lebens zu tun haben, sind keine Wunder, sondern prodiges, 312 f] treffen. Er notiert im übrigen mit Bedauern, daß er gern auch Lukas"
usw.). In Abschn. B (315-332)10 bespricht L.-D. die Motive des Glau- Schöpfungstheologie, den Platz der Kultur in seinem Denken und die
bens und des Schweigegebotes (das nach ihm keine christologische vorlukanische Tradition über die Apostel bearbeitet hätte, aber aus
Bedeutung hat) in den Wundererzählungen, sodann die Tendenzen Zeitmangel nicht bearbeiten konnte (8). Es bleibt immer noch eine
der Kürzung (die knapperen Texte des Mt sind nicht Straffungen der Unmasse Stoff übrig. B. hat sie in sieben Kapitel gegliedert. Gottes
bei Mk vorliegenden, sondern beide gehen auf eine einfachere Erzähl- Plan: Heilsgeschichte und Eschatologie («tout a commence par lä»,
•ungsstruktur zurück [325 f)). der Erweiterung (bei allen Synopti- 19) - Die Interpretation des Alten Testaments - Die Christologie -
kern), der Angleichung in einzelnen Motiven", schließlich Einflüsse Der Heilige Geist - Das Heil - Der Empfang des Heils - Die Kirche,
des Kontextes auf das Verständnis des Wunders. In C (332-352) fragt Dieses letzte Kapitel ist das längste, weil B. hier auch das Verhältnis
L.-D. nach den Funktionen der Wundererzählung im Urchristentum, Juden - Christen und die Ethik unterbringt. Jedes Kapitel fängt an
den gesellschaftlichen12 (die Berichte haben es nach L.-D. vor allem mit einer chronologisch geordneten Bibliographie; nach 1975 Er-
mit Armen zu tun), den frömmigkeitsgeschichtlichen, den existentiel- schienenes ist genannt, soweit es B. noch erreichte. Es folgt jeweils
•en: die Wunder gründeten für die, die sie berichteten, in der Gewiß- eine Einleitung, die allgemein über die Problematik und die von der
beit des Ostersieges Jesu (351). Forschung eingeschlagenen Richtungen informiert: Unterabschnitte
In dem Schlußabschnitt des ganzen Bandes bemerkt der Hrsg. zu- werden gegebenenfalls noch einmal eigens eingeleitet. Der Hauptteil
nächst, daß in dem Werk verschiedene methodische Wege beschritten besteht dann aus einer sachlich gegliederten Folge von kritischen Re-
werden: hier hebt er auch sein eigenes Vorgehen in c. XIII und XIV feraten («nous avons decide de presenter dans le texte les etudes les
ab (358). Das Wunder wird von ihm - in einer für ihn sichtlich be- plus repräsentatives et les plus originales et de renvoyer les autres liv-
deutsamen Kennzeichnung - bestimmt als franchissement d'une res et articles en notes», 8). Wo es angebracht ist, greift B. dem mit
•imite. genauer als das außergewöhnliche und unmittelbare Über- Recht angenommenen Ausgangsjahr 1950 vor. z. B. bei H. von Baer.
schreiten einer dem Augenschein nach unübersteigbaren Schranke" Der Heilige Geist in den Lukasschriften, 1926. Das Buch schließt mit
Daß Jesus Wunder - im vollen Sinn des Wortes - gewirkt hat, ist Stellen-, Sach-, Verfasserregister und einem ausführlichen Inhaltshistorisch
gewiß (368; vgl. 372); das Wesentliche des Wunders be- Verzeichnis.

s,eht jedoch nicht im brutum factum (356). Das Wunder kann nicht Bovon urteilt auf Grund gediegener eigener Forschung. Wichtig er-

aus der evangelischen Botschaft herausgelöst werden (369); sein Wert scheint mir z. B. sein Aufsatz über L'importance des mediations dans

gründet in seiner Beziehung zur verkündeten und eingeführten Got- ie projet theologique de Luc, NTS 21, 1974/75, 23-39, der unter-

'esherrschaft14. Das Wunder stellt das schöpferische und heilsame sucht, mit welchen Mitteln sich der lukaniscfie Christus, der als Per-

Handeln Gottes sinnbildlich dar (371). Es ist sichtbare Spur Gottes SOn im Himmel, also abwesend ist, dennoch an seine Kirche wendet.

073), unentbehrlich als Ereignis, das auf Deutung angelegt ist (356) ß.s methodische Bemerkungen, etwa über die Traditionsbindung der

und sich so dem Glauben erschließt (357). Apostelgeschichte oder wider die Neigung der redaktionsgeschicht-

Es ist nach allem eine Vielfalt von Gesichtspunkten, unter denen liehen Forschung, Lukas' Theologie eher aus den redaktionellen Par-

*f neutestamentliche Stoff von den Autoren des Bandes bearbeitet tien als dem durch Tradition und Redaktion neu geschaffenen Gan-

*""d, auch über die mit der verschiedenen Themenstellung vorgege- zen zu erheben, zeigen Durchblick und sind immer zumindest erwä-

benen methodischen Unterschiede hinaus. Der Leser wird sich sei- genswert. B.s Kritik ist ungeschminkt, geht aber wie auch die Referate

"erseits bemühen müssen, jeweils bestimmte verfahrensmäßige und selten ins exegetische Detail, sondern bleibt im Bereich dessen, was

sachliche Voraussetzungen zu erkennen und die mannigfachen Er- man die „Thesen" nennt. Manchmal ist B. gern ein bißchen streng.

Sebnisse in die rechte Beziehung zueinander zu bringen. Dazu werden R. Geiger kriegt länglich und mit dem Rat, notfalls ans Bibelinstitut

'hm in dem Band bereits bestimmte Hilfestellungen geboten. nach Rom gereist sein zu sollen, angekreidet, daß sie ein spanisches

Halle (Saale) (ierhard Delling Buch nicht benutzt hat <33 A- 2)- M"ß ™n wirklich Spanisch kön-

—_______ nen, zumal wenn man mit einer nichtromanischen Muttersprache ge-

' Zum Mitarbeiterkreis vgl. ThLZ 95.1970, Sp. 501 f. schlagen ist? Und wegen eines einzigen Buches ad limina aposto-

j Siehe schon Leon-Dufour 24-26. 27-30. lorum?

• S^e"e?ist,SCh_j^SC.he,n Litre?lU>r t ,nsbesond"e 30 f. 110-113. 263 f. Soweit jch sehe feh|t nichts was nach Bovons j Absichten
.. sie beziehen sich 152 A. 3 auf die Arbeiten von Greimas, s. Algirdas Ju- ... , ... f

^ Greimas. Strukturale Semantik. Braunschweig 1971 (frz. 1966). Zu G.s unbedingt dasein mußte. Daß er z. B. die historischen Entwürfe

Methode kritisch hernach Leon-Dufour 290 A. 3. von J. Munck (Münk im Register 464. Druckfehler sonst selten), L.

Zum Stichwort Isotopie (161-167) s. Greimas 60-92. 208 f. Goppelt, G. Schille oder W. Schmithals nicht bespricht, erklärt sich

Q0|)Fur die Strukturanalyse der Semantik besonders akzentuiert durch Aletti ^ ^ Beschränkung aufs Theo|ogische< obwoh, Lukas- Ge.

J Die Kritik erfolgt z.T. recht nachdrücklich und grundsätzlich. schichtsbild, was ja nicht dasselbe ist wie Geschichtsauffassung.

w Hier ist L.-D. methodisch angeregt durch Gerd Theißen. Urchristliche aUch theologische Aspekte hat. Aus demselben Grund fehlt wohl E

^^t^^aMOe^ch 1974^ 1_-D 290. Plümacher. Lukas als hellenistischer Schriftsteller, 1972, der im

m L,azu s. Theißen 57-81. vgl. L.-D. 294 A. 6. at.......... ,. , _. , , ..

Vgl. Theißen Teil II (129-227). AT-Kapitel freilich keine schlechte Figur gemacht hatte; Septua-

II " Bei der schriftlichen Wiedergabc wirkt immer auch die mündliche Über- ginta ist nicht nur der wissenschaftliche Titel von Lukas' Duden.

3l8)rU"8 mi' (328); der Verfasser des Mt hat Mk nicht vor Augen (325, vgL Andere Lücken und Ungleichgewichte spiegeln die Forschung.

''Unter Bezug auf Theißen (332); vgl. zu C z.T. Theißen 38-51,247-261. Nicht aus Versehen fehlt „Sünde" im Sachregister und hat „Verge-

™ 360,371. vgl. 350, 31; s. 301-303. bung" nur wenige Seitenzahlen. Was nach Lukas am unbekehrten

Usw VB'- H. van der Loos. The Miraclesof Jesus. Leiden 1965= 1968.251-254 Menschen eigentlich falsch ist. ist offensichtlich wenig untersucht.

• s- dazu ThLZ 92,1967, Sp. 31-33). obwohl das Thema nicht unwichtiger und unergiebiger ist als andere
, die auffallend häufig traktiert worden sind (z. B. das Gebet von
W. Ott 1965. O.G. Harris 1966, L. Monloubou 1976). Es gibt auch
eine ganze Reihe von ausländischen Arbeiten über den Geist, aber

B°von, Francois: Luc le theologien. Vingt-cinq ans de recherches. seit von Baer wohl nichts Zusammenfassendes auf deutsch (aller-

(1950-1975) Neuchätel-Paris: Delachaux & Niestie 1978. 474 S. dings viel Spezielles z. B. über Pfingsten). Mit dem unbefriedigenden

gr. 8" = Le monde de la Bible. Kart, ffr 60.-. Stand der Forschung mag auch zusammenhängen, daß B. das

Thema der apostolischen Tradition offenbar so lange aufgeschoben
Der Genfer Neutestamentier verbindet in seinem neuen Buch seine hat. daß er es wider Willen nicht mehr behandeln konnte. Das ist
nteressen an Lukas und an der Forschungsgeschichte. Es ist ein kriti- schade. Ein Bericht zur Sache, womöglich als erstes Kapitel, hätte
scher Literaturbericht etwa in der Art der Theologischen Rundschau, grade durch den Nachweis der Schwierigkeiten und Aporien dazu
Ursprünglich hatte es eine Bestandsaufnahme der Actaforschung beigetragen, auf alles Folgende den Schimmer von Fragwürdigkeit
^rden sollen. Im Lauf der Arbeit beschränkte B. sich auf die theolo- zu werfen, der ihm zukommt und den B. auch keineswegs abgehen
Probleme, wie sie im Gefolge der Redaktionsgeschichte sieht- blendet. Aber da der Stoff ohnehin zu einer Auswahl zwang.