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Ausgabe:

1981

Spalte:

563-565

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Küchler, Max

Titel/Untertitel:

Frühjüdische Weisheitstraditionen 1981

Rezensent:

Delling, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 8

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schaftsjahren miterlebte (Kap. 5, lOOff), keineswegs so sicher: unbewiesen
und unwahrscheinlich ist z. B. die Verdächtigung, David habe
selbst auf Seiten der Philister den letzten Kampf gegen Saul, 1 Sam 31,
mitgekämpft (104); das hätte ihn als späteren König über das Nordreich
unmöglich gemacht und wäre bestimmt nicht so einfach zu vertuschen
gewesen! - sind auch gegen die Art der Textbehandlung
erhebliche Vorbehalte anzumelden: Trotz dem Zugeständnis, daß
redaktionelle Arbeit im Bereich der Sam/Kön-Bücher zu beachten sei
(Kap. 5, A. 1, S. 247), wird doch jede Einzelerzählung letztlich als
authentische, der Zeit des berichteten Ereignisses bzw. seiner unmittelbaren
Nachgeschichte nahestehende Quelle gewertet. Ebenso fehlt
eine befriedigende formgeschichtlich-überlieferungsgeschichtliche
Würdigung der Stoffe: legendäres, ganz anderen Form- und Überlieferungsgesetzen
gehorchendes Material (wie die kultätiologische Erzählung
von Salomos Traum in Gibeon, 1 Kön 3,4-15, vgl. 156ff,
oder die Prophetenlegende 1 Kön 20,35^13, vgl. 167ff-obwohl die
möglicherweise sekundäre Entstehung mit W. Dietrich erkannt ist,
folgt doch sogleich die historische Auswertung, 168) wird von volks-
tümlich-„historischen" Erzählungen kaum unterschieden, alles mehr
oder weniger auf einer Ebene behandelt. So ist etwa auch die wichtige
These, die richterliche Funktion des Königs habe nach und nach die
alten sakraltechnischen Entscheidungsmittel für in der normalen Gerichtsbarkeit
nicht entscheidbare Fälle abgelöst (166 u. ö.), mit der
Volkserzählung von „Salomos Urteil", 1 Kön 3,16-28, und anderen
ähnlichen Stoffen kaum begründbar.

Der Vf. entfaltet viel Scharfsinn im einzelnen, kann aber doch die
bisher vorherrschende Auffassung, daß der König in Israel wenigstens
nach den uns zur Verfügung stehenden Quellen keine wesentlichen
Rechtsfunktionen ausgeübt hat - oder daß diese zumindest nicht
mehr sicher nachzuweisen sind - kaum ernsthaft erschüttern. Bedenklich
stimmt z. B. auch, daß er der meist als später Midrasch
beurteilten Nachricht in 2 Chron 19,4-11 über eine angebliche
Justizreform des Königs Josaphat ein ganzes Kapitel widmet (Kap.
10, 185-206) und den chronistischen Angaben weitgehende zutreffende
historische Nachrichten entnehmen zu können glaubt.

Das Literaturverzeichnis verrät, daß sich hier eine regelrechte
Schule herausbildet: Arbeiten wie die von T. Ishida (vgl. ThLZ 105,
1980 Sp. 263ff) werden häufig zitiert. Andere einschlägige Werke
kommen dagegen kaum zum Tragen (wie z. B. Soggin) oder fehlen
ganz: so z. B. R. Mosis' Untersuchungen zur Theologie des chronistischen
Geschichtswerkes (1973). Anderes konnte der Vf. (bis Mai
1978, vgl. das Vorwort, 11) noch nicht berücksichtigen, wie die wichtige
Arbeit von R. Bohlen über „Der Fall Nabot" (1978), die aber als
Beispiel dafür dienen kann, daß man heutzutage vor der historischen
Auswertung eines Stoffes nicht ohne eingehende literarkritische,
überlieferungs- und redaktionsgeschichtliche Arbeit auskommt.

Es wäre schön, wenn man den Erzählungen soviel vertrauenswürdige
Einzelheiten über das Rechtshandeln der Könige des Alten
Testaments entnehmen könnte. Bis die genannten methodischen
Vorfragen befriedigend beantwortet sind, sei ein fortgeltender Zweifel
daran erlaubt.

Bochum Henning Graf Reventlow

Judaica

Küchler, Max: Frühjüdische Weisheitstraditionen. Zum Fortgang
weisheitlichen Denkens im Bereich des frühjüdischen Jahweglaubens
. Freiburg/Schweiz: Universitätsverlag; Göttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht 1979. V. 703 S. gr. 8" = Orbis Biblicus et Orientalis
, 26. geb. sfr95.-.

M. Küchler hat sich in der nunmehr überarbeitet veröffentlichten
Diss. (Freiburg/Schweiz 1979) die Aufgabe gestellt, die Weisheitstexte
vor allem des sog. Frühjudentums (d. i. nach K. die Epoche von

200 v. bis 135 n. Chr. [13], eine Abgrenzung, die einerseits besonders
für Achikar und voressenische Qumranschriften, andererseits für rab-
binische Texte, christliche Überarbeitungen und orientalische
Sammlungen überschritten wird [14]) unter formalen und stofflichen
Gesichtspunkten gattungs- und geistesgeschichtlich im Rahmen der
Literatur und der Ideenwelt ihrer Zeit außerhalb und innerhalb des
Judentums vorzuführen. Das geschieht, z. T. durch das Material
bedingt, in verschiedener Weise.

In I (31-113) geht es zunächst vor allem um die „Texte, in welchen
über die Weisheit nachgedacht wird" (25). Entscheidend ist vorerst
die Ineinssetzung von Tora (als Ordnung, Gesetz) und Weisheit, die
mit Sir 24,23; 15,1 usw. sichtbar wird; damit erlangt auch die Gestalt
des Weisen als Lehrers spezifische Bedeutung (400. In der Apokalyp-
tik erscheint die Weisheit in stets neuer Offenbarung (67); die besondere
Verbindung von Weisheit und Gesetz wird dort erst in syr Bar
und 4 Esr thematisch (80). In Apokalypsen spielen schließlich auch
weisheitliche Paränesen, Lehrtexte und Lehrerzählungen eine Rolle
(81-87). Zur „Weisheit in Qumran" (88-109) werden zusammenfassend
u. a. das sapientiale Vokabular, der Offenbarungsempfang
(durch den Lehrer der Gerechtigkeit als „die klassische Gestalt des
apokalyptischen Weisen" [93], bei K. unterstr.) behandelt. Zu I 1-3
werden unter 67 Nummern (des öfteren jeweils mehrere) „Texte und
Materialien ..." aus der betr. Literaturgruppe - meist in Übersetzung
- vorgeführt und knapp erläutert (46-61.72-87.98-107).

„Traditionen und Materialien nachzugehen", wird als das Unternehmen
in II-V bezeichnet (113). In II 1 werden Fragmente jüdisch
-hellenistischer Historiker vor Philon als Verfechter der These
vorgestellt, die Weisheit der paganen Welt stamme aus Israel, d. h.
speziell von Abraham und Mose (115-127). In II 2 ist K. bemüht,
mancherlei Aussagen über Salomo als den Weisen schlechthin - auf
allen Wissensgebieten - bzw. über Mose als solchen zusammenzuordnen
(128-139). II 3 zeigt „Die Weisen Israels im musischen Kampf
(von Simson bis zur rabbinischen Zeit; die Pagen des Darius, 1 [3] Esr
3; ep Arist).

Gegenstand vom III sind die sog. Worte der Weisen (157-318). K
gliedert die Weisheitslogien - die dahin tendieren, daß sie ohne
je eigenen Kontext umlaufen - in Sprichwort/Spruch, Mahnwort und
Rätsel. Frühjüdische Logiensammlungen stellt er 169-171 vor. In III
2 behandelt er die Kollektionen in Abot und Abot de R. Natan
(176-198), davon mehrere eingehender, nach Form und Inhalt (weitere
in der rabbinischen Literatur 199-206). Jos Ap 2,190-219 (analysiert
bei K. 211-220) und Philo hypoth 7,1-9 schweben nach K
gattungsmäßig zwischen Gesetzesauszug und Kollektion im Stil
der Worte der Weisen (209); beiden Stücken und Ps-Phokyl liegt, so
vermutet K, teilweise ein von K. so bezeichnetes Apologeticum zugrunde
(220f). III 5 behandelt „im Rahmen der griechischen Gnomo-
logien" (zu diesen K. 237-261) die des Ps-Phokyl (261-302). Zum
ersten wird die Fülle der paganen Sammlungen aufgeführt bzw.
gekennzeichnet1; gelegentlich sind auch Übersetzungen gegeben;
schließlich wird die Literaturgattung als solche nach verschiedenen
Seiten charakterisiert (258-261). Über die Sammlung des Ps-Phokyl
selbst wird eingehender nach sprachlichen, literarischen (nur ein Autor
; Verwertung biblisch-jüdischer Tradition; Adressaten usw.) und
inhaltlichen2 Gesichtspunkten gehandelt. III 6 ist den nur syrisch
erhaltenen Sprüchen des Menander gewidmet (303-318), die nach K.
inhaltlich „am äußersten Rand" der frühjüdischen Literatur stehen
(318).

Die zeitlich und geographisch erheblich weiträumigen Achikar-
texte stellen zumal traditions- bzw. literargeschichtlich vor besondere
Probleme. K. fragt seinerseits in der Überschrift zu IV: „Frühjüdische
Weisheit in den Achikar-Traditionen?", wendet aber jedenfalls
beträchtliche Mühe an sie (319-413), wobei auch die Gestalt des
Achikar eine Rolle spielt (vgl. dazu Tob). Noch etwas mehr Raum
wird schließlich in V den test XII Patr gewidmet. K. bemüht sich
zunächst um den Nachweis, daß „Das literarische Testament als spezifisch
frühjüdische Gattung paränetischer Tendenz" (Überschrift V