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Ausgabe:

1981

Spalte:

562-563

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Whitelam, Keith W.

Titel/Untertitel:

The just king 1981

Rezensent:

Reventlow, Henning

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 8

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Man muß dem Vf. zugute halten, daß er selbst sehr bescheiden über
die erzielten Resultate denkt (25) und nicht meint, eine endgültige
Lösung Tür das Aaronproblem geliefert zu haben. Ein dezidiertes Urteil
hat er trotzdem: von den verschiedenen gewöhnlich als vorprie-
sterschriftlich in Anspruch genommenen Aaron-Texten erkennt er
nur ganz wenige als tatsächlich älterer Herkunft an: nur Ex 17,
*8-l 3; 24,14; 32; Num 12; Dt 9,20 können diesen Anspruch erheben
(vgl. die Zusammenfassung, 409 f). Vor allem für Ex 4,14-16 wird ein
höheres Alter bestritten; die an den Anfang der exegetischen Einzeluntersuchungen
gestellte breite Exegese von Ex 4,10-17 (Hauptteil,
Kap. I, 47-140) dient diesem Nachweis. Es schließen sich der Reihe
nach an: Ex 17,8-16 (Kap. 2, 141-203), Ex 32 (Dt 9,7-10,11)
(Kap. 3, 205-303), Num 12 (Kap. 4, 305-364), weitere verstreute
Stücke aus Ex (5,1.4.20; 12,31; 15,20; 18,12; 19,24; 24,1.9; 24,14)
(Kap. 5, 365-406). Grundlage der zeitlichen Einordnung dieser
Stücke ist die „klassische" Pentateuch-Quellentheorie: der Vf. rechnet
außer mit J und E mit dem „Jehowisten", „der nicht nur ein
Kompilator war, der die beiden Erzählwerke des J und des E miteinander
verbunden hat, sondern ein Kompositor (mit einer eigenständigen
Konzeption)" (198, A. 1); auch diese Einstellung teilt er mit der
neo-literarkritischen Schule in der gegenwärtigen katholischen altte-
stamentlichen Wissenschaft (u. a. E. Zenger, P. Weimar).

Extrem literarkritisch ist die Argumentation bei der jeweiligen zeitlichen
Einordnung der behandelten Abschnitte: Beispiele: 4,10 (der
Einwand des Berufenen) weist die größte Übereinstimmung mit Jer
1,6 auf, dem Einwand innerhalb der jeremianischen Berufungserzählung
- folglich ist der „Interpolator" von Ex 4,10 von der jeremianischen
Berufungserzählung literarisch beeinflußt gewesen (da die
Übereinstimmung in den „vorprophetischen" Berufungsberichten
wie Ri 6; I Sam 9 weniger groß ist, scheidet eine traditionsgeschichtliche
Erklärung von vornherein aus) (103); die „Wer"'-Frage in Ex
4,1 la, die aus der Figur der gerichtlichen Untersuchung stammt, wird
bei Deuterojesaja zur Herausstellung der Macht Jahwes im Zusammenhang
der Auseinandersetzung Jahwes mit Israel bzw. fremden
Völkern verwandt, da sie in Ex 4,11 demselben Zweck dient, kann die
entsprechende Wendung dort nur von Deuterojesaja beeinflußt sein
(und nicht umgekehrt) (104: „Ex 4,11 ist vor Jes II kaum denkbar")-
als ob es nicht auch die traditionsgeschichtliche Erklärung gäbe, die
das Schema gegenseitiger literarischer Abhängigkeit von „Schriftstellern
", wie es dem Denken des 19. Jh. entspricht, wie man meint, seit
langem abgelöst haben sollte. Gleich anschließend (105) wird dann
auch noch eine Abhängigkeit von der Jahwe-Rede in Hi 38 behauptet
, weil dort die gleichen „Wer"-Fragen vorkommen. Ex 4,16 mit
seiner Verwendung des Wortes elohim für Mose zusammen mit der
syntaktischen Struktur, in der die Wendung formuliert ist, erinnert an
die „Bundesformel" (in späten Quellen) und ist deshalb von dieser
beeinflußt, außerdem von Ex 7,1 P(105f). Ähnliche Argumentationsweisen
lassen sich haufenweise in dem Buch nachweisen und vermindern
entscheidend die Glaubwürdigkeit der Gesamtargumentation.
Der „Vergleich der Wendungen und Lexeme" (115), den der Vf. als
eine wesentliche Aufgabe der von ihm sog. „Motiv- und Traditionskritik
" ansieht (32), ist in Wirklichkeit nichts anderes als das mit
Recht obsolet gewordene Vorgehen der klassischen Literarkritik alter
Schule („In der Regel soll das Aufsuchen desselben Motivs an andern
Stellen des Alten Testaments jedoch primär oder ausschließlich
Anhaltspunkte für die überlieferungsgeschichtliche bzw. [von mir
hervorgehoben] literaturgeschichtliche Einordnung erbringen . .., da
erst die Übereinstimmungen in der sprachlichen Form Beziehungen
und Abhängigkeiten [dsgl.] sichtbar werden lassen." ebd.; vgl. auch
'20, s. o.).

Der Grundeinwand gegen das Buch ist also ein methodischer.
Wenn man die Ansicht nicht teilt, die Urheber alttestamentlicher
literarischer Quellen seien Schriftsteller gewesen, die mit Vorlagen,
von denen sie abschrieben, aus den verstreuten Bereichen der israelitischen
Literatur (Propheten, Weisheitsbücher, alten und jungen Pen-
tateuchquellen) arbeiteten, werden einem auch die Schlußfolgerungen
aus dieser literaturgeschichtlichen Chronologie nicht einleuchten
. Der Vf. ist daneben aber auch mit dem Aufgreifen weit hergeholter
Erklärungen leicht bei der Hand: so wird das Motiv der Handerhebung
des Mose in Ex 17,1 lf mit O. Keel ikonographisch von einem
ägyptischen Bildtypus her erklärt, zu dem aber (nun eine Ortsätiolo-
gie) ein „thronförmiger Steinbock" auf dem Hügel des Geschehens
der Amalekiterschlacht als Erklärung für das Motiv der Ermüdung
der Hände hinzukommt (182 ff). Die phantasievolle Kombination,
die sich daraus ergibt, möge man selbst nachlesen.

Sachlich kommt der Vf. zu dem Ergebnis, daß die Gestalt des vor-
priesterlichen Aaron keine Priestergestalt war (deren Herkunft bleibt
dunkel), auch nicht der Ahnherr der Betheler Priesterschaft. Vielmehr
ist Aaron in dem ältesten von ihm handelnden Text Ex 17,
8-13 eine nur noch undeutlich erkennbare, aber vermutlich historische
, nichtpriesterliche Gestalt, eher ein Stammes- oder Sippenführer
. Nur aus erzähltechnischen Gründen wurde er später als Nebenfigur
in die Mosegeschichten von Ex 32 und Num 12 eingeführt (weil
außer ihm nur Hur als eine solche Figur aus der ältesten Überlieferung
zur Verfügung gestanden hätte, den man wohl schonen wollte,
414, A. 2). Ob sich dieses Ergebnis gegenüber den bisherigen Theorien
durchsetzen wird, ist angesichts der methodischen Engführungen
in der exegetischen Beweiskette fraglich.

Leider enthält die Arbeit auf fast jeder Seite einen oder mehrere
Tippfehler. Fast alle sind jedoch leicht zu entdecken und behindern
nicht das Verständnis.

Bochum Henning Graf Reventlow

Whitelam, Keith W.: The Just King. Monarchical Judicial Authority
in Ancient Israel. Sheffield/Engl.: Dept. of Biblical Studies, The
University of Sheffield 1979. 320 S. 8" = Journal for the Study of the
Old Testament, Supplement Series, 12. Lw. £ 9.95.

In den letzten Jahren hat sich die Aufmerksamkeit der alttesta-
mentlichen Forschung verstärkt der Institution des Königtums in
Israel zugewandt (in der Reihe der JSOT Supplements sind bereits
mehrere Bände dem weiteren Bereich dieses Themas gewidmet). Dieser
neue Beitrag zum Problem vertritt zugleich eine prononcierte
These: zwischen dem Ideal des „gerechten Königs", wie es nach altorientalischem
Vorbild auch für Israel galt (Kap. 1, 17-37), und der
tatsächlichen Ausübung juristischer Funktionen durch die Könige
von Saul und David an klafft ein eklatanter Widerspruch. In fast allen
Fällen, in denen die Könige selbst Rechtsfunktionen ausübten oder
indirekt Einfluß auf die Rechtssprechung nahmen, haben sie dies als
Mittel zur Durchsetzung politischer Zwecke getan: fast immer wurden
auf diese Weise mißliebige politische Gegner, die den Thron
gefährdeten, aus dem Wege geräumt oder es wurde, umgekehrt, aus
Gründen politischer Opportunität auf an sich fällige rechtliche
Schritte gegen einen Opponenten verzichtet. Erzählungen, in denen
ein König, wie vor allem David und Salomo, als vorbildlich gerechter
Herrscher erscheint, sind demgegenüber Tendenzberichte, die dazu
dienen, den Herrscher von einem wohlbegründeten Verdacht auf
Rechtsbeugung oder geheime Mitwisserschaft an einem Justizmord
reinzuwaschen (sie waren Propagandamaterial, vgl. 93).

Um dies zu beweisen, werden, nach zwei Kapiteln über die Rechtsausübung
in vormonarchischer Zeit (Kap. 2-3, 39-69 - der Vf. folgt
hier der Ansicht, die „großen" und „kleinen" „Richter" seien in
Wirklichkeit lokale Herrscher gewesen) die verschiedensten Einzelerzählungen
, vor allem aus dem Bereich der „Geschichte vom Aufstieg
Davids" und der „Thronfolgegeschichte Davids", die in irgendeiner
Weise die Beteiligung des Herrschers an Rechtsentscheidungen zu
verraten scheinen, der Reihe nach untersucht. Außer gegenüber der
erwähnten durchlaufenden Tendenz, die der Vf. überall feststellen zu
können glaubt - leider wird hier viel zu pauschal geurteilt: was für die
offensichtlichen Justizmorde aus Salomos Anfangszeit zutreffen mag
(Kap. 8, 149ff), ist für die Morde, die David in seinen ersten Herr-