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Ausgabe:

1981

Spalte:

558

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Beyerlin, Walter

Titel/Untertitel:

Werden und Wesen des 107. Psalms 1981

Rezensent:

Kegler, Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 8

558

Der 3. Band des Projekts, „Frauen auf neuen Wegen", setzt mit
einem „Gespräch mit den Lesern" (VII—XII) ein, in welchem u. a. auf
die Verschiedenheit der Problemlage in den USA und im deutschen
Sprachbereich hingewiesen wird. „Zur Situation der Frauen in Familie
, Beruf und Bildung", bezogen auf die Frauen in der BRD in den
Jahren 1970-75, äußert sich Claudia Pinl (1-73). Die Arbeit basiert
auf interessanten soziologischen Erhebungen, simplifiziert aber die
Sachverhalte durch Feststellungen wie die abschließende: „Die
Fähigkeit von Frauen, Kinder auf die Welt zu bringen, ist letztlich in
der autoritären Leistungsgesellschaft in Ost und West weiterhin
Moment ihrer Unterdrückung" (64).

Mechthild Fischer schreibt zum Thema „Arbeit in Ehrenämtern
" (75-102) einen auf die in der BRD bestehenden Möglichkeiten
bezogenen „Problembericht", der nicht verschweigt, daß ebenso
wie in der Arbeitswelt die Frau auch bei der Ausübung ehrenamtlicher
Tätigkeiten schlechtere Ausgangspositionen als der Mann besitzt
.

Zur Frage der „Frauenordination" gibt Erika Reichle einen
Situationsbericht, der sich als „Studie zur Geschichte des Theologinnen
-Berufes in den Evangelischen Kirchen Deutschlands (BRD)"
(103-180) versteht. Die Arbeit vermittelt einen guten Überblick über
den derzeitigen Stand in der westdeutschen EKD und zeigt zudem die
geschichtliche Entwicklung in der Württembergischen Landeskirche
in den Jahren von 1927-1968 auf.

Anneliese Lissners Beitrag „Zur Frauenrolle in der römischkatholischen
Kirche in der Bundesrepublik Deutschland" (181-198)
bereichert die bisher nur spärlich vertretene katholische Literatur zur
Thematik durch den mehr dokumentarischen Nachweis einzelner
Fakten neueren Datums. Im Hinblick auf die Ordination von Frauen
wird auf das Unbefriedigende der gegenwärtigen Situation und die
unabgeschlossene fachtheologische Diskussion des pro und contra,
die durch eine von der römischen Kongregation für die Glaubenslehre
1976 veröffentlichte Erklärung ausgelöst wurde, verwiesen. Die
Vfn. setzt sich vorsichtig für „eine auf die Zukunft gerichtete Bewußtseinsbildung
, vielleicht Bewußtseinsänderung" (196), die im Hinblick
auf die pastoralen Dienste Veränderungen für die Frau erwirken
könnte, ein.

„Schritte auf dem Wege zur Menschwerdung" überschreiben
Maria de Groot u. a. (199-225) ihre mehr meditativen kurzen Betrachtungen
.

Rachel Conrad Wahlberg gibt einen Bericht mit Dokumentation
über „Die feministische Bewegung und die Kirchen in den USA"
(227-270). Danach zeichnet sich vor allem die United Church of
C hrist durch eine „Führungsposition" (259) aus, indem in dieser
Denomination 21 % der Pfarramtsbewerber weiblich sind und außerdem
hohe leitende administrative Stellungen durch Frauen besetzt
werden, während sich bei den früher avantgardistischen Presbyteria-
nern eine rückläufige Tendenz abzeichne.

Interessant und sicher weithin wenig bekannt ist Wahlbergs Mitteilung
, daß im amerikanischen Judentum heute die Frauen „nach Führungspositionen
in den Gemeinden, nach voller Gleichberechtigung
in der Synagoge, nach vollwertiger Partnerschaft im jüdischen
Leben" streben (264) und entsprechende Forderungen stellen.

Elisabeth Moltmann-Wendel beschließt den Band mit einer
Studie „Partnerschaft" (271-316), die sich zur Entwicklung des theologischen
und kirchlichen Partnerschaftsbegriffes seit 1945 äußert.
Die Vfn. stellt verschiedene Texte aus drei Jahrzehnten nebeneinander
, die allerdings deutlich werden lassen, daß die Diskussion seit Elisabeth
Hahns bahnbrechender Arbeit „Partnerschaft" von 1953 von
ihrem theologischen Niveau mehr und mehr abgeglitten ist. Moltmann
-Wendel fordert zum Schluß dann auch „von uns Christen . . .
ein viel tieferes Umdenken in diesem Bereich" (301), als die Textproben
erkennen lassen.

Potsdam-Babelsberg Ilse Bcrtinetti

Bognär, Jözsef: Das Wettrüsten als Hindernis des friedlichen Zusammenlebens
und der gerechten Einkommensverteilung (ZdZ 1980 S.
404^113).

Hanf, Theodor: Die Kirche vor der sozialen Frage in der Dritten Welt

(StZ 106, 1981 S. 27-47).
Lindqvist, Martti: Die Förderung der Abrüstung (ZdZ 1980 S.

413^121).

Rahner, Karl: Kirche und Atheismus (StZ 106, 1981 S. 3-13).

Schilson, Arno: Zwischen Glaube und Vernunft. Zum 200. Todestag
Lessings(StZ 106, 1981 S. 103-116).

Sebott, Reinhold: Die Freimaurer und die Deutsche Bischofskonferenz
(StZ 106, 1981 S. 75-87).

Altes Testament

Beyerlin, Walter: Werden und Wesen des 107. Psalms. Berlin - New
York: de Gruyter 1979. XII, 120 S. gr. 8* = Beiheft zur Zeitschrift
fürdiealttestamentlichc Wissenschaft, 153. Lw. DM 62,-.

Die sorgfältige überlieferungsgeschichtliche und literarkritische
Analyse des 107. Psalms, der zum spätesten alttestamentlichen Bestand
gehört, kommt zu folgenden Hauptergebnissen:

- Die älteste literarische Schicht umfaßt V. 1.4-22, einen durch Kehrverse
gegliederten dreistrophigen Hymnus, der allgemeine Rettungserfahrungen
aus fundamentalen Nöten menschlichen Daseins (tödlicher
Desorientierung, Fixiertheit im Leid, Krankheit zum Tode)
ausspricht. Gesungen von Chorsängern des nachexilischen Jerusalemer
Tempels, in deren Kreisen der Text auch entstand, anläßlich der
Dankopferdarbringung, ermöglicht er den Opfernden eine Identifizierung
mit eigenen Rettungserfahrungen. Die Aufnahme von Traditionselementen
aus Deuterojesaja und späten Hiobteilen macht die
Entstehung in der Mitte des Zeitraums zwischen dem 5. und 3.
Jh. v. Chr. wahrscheinlich.

- V.23-32 ist als vierte Strophe konzipiert, doch verrät das stärker
weisheitliche Interesse und die erweiterte Form ihre spätere Ausformung
. Sie preist Jahwes Macht über das Meer, das als Chaosmacht
den Menschen bedroht. Zugleich findet eine Spiritualisierung der
Opfervorstellung statt. Die Strophe entstand im Kreis levitischer
I empelsänger, die sich weisheitlicher Tradition verbunden fühlten.
Sie wurde im Kreis der „Versammlung der Alten" (Jes Sir 6) rezitiert,
in der Weisheit und Gotteslob gepflegt wurden. Zusammen mit den
ersten drei Strophen wurde dieser Hymnus zugleich im Tempelkult
weiterverwendet.

- V.33-43 ist ein Weisheitshymnus, von einem Weisen und Schriftgelehrten
verfaßt. Die schriftgelehrte Arbeit zeigt sich in der Zitierung
von Hiobworten und in der Nachinterpretation von Aussagen der ersten
Strophe. Dieser Teil hatte seinen Sitz vornehmlich in der Versammlung
der Alten; er zeigt eine paränetisch-didaktische Tendenz.

- V.2-3 ist ein wohl aus Sängerkreisen stammender Zusatz, der der
Hoffnung auf Sammlung der Diaspora und der Restitution der Zion-
gemeinde Ausdruck verleiht.

Die Bedeutung dieser Untersuchung liegt in dem Versuch, eine
alleinige Verankerung der Psalmen in kultischen Abläufen durch eine
präzise Bestimmung der Entstehung und der Funktion weisheitlicher
Psalmenteile zu hinterfragen. Die „Versammlung der Alten" wird zu
einem Ort, an dem neben dem Tempel Jahwelob in poetischer Sprache
entwickelt und tradiert wurde. Diese Beobachtung wird sich anhand
der übrigen Weisheitspsalmen zu bewähren haben. Jedenfalls
wird künftig die Rolle levitischer Tempelsänger und die der weis-
heitspflegenden Alten im spätnachexilischen Jerusalem genauer
beachtet werden müssen. Bleibt zu bedauern, daß der Vf. keine eigene
Übersetzung des Psalms beigefügt hat.

Dossenheim-Schwabcnheim

Jürgen Kegler