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Ausgabe:

1981

Spalte:

555-557

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Frauen auf neuen Wegen 1981

Rezensent:

Bertinetti, Ilse

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 8

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den „kritischen Punkt" mit Gesetz und Evangelium, auf den wohl
treffend J. Gandras verweist und den Sänger mit Recht als die „Erkenntnis
Luthers" und den „entscheidenden" Punkt bei Iwand nennt
(S. 162), unternimmt er einen „Versuch, Leitgedanken im theologisch
Prinzipiellen aufzuweisen" (S. 163-166). Dem folgt die „Einführung
in die theologischen Stücke der Auswahl". Dies wird der
Hintergrund für „5. Ansatz und Entwicklung der Ethik, speziell der
politischen", dem sich 6. die „Einführung in die ethischen Stücke der
Auswahl" anschließt. Bemerkenswert ist Sängers Notiz, daß Iwand
„einer der ersten" sei, „die wieder auf Schleiermacher hingewiesen
haben", und „dieser für ihn" zunehmende „Bedeutung .. . gewonnen
hat" (S. 173). Freilich hat Iwand - auch gegen Barth bzw. gegen den
Einfluß Calvins auf ihn - „Abgrenzungen" vollzogen. „Die Waffe,
die er dabei handhabt, ist Luthers Theologie" (S. 1670- Umso mehr
möchte man Iwands Argumentation mit Luther vorgeführt bekommen
. Das aber soll einem späteren, eigens „der Lutherinterpretation"
vorbehaltenen Band aufgegeben sein (S. 516), wenngleich dem Register
nach auch in diesem Band „Luther" mehr als alle anderen Autoren
vorkommt (S. 526), besonders in den Predigtmeditationen. - Dieses
gründliche und über Jahre hin mit viel Fleiß erstellte Sammelwerk
erfüllt den Zweck, Iwands Leben und Werk in Hauptzügen bewußt zu
halten.

Jena Horst Beintker

' S. 9 z.B.: „Iwand war in hervorragendem Sinne ein Bibeltheologe, der
Bibelworte weder nur zur Verzierung noch als Ersatz für theologische Argumente
heranzog, sondern der in der biblischen Sprachwelt zu Hause war."

2 Gerade auf diese „Querverbindungen . . ., wenn dadurch Ausführungen
Iwands beleuchtet weiden" (S. 10), legt Sauter Wert. Das regt an zur weiterführenden
vergleichenden Untersuchung von Iwand und Hermann.

1 Vgl. jetzt Band II der gesammelten und nachgelassenen Werke „Studien
zur Theologie Luthers und des Luthertums" (erscheint 1981), der außer frühen
unbekannten Stücken auch die Register zu Hermanns wichtigen älteren
Lutherstudien enthält und die folgende Bewertung belegbar macht.

' Diese Feststellung belegt nicht nur der Aufsatz „Schleiermacher als Ethiker
" und Iwands Brief an Hermann dazu. Der deutliche „Rückgang auf das
eigene fortschrittliche Erbe - eben auf Schleiermacher - vermied" bei Iwand
eine „Vermengung von Marxismus und Theologie" (S. 173). Daß bei aller anfänglichen
Nähe zu R. Hermann und bei der bleibenden Orientierung beider an
Luther und Schleiermacher ein gewisser „Dissensus" (Sauter S. 13) in der
Lutherinterpretation und KirchenaufTassung besteht, behandelt Sänger kaum.
Sauters Hinweis (ebd.) auf G. Krause zu R. Hermann, Theologische Fragen
nach der Kirche (Ges. u. nachgel. Werke VI, Göttingen 1977, S. 18-21) hilft
zum zweiten Aspekt gut weiter.

Crüsemann, Frank, u. Hartwig Thyen: Als Mann und Frau geschaffen
. Exegetische Studien zur Rolle der Frau. Gelnhausen/Berlin
: Burckhardthaus-Verlag; Stein/Mfr.: Laetare-Verlag 1978. 208
S. gr. 8° = Kennzeichen, 2. Kart. DM 29,-.

Frauen auf neuen Wegen. Studien und Problemberichte zur Situation
der Frauen in Gesellschaft und Kirche. Gelnhausen/Berlin: Burckhardthaus
-Verlag; Stein/Mfr.: Laetare-Verlag 1978. XII, 316 S. gr.
8" = Kennzeichen, 3. Kart. DM 29,-.

Der von Frank Crüsemann und Hartwig Thyen vorgelegte Band 2
der Studien des Lutherischen Weltbundes zur Situation der Frauen
wird von G. Scharffenorth (unter Mitbeteiligung von G. Diestel und
N. Hasselmann) mit der Fragestellung „Ist das Alte vergangen?" eingeleitet
(7-20). Der Band will einen exegetischen Beitrag zu dem vorgegebenen
Grundthema der theologischen Studien dieser Reihe leisten
. Die Problematik sieht man vor allem darin, „daß Theologie und
Kirche in der Geschlechterbeziehung Maßstäbe des Verhaltens dem
Strafspruch von Genesis 3,16 entnahmen und sich darin nicht an der
durch Christus bewirkten Befreiung von Mann und Frau zur Mündigkeit
und zu einem neuen Leben orientierten" (12).

F. Crüsemann untersucht in seiner Arbeit („„ .. er aber soll dein

Herr sein'", 13-106) die Stellung der Frau in der patriarchalischen
Welt des Alten Testaments. Der Vf. geht davon aus, daß die Voraussetzung
für eine theologische Textinterpretation die möglichst genaue
Kenntnis der sozialen Realität, wie sie sich jeweils in den Texten
widerspiegele, sei. Gen 3,16 wird in diesem Sinne als die Zusammenfassung
von Rechtsaussagen über den derzeitigen Status der Frau und
des Verhältnisses der Geschlechter untereinander aufgefaßt. Die
Dynamik der Entwicklung wird an Texten wie Est 1,16ff aufgewiesen
und daraus der Schluß gezogen, daß es in der Spätzeit des Alten
Testaments eine Art Frauenfrage mit „drohenden Emanzipationsbestrebungen
" (48) gegeben habe.

Crüsemann bleibt sich der Unabgeschlossenheit seiner Forschungen
bewußt: „Die gesellschaftliche Realität des alten Israel und mit
ihr die Rolle der Frau ist nur mühsam und hypothetisch zu rekonstruieren
" (51). Das Verhältnis von „Mann und Frau in der Paradieseserzählung
Gen 2-3" behandelt der Vf. in einem zweiten Teil
(52-68). Crüsemann vertritt die Ansicht, daß die der Frau auferlegte
Strafe nicht als etwas Naturgegebenes anzusehen sei. Er warnt außerdem
vor deren Bewertung als einer im Willen und Gebot Gottes gründenden
zeitlosen „Ordnung" der Unterwerfung der Frau unter den
Mann. „Die theologische Leistung" der Erzählung liege darin, daß sie
„die Ambivalenz und Zwiespältigkeit aller menschlichen Erfahrung"
sichtbar mache (67).

In einem letzten Teil, „Durchbrechung der Grenzen" (69-97),
stellt der Vf. Beispiele zusammen, die als Hinweise auf die eschatolo-
gische Hoffnung auf Überwindung der alten patriarchalischen Strukturen
dienen sollen. Crüsemann geht davon aus, daß spätestens seit
der Exilszeit die prophetische Verkündigung eschatologische Dimensionen
angenommen habe. Dabei spiele vor allem Jeremia (31, 210
eine hervorragende Rolle. Es sei möglich, daß der Prophet von „einer
tiefgreifenden Veränderung der geschlechtsspezifischen Rollen" (94)
von Mann und Frau spreche, eine Exegese, die etwas gewagt zu sein
scheint und bei der sich Vf. u. a. auf Arbeiten von W. L. Holladay beruft
, gleichzeitig auf die Verstehensschwierigkeiten weisend, die dem
Text anhaften.

Es bleibe letztlich unsicher, ob ein „typisch männliches Verhalten
von Frauen" (ebd.) ausgesagt werden solle. Wichtig sei indessen, daß
hier die Möglichkeit soziologischer Veränderungen bei der Rückkehr
des zerstreuten Volkes anvisiert und „neue Beziehungen des Weiblichen
und Männlichen" als Vorwegnahme eines Teils der neuen
Schöpfung, die im Neuen Testament Wirklichkeit werden wird, vorausgesagt
würden (ebd.).

Die zweite Arbeit dieses Bandes, „,nicht mehr männlich und weiblich
'", von H.Thyen (107-201), stellt ei Studie über Gal 3,28 dar.
Der Vf. führt einleitend aus, daß - anders als in Korinth - das Verhältnis
von Männern und Frauen in Galatien offenbar unproblematisch
gewesen sei. Aufschlußreich sei die zwischen den drei antithetischen
BegrilTspaaren (Jude - Grieche, Sklave - Freier, Mann - Frau)
bestehende Analogie, die indirekt für das in Christus gründende neue
Verhältnis von Männern und Frauen Grundsätzliches erfahren ließe.
Thyen gelangt durch eine vergleichende Exegese aller einschlägigen
paulinischen Texte zu dem Ergebnis, daß man in Kirche und Welt
gangbare Wege zur „Realisierung jener Freiheit..., zu der uns Christus
befreit hat (Gal 5,1 ff)" bereiten sollte (191).

In einem besonderen Kapitel („Rezeption bei Karl Barth",
191-197) nimmt der Vf. zu Barths Auffassungen Stellung, die dieser
in seiner Kirchlichen Dogmatik, Bd. III/4, über das Verhältnis von
Mann und Frau entwickelt. Thyen wendet sich entschieden gegen
Barths Über- und Unterordnungsschemata. Er stimmt ihm zwar insoweit
zu, als man nicht an die Stelle des alten androgynen Mythos den
neuen „Mythos" einer transsexuellen Individualität setzen dürfe,
aber „wo Barth nun die historisch in der Welt des Neuen Testaments
bestehenden Ordnungsverhältnisse nicht mehr als den faktisch vorgegebenen
Ort der Bewährung des Glaubens begreifen will, sondern sich
daran macht, sie als unumkehrbare Ordnung christologisch zu begründen
. . .", da beginnt - u. E. mit Recht - der Einspruch Thyens.