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Ausgabe:

1981

Spalte:

527-529

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Winter, Jörg

Titel/Untertitel:

Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten Reich 1981

Rezensent:

Lieberwirth, Rolf

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 7

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Robert, Jean-Dominique: A propos de l'actuel «retour» de techni-
ques psychosomatiques en vue d'une oraison contemplative
chretienne(NRTh 101, 1979 S. 510-540).

Sales, Michel: Possibilites et limites d'une lecture psychanalytique de
la Bible (NRTh 101,1979 S. 699-723).

Schweriner, Josef: Die Verantwortung des Seelsorgers und die Freiheit
seines Partners (ThGl 70, 1980 S. 424-^35).

-: Was sagt die Psychologie zur Glaubenssituation des heutigen Menschen
? (ThGl 69,1979 S. 159-170).

Strus, Jözef: II «metodo» del direttore spirituale nell'insagnemento e
nella pratica di Francesco di Sales (Sal. 42,1'980 S. 289-339).

Thomas, Klaus: Suizid und Suizidverhütung - Konsequenzen für die
Seelsorge (ThRv 75,1979 S. 353-362).

Weiser, Alfons: Neutestamentliche Grundlagen einer kooperativen
Pastoral (TThZ89,1980 S. 265-281).

Winter, Friedrich: Diasporawerdung und Seelsorge (EvD 51, 1981
S. 42-59).

Kirchenrecht

Winter, Jörg: Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten
Reich. Frankfurt/M.-Bern-Las Vegas: Lang 1979. X, 315 S. 8* =
Europäische Hochschulschriften, Reihe II Rechtswissenschaft,
212.

Obwohl das Gesamturteil über das „Dritte Reich" als einer „verbrecherischen
Diktatur mit pervertierten Rechtsordnungen" feststeht
, fehlt es noch an mancher wichtigen Untersuchung, um dieses
Herrschaftssystem auch in den Einzelheiten wissenschaftlich zu erforschen
. W. ist deshalb in seiner Monographie bemüht, „die wissenschaftliche
Argumentation jener Jahre auf dem Gebiet des Staatskirchenrechts
in ihren wissenschaftsgeschichtlichen und allgemeinhistorischen
Zusammenhängen nachzuzeichnen". Es geht ihm also um die
Anschauungen von juristischen Fach wissenschaftlern auf dem Gebiet
des Staatskirchenrechts, um ihre literarischen Stellungnahmen und
Meinungen, die sie während der staatskirchenrechtlichen Entwicklung
vor 1933, im Zusammenhang mit der Kirchenpolitik von
NSDAP und Staat sowie mit der Verfassungswirklichkeit im Dritten
Reich geäußert haben. Diesen Hintergrund schildert der Autor in gebotener
Kürze im ersten Hauptteil seiner Arbeit unter den Schwerpunkten
„Zum kirchenpolitischen Konzept des Nationalsozialismus
" (1. Kap.) und „Zur Staats- und Verfassungslehre im Dritten
Reich" (2. Kap.). Dabei stützt er sich auf ein umfangreiches Schrifttum
aus dem Lager der Gegner des Nationalsozialismus wie aus den
Reihen seiner Anhänger, hier besonders auf Hitlers „Mein Kampf
und das Parteiprogramm der NSDAP, und weist im Ergebnis seiner
Untersuchungen nach, daß das kirchenpolitische Konzept Hitlers
und des Nationalsozialismus durchaus nicht als einheitlich und eindeutig
angesehen werden kann. Dem proklamierten Absolutheitsan-
spruch der nationalsozialistischen Weltanschauung, der in seiner
Kompromißlosigkeit einer Kampfansage an die christlichen Kirchen
gleichkam, standen die taktischen Erwägungen Hitlers und der Parteiführung
gegenüber, durch eine geschickte Kirchenpolitik sowohl
die Kirchenleitungen einer wohlwollenden Neutralität zu versichern
als auch in kirchlich orientierten Bevölkerungsschichten Sympathien
zu wecken. In der Regierungserklärung vom 23. März 1933 garantierte
Hitler daher den beiden christlichen Konfessionen ihre bisherigen
Rechte, wozu für den Bereich der katholischen Kirche noch der
Abschluß des Reichskonkordats vom 20. Juli 1933 als rechtsverbindliche
Grundlage hinzutrat. Diese Versprechungen und Absprachen
hinderten die Nazis nicht daran, alle Möglichkeiten auszuschöpfen,
um den Lebensraum der Kirchen entscheidend einzuengen und sie •
soweit wie möglich aus dem öffentlichen Leben des Volkes zu verdrängen
..

Die Situation auf dem Gebiet des Staatskirchenrechts im Dritten
Reich kann, wie W. weiter ausführt, erst richtig verstanden werden,
wenn man sich nicht allein nur Klarheit über die Stellung der
NSDAP zur Kirche, sondern auch über ihre Vorstellungen zu Staat

und Verfassung verschafft. Deshalb behandelt Vf. im 2. Kap. die Fragen
der „legalen Revolution", der Beseitigung der Weimarer Verfassung
, die Herausbildung eines nationalsozialistischen Verfassungsbegriffes
und die ihn tragenden Grundprinzipien sowie die entsprechende
Staatsauffassung, um danach anhand der Verfassungswirklichkeit
zu beweisen, daß das Dritte Reich keineswegs der „monolithische
Führerstaat" gewesen war, sondern daß in der politischen
Realität „alle klaren Kompetenzen und Zuständigkeiten im staatlichen
Bereich" verlorengingen und ein nicht mehr durchschaubares
Gewirr „von neben-und gegeneinander arbeitenden staatlichen und
parteiamtlichen Dienststellen" vorherrschend blieb. Hitler verstand
es, die konkurrierenden Kräfte innerhalb seiner Führungsclique
geschickt gegeneinander auszuspielen. Er stärkte damit seine eigene
Machtstellung und behielt sich als letzte Instanz die endgültige Entscheidung
in den wichtigen politischen Fragen vor, was, wenn er
keine Stellung beziehen konnte oder wollte, einen Schwebezustand
hervorrief, den die rivalisierenden Gruppen für sich auszunutzen versuchten
. Das betraf auch die Kirchenpolitik, in die Hitler selber ab
März 1937 nicht mehr eingriff.

Aus der Sicht dieser theoretischen Grundpositionen und der tatsächlichen
politischen Gegebenheiten versucht Vf. in dem sehr umfangreichen
zweiten Hauptteil seiner Arbeit, einen möglichst genauen
Überblick zu gewinnen, wie sich das Verhältnis von Staat und Kirche
unter der Herrschaft des Nationalsozialismus im Schrifttum zum
Staatskirchenrecht niederschlug, wobei es ihm besonders darauf ankommt
, einen Beitrag zum wissenschaftlichen Werk der bekanntesten
deutschen Staatskirchenrechtler zu leisten. W. wendet seine Aufmerksamkeit
zunächst den Wissenschaftlern zu, die in den ab
28. September 1938 tätigen Ausschuß für Religionsrecht in der Akademie
für Deutsches Recht berufen worden waren: Hans Barion,
Ernst Forsthoff, Johannes Heckel, Werner Weber. Hierfür standen
ihm die in Koblenz lagernden Archivalien dieses Ausschusses uneingeschränkt
zur Verfügung; sie wurden damit erstmalig wissenschaftlich
ausgewertet. Neben den Wissenschaftlern gehörten dem Ausschuß
noch eine Reihe von Praktikern aus der Ministerialbürokratie
an, aus deren Reihen auch der Vorsitzende kam. Dieser Ausschuß
stellte sich die Aufgabe, „kirchenrechtliche Fragen im nationalsozialistischen
Sinne" zu behandeln. Seine Mitglieder muß man damals
also ganz eindeutig für politisch zuverlässig und bei Auseinandersetzungen
zwischen Staat und Kirche für Anwälte des Staates gehalten
haben. In der Zeit vom Spätsommer 1938 bis Januar 1940 veranstaltete
der Ausschuß sieben Arbeitstagungen, in deren Rahmen elf kirchenrechtliche
Themen behandelt wurden: die konkordatsrechtliche
Lage in Österreich, die evangelischen Kirchenverträge, das Nihil
obstat, die Lage der theologischen Fakultäten und des Kirchenrechts
an den staatlichen Universitäten, das Verbot der Mitgliedschaft von
Geistlichen in der NSDAP, die Kirchen als Körperschaften des
öffentlichen Rechts, die politische Klausel in den Konkordaten', die
Rechtslage in den vom Deutschen Reich neu erworbenen Gebieten
(außer Österreich), die finanzielle Versorgung der Kirchen, das
Doyenat des Nuntius, die Widmung zu kirchlichen Zwecken. Weitere
Ausschußtagungen waren geplant, fanden aber zunächst nicht statt,
bis schließlich Hitler, der die Lösung der Kirchenfrage als letzte große
Aufgabe ansah, die nach dem Kriege noch gelöst werden müsse, 1941
ganz die Einstellung der Ausschußarbeit verfügte. In der abschließenden
Würdigung kommt W. zu dem Ergebnis, daß die Referate und
Diskussionen im Ausschuß durchaus ein beachtliches wissenschaftliches
Niveau aufwiesen, daß alle Mitglieder jedoch „theoretische
Schützenhilfe für die kirchenpolitischen Ziele und Maßnahmen des
Staates" leisteten. „Wenngleich die Mitglieder des Ausschusses nicht
zu den antikirchlichen Scharfmachern des Dritten Reiches gezählt
werden können, so steht doch auch für sie der,Primat des Politischen'
gegenüber den durch Vertrag oder Gesetz gesicherten Rechtspositionen
der Kirchen außer Frage." Bis auf Barion versahen die angeführten
Wissenschaftlernach 1945 wieder ein Hochschulamt.

In den Kapiteln 2 bis 7 untersucht W. das Verhältnis von Staat und