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1981

Kategorie:

Praktische Theologie

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 7

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weise" der Psychoanalyse entnommen ist, der sich Pastoralpsychologen
angeblich verschrieben haben. Die hauptsächlichsten Vorwürfe,
die der gesamten „Pastoralpsychologie" gemacht werden (dieses
Wort kommt bei B. nur mit Anführungszeichen vor!), kulminieren in
folgenden Punkten:

1. Fehlende Effektivitätskontrolle.

2. Ungenügende psychologische Ausbildung.

3. Monopolisierung der Seelsorgeausbildung in ev. Kirchen durch
Pastoralpsychologen".

Etwas besser kommen allerdings die gesprächstherapeutischen
Verfahren nach Rogers bzw. Tausch weg. Sie werden in Schutz genommen
gegen Vorwürfe tiefenpsychologisch orientierter Pastoral-
psychologen, die ihnen gelegentlich ein humanistisches Verständnis
vom autonomen Menschen entgegen dem christlichen Menschenbild
bescheinigen. „Die proklamierte Fähigkeit des Menschen zur Selbstaktualisierung
" widerspricht aber auch nach Auffassung anderer poi-
menischer Ansätze (z. B. Tacke) der Lehre -von der Erlösung des
Menschen durch Jesus Christus. Am besten kommt die Verhaltenspsychotherapie
weg, der ein flexibleres Verhalten und eine breite
Möglichkeit verschiedener Methoden zugute gehalten wird.

Für G. Besier existiert nur eine Möglichkeit, um die „Effektivität
seelsorgerlicher Bemühungen" nachzuweisen. Sie besteht in der nach
psychologischen Methoden ausgewerteten Testarbeit aufgrund vorgelegter
Fragebogen. Mit der Überschrift „Die Theorie im Spiegel der
Empirie" wird die schriftliche Befragung gleichsam zum Schibolet
der seelsorgerlichen Bemühungen. Dabei wird nicht versäumt, auf die
methodische Entwicklung der Jahre von 540 vor Christus bis in unsere
Zeit hinzuweisen. Hier hat das Buch seine stärkste Seite. In wissen-
'schaftlich einwandfreier Weise informiert es über die Möglichkeiten
der Kommunikation in der Form statistischer Auswertung nach
mathematischen Grundsätzen. Ob man allerdings soweit gehen kann,
daß man die „antike Dialogbefragung" als „Technik, dem Befragten
Meinungen zu entlocken" (129) betrachten kann, scheint mir fraglich
.

Die sorgfältig erhobene Fragebogenaktion erstreckte sich auf alle
württembergischen und alle hessen-nassauischen Pfarrer und Vikare
als „Grundgesamtheit". Die Arbeitsmethodik bestand darin, daß aus
diesen beiden Grundgesamtheiten Stichproben gezogen wurden,
»deren Befunde Schätzungen auf die unbekannten Parameter zulassen
. Außerdem sollen die Stichprobenbefunde zur statistischen Prüfung
von Hypothesen dienen, die sich auf die Grundgesamtheit beziehen
" (130). Themenbereiche sind dabei Sozialdaten, Berufsaufgaben
/Berufszufriedenheit, Klientel des Pastors, Fragen nach seiner
Seelsorgepraxis, nach seiner Seelsorgetheorie und seiner Seelsorgeausbildung
. Das Ergebnis dieser Befragung entspricht jedoch kaum
den Erwartungen. Wenn z. B. als eine grundsätzliche Einsicht geschildert
wird: „Gemeindepfarrer wenden einen großen Teil ihrer Zeit für
seelsorgerliche Beratung bzw. Betreuung auf und würden auf diesem
Sektor gerne noch mehr tun, wenn die Struktur des Pfarramtes das
zuließe", dann ist das nun wahrhaftig eine bekannte Tatsache.

Die entscheidende Anfrage an Gerhard Besier liegt aber auf theologisch
-anthropologischem Gebiet. Ist es theologisch legitim, seelsorgerliche
Prozesse, pastorale Verhaltensweisen, emotionale Berufseinstellungen
und vor allem eine pastorale Effektivität mathematischstatistisch
zu erfragen, durchzuarbeiten und zu bewerten? B. hat sicherlich
mit seiner Kritik an einer gelegentlich überzogenen tiefen-
Psychologischen Interpretation seelsorgerlicher Vorgänge Recht. Zuzugestehen
ist ihm auch, daß sich alles das, was sich heute „Pasto-
ralpsychologie" nennt, in einem stetigen Wandel befindet. Es muß
aber doch gefragt werden, ob wirklich statistische Auswertungen dazu
dienen können, um damit das Proprium seelsorgerlichen Handelns
zu ergründen. Der Vorwurf des Vf. gegen die tiefenpsychologisch
orientierte Seelsorge wird der Rückfrage standzuhalten haben, ob die
e'gene Methodenverhaftung an die Testpsychologie legitimes theologisches
Kriterium zur Erfassung menschlicher Essenz sein kann.

Bei einem so klug geschriebenen Buch bleibt dem Rez. unverständlich
, welche Fülle pauschalisierender Urteile entgegen der zur Verfügung
stehenden psychoanalytischen Literatur hier aufrecht erhalten
wird. Da wird der Tiefenpsychologie z. B. vorgeworfen, sie habe
keine empirischen Forschungsergebnisse vorgelegt. Nach einem
knappen Jahrhundert Psychoanalyse wird die Realität des Unbewußten
in Frage gestellt. Da wird einem tiefenpsychologisch orientierten
Seelsorger vorgeworfen, er müsse schon ein „gläubiger Psychoanalytiker
" sein, wenn er Seelsorge so treiben wolle. Zur empirischen
Überprüfung tiefenpsychologischer Methodik finde ich jedoch allein
in der Zeitschrift PSYCHE 27, 1973, 351, über 60 Titel, die sich mit
empirischer bzw. katamnestischer Aufarbeitung psychoanalytischer
bzw. tiefenpsychologisch orientierter Verfahren befassen. Von
Hartmann über Habermas, Gadamer zu Popper und Thomä geht die
Reihe, um nur einige von ihnen zu nennen. Ob also die „nomothetische
" Psychologie gegenüber anderen „Psychologien" wirklich allein
den Vorzug hat, „nachweislich erfolgreich zu arbeiten" (20), ist mir
daher recht fraglich. Nicht „Theorien" machen Seelsorge aus, sondern
das Wissen um das notwendige, verantwortungsvolle Rüstzeug
für poimenisches Handeln sub signo crucis.

Lübeck Hans-Joachim Thilo

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