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Ausgabe:

1981

Spalte:

511-513

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Apfelbacher, Karl-Ernst

Titel/Untertitel:

Frömmigkeit und Wissenschaft 1981

Rezensent:

Gabriel, Hans Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 7

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sein, daß in einer Geistphilosophie des HegelschenTypus das Problem
neuzeitlicher Subjektivität zu einer Lösung kommt. Darf es
dann eigentlich andere philosophische Systeme geben? Zwar seien für
Hegel andere Systeme möglich, aber sie bestünden nicht diesen her-
meneutischen Test (287). Und wie ist dieser Test aufzufassen? Das
philosophische System, nunmehr auch in die Prolegomena der Theologie
übernommen, muß in angemessener Weise und in einem logisch
kohärenten Begriffszusammenhang die ganze Reichweite scheinbar
unversöhnlicher und widerspüchlicher Aspekte unseres modernen
kulturellen Lebens begleiten und einholen können und sogleich dafür
sorgen, daß sich persönliche existentielle Erfüllung einstellt (287).
Hier wäre nun die Frage zu stellen, ob damit nicht Hegels Überzeugung
, durch die Weltgeschichte die Theodizee zu gewinnen, noch einmal
gegen das deutliche biblische Zeugnis und die Theologie des
Kreuzes aufgeführt wird. An der Interpretation von Kreuz und Auferstehung
, die von Hegel mit Negation und Negation der Negation
chiffriert werden, käme heraus, ob das Programm des Vf. zu halten
ist. Der Rez. meint: Nein.

Eslangen Christofer Frey

Auer, Alfons: Ist Unterhaltung vertane Zeit? (StZ 105, 1980
S. 735-749).

Bernard, Charles Andre: Symbolisme et conscience affective (Gr. 61,
1980 S. 421-448).

Busa, Roberto, Biffi, Inos: L'Index Thomisticus: per la filosofia e la
teologia (Teologia V, 1980 S. 257-271).

Deuser, Hermann: Geschichtserfahrung und Gottesgeheimnis bei
Ernst Bloch (WuA[M] 21,1980 S. 146-154).

Goetz, Joseph: Symbole et mythe (Gr. 61,1980 S. 449^160).

Hick, John: Towards a Philosophy of Religious Pluralism
(NZSTh22, 1980 S. 131-149).

Köpf, Ulrich: Wesen und Funktion religiöser Erfahrung - Überlegungen
im Anschluß an Bernhard von Clairvaux (NZSTh 22, 1980
S. 150-166).

Splett, Jörg: Christliche Philosophie? (StZ 105,1980 S. 703-714).
Trillhaas, Wolfgang: Der Gott der Philosophen und die kritische

Funktion der Religion. Zu Schellings Philosophie der Offenbarung

(NZSTh 22, 1980 S. 117-130).

Systematische Theologie: Allgemeines

Apfelbacher, Karl-Ernst: Frömmigkeit und Wissenschaft. Ernst
Troeltsch und sein theologisches Programm. München-Paderborn-
Wien: Schöningh 1978. 285 S. gr.8° = Münchener Universitätsschriften
, Fachbereich Kath. Theologie. Beiträge zur ökumenischen
Theologie, 18. Kart. DM 44,-.

Vorliegende Arbeit erstrebt im Zeichen „einer allgemeinen anthropologischen
Wende der Theologie" und einer damit verbundenen
„Zuwendung zur Frage nach dem Wesen der religiösen Erfahrung"
(274) eine Aktualisierung des Werkes von Troeltsch. Sie verdient insofern
Aufmerksamkeit, als hier nun auch von Seiten der katholischen
Theologie Bemühungen vorhanden sind, Troeltsch in die gegenwärtige
theologische Diskussion einzubringen. In diesem Sinne
sucht Apfelbacher „die Ansatzpunkte zu finden, an denen die theologische
Auseinandersetzung mit Troeltsch neu beginnen könnte"
(194). Ging es vordem katholischen Theologen (E. Spieß, E. Przywa-
ra, I. E. Alberca) vor allem um Kritik, wobei Troeltschs Auffassungen
bestenfalls eine gewisse Prädisposition für die thomistische Lehre
zuerkannt wurde, so soll hier gezeigt werden, „daß die Fragestellungen
, die Troeltsch bewegten, und die Lösungsansätze, die er diskutierte
, zwar in den Gesamtzusammenhang der damaligen allgemeinen
wissenschaftlichen Auseinandersetzungen verstrickt waren, daß sie
aber keineswegs als überholt gelten können". Dieses Unternehmen

sinnvoll erscheinen zu lassen, erfordert freilich einen hohen Preis. Vf.
verzichtet auf eine vollständige Erfassung des Werkes von Troeltsch -
die beiden Hauptwerke „Die Soziallehren der christlichen Kirchen
und Gruppen" und „Der Historismus und seine Probleme" werden
z. B. kaum erörtert - und sieht auch davon ab, dieses im gesellschaftlichen
Kontext seinerzeit zu begreifen. Troeltschs politische Haltung
wird gleichsam anhangweise und dazu lückenhaft abgehandelt
(252-270). So ergibt sich vor allem in bezug auf seine Stellungnahmen
während des I. Weltkrieges ein unzutreffendes Bild, das verkennt
, daß er bei aller Ablehnung des extremen Chauvinismus ebenfalls
Parteigänger des deutschen Imperialismus war, jedoch zu denjenigen
gehörte, die seine militärischen Möglichkeiten realistischer einschätzten
. Die im Literaturverzeichnis nicht enthaltene Arbeit des
Rez. (Christlichkeit der Gesellschaft? Eine kritische Darstellung der
Kulturphilosophie von Ernst Troeltsch, Berlin 1975) hätte hier vielleicht
einige Denkanstöße vermitteln können.

Der Arbeit von Apfelbacher, die auch bisher unbekanntes Quellenmaterial
, vor allem Briefe von Troeltsch, mitberücksichtigt, geht es
vor allem darum, Troeltschs wissenschaftliches Werk als „folgerichtige
Konsequenz seiner persönlichen religiösen Lebensposition" zu
begreifen (37), die geprägt sei „durch die christlich-mystische Tradition
" (44; 155-160). Troeltsch „fühlte sich als Anwalt der geistigen
und religiösen Not der vielen, die in den Widersprüchlichkeiten und
Wirren der gegenwärtigen Lage sich einen Weg zu einer festen religiösen
Lebensposition bahnen wollen, in der sich die wesentlichen Gehalte
der christlichen Überlieferung mit einem ehrlichen Verhältnis
zu den modernen Wissenschaften verbinden können"(61).

Von diesen Voraussetzungen her würdigt Apfelbacher im II. Teil
seiner Arbeit (79-160), dem Ausführungen über Troeltschs Werdegang
, die Herausbildung seiner Grundposition und die Formulierung
der Aufgabenstellung seiner Lebensarbeit vorangehen (39-78), die
von ihm unternommene religionsphilosophische Grundlegung der
Theologie. Den hier erörterten Problemkreisen, der im Zeichen der
Religionspsychologie versuchten Widerlegung Feuerbachs, dem auf
dieser Grundlage des homo naturaliter religiosus unternommenen
Versuch, die Höchstgeltung des Christentums geschichtsphiloso-
phisch zu erweisen, der Begründung religiöser Normen für die Gegenwart
sowie dem religiösen Apriori, geht Apfelbacher gewissenhaft
nach und stellt Troeltschs Überlegungen klar heraus. Eine Präzisierung
erfährt dabei sein Verhältnis zu Dilthey und Rickert (96-109),
während eine Bezugnahme auf Max Weber und die damit verbundene
Auseinandersetzung mit dem Marxismus nur ansatzweise geboten
wird (121-123), wie denn auch die mit den religionsphilosophischen
Überlegungen anvisierten ethischen Fragestellungen außer Betracht
bleiben (vgl. 145 A. 27).

Der abschließende III. Teil (161-270) sucht Troeltschs Werk im
zeitgeschichtlichen Zusammenhang zu sehen, wobei theologischen,
kirchlichen und politischen Auseinandersetzungen nachgegangen
werden soll. Wurde bereits im Rahmen des Entwicklungsganges von
Troeltsch sein Verhältnis zu seinem Lehrer Ritsehl beleuchtet
(65-68), so folgt nun eine Darlegung seiner Auseinandersetzungen
mit dessen älteren Schülern. Dabei hebt Vf. hervor, daß Troeltsch
aufgrund seiner spiritualistisch-mystischen Orientierung von diesen
wie von der „positiven" Theologie in die theologische Isolierung gedrängt
wurde (174f). Beachtung verdient in diesem Zusammenhang
die detaillierte Behandlung der gegensätzlichen Haltung zum Supra-
naturalismus (179-209). Troeltsch folgend, stellt hier Vf. dessen „religiösen
Supranaturalismus" dem „exklusiven Supranaturalismus"
seiner Gegner entgegen und bestreitet, daß die Ablehnung des letzteren
einen Bruch mit dem Christentum bedeute. Während der „exklusive
Supranaturalismus" auf dem platonisch-aristotelischen Wissenschaftsverständnis
beruhe, trage der „religiöse Supranaturalismus"
dem modernen wissenschaftlichen Denken Rechnung. Deutlich wird
in diesem Zusammenhang das letztendlich klerikale Anliegen der
Troeltsch-Aktualisierung: „Stellt man sich ... auf den Boden des
alten Wissenschaftsverständnisses, wie dies die exklusiv-supranatu-