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Ausgabe:

1981

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 7

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Vf. hat eine Fülle von Material durchgearbeitet und sein Thema
mit Akribie abgehandelt, aber zu einem entscheidenden Gesamtergebnis
zu gelangen, das eine neue Sicht ermöglicht, ist ihm eigentlich
versagt geblieben. Er empfindet das selbst, wenn er am Ende seiner
Ausführungen feststellt, daß er nur seine Anfangserwartung bestätigt
findet. In ,beredtem' Schweigen können sich - so resümiert er-
..eine Inhalts- und eine Ausdruckskomponente ... mehrfach bedingen
, ergänzen und verbinden: Reden und Schweigen standen in
einem ethischen Problemfeld, auf das durch rhetorisch-stilistische
Verwendung von Motiv, Bild und Figur der für Deutungserfordernisse
sensible Leser zeichenhaft aufmerksam gemacht wird" (238). Zu
fragen bleibt, ob Vf. zu differenzierterem und gewichtigerem Resultat
hätte gelangen können, wenn er die unterschiedlichen literarischen
Genres aus verschiedenen Epochen des Mittelalters nicht - wie das
vielfach geschehen ist - auf eine Fläche projiziert, wenn er die Wirkungsintentionen
der Autoren stärker berücksichtigt und vielleicht
.beredtes' Schweigen zu anderen literarischen Gestaltungsmittel in
Beziehung gesetzt hätte.

Dessen ungeachtet besitzt die Studie, die durch kommentierte
Texteditionen und durch Bildmaterial ergänzt wird, wissenschaftlichen
Wert: Sie stößt in bisher nicht bearbeitetes Gebiet vor, regt zu
vielen Fragen an und bietet eine gute Ausgangsposition für weiterführende
Arbeiten, deren Konturen vom Vf. bereits gezeichnet werden.

Halle-Neustadt Brigitta Schreyer-Kochmann

Albrecht, Christoph: Zur Akzidentienfrage im 16. Jahrhundert
(MuK50, 1980 S. 125-130).

Bach, Hedwig: Natur, Geschichte, Gnade bei Gertrud von le Fort
(EuA 55, 1979 S. 435^146).

Flügel, Heinz: Im Schatten des babylonischen Turms. Nachgezeichnetes
und Unterzeichnetes. Frankfurt/M.-Stuttgart: Evang. Verlagswerk
1980. 236 S. 8". Kart. DM 24,80.

Gordan, Paulus: Bemanos auf Mallorca (EuA 55, 1979 S. 430-434).

Pfeiffer, Heinrich: Religiöse Symbole und symbolische Darstellungsweisen
in der christlichen Kunst (Gr.61,1980 S. 507-538).

Schmitz, Karl Josef: Die Jesuitenkirche zu Büren und die westfälische
Kirchenbaukunst des Manierismus und Barock (ThGl 70, 1980
S. 343-352).

Spidlik, Tomas: L'icöne, manifestation du monde spirituel
(Gr. 61, 1980 S. 539-554).

Widmann, Joachim: Verstandeskult - Gefühlskult und die arme Kirchenmusik
(MuK 50, 1980 S. 107-113).

Wirth, Günter: Zum Luther-Bild Jochen Kleppers (Standpunkt 8,
1980 S. 282-286).

Philosophie, Religionsphilosophie

Yerkes, James: The Christology of Hegel. Missoula, MT: Scholars
Press 1978. XI, 341 S. 8" = American Academy of Religion Dissertation
Series, 23. Kart. $9.-.

Es ist ein bedeutsames Zeichen, daß nach einer Hochkonjunktur
analytischer Philosophie im angelsächsischen Sprachraum das Interesse
an Hegel wieder erwacht ist. Mit der Studie über die Christologie
Hegels stellt sich ein Religionsphilosoph vor, der in der Krise der
amerikanischen Gesellschaft eine Antwort auf die Frage hofft, ob eine
erneuerte Metaphysik möglich ist und die Bedeutung des Wortes Gottes
auch den Sinn unserer menschlichen Existenz erleuchten kann.
Mit dieser entschiedenen Fragestellung geht Yerkes an Hegels Religionsphilosophie
heran, um sie als eine der christlichen Theologie
adäquate philosophische Explikation zu erweisen. Mit entschiedener
Einseitigkeit beharrt er darauf, daß Hegel es mit dem Christentum
ernst gemeint habe. Zwar kann man verstehen, daß der Vf. Bruno

Bauers Kritik an Hegel ignoriert. Die Debatte des 19. Jh. darüber, ob
Hegel ein Christ oder ein Atheist war, war sicherlich von Interessen
der damaligen Zeitlage gezeichnet. Aber im 20. Jh. gibt es doch zu
viele gewichtige Stimmen, die darauf bestehen, daß Hegel mit seiner
Philosophie doch eher von den zentralen Anliegen des Christentums
fortgeführt habe. Gehört er in die Verfallsgeschichte der Metaphysik,
die nicht wieder aufzunehmen ist; oder entwirft er ein theologischpolitisches
Programm, das noch einmal auf dem Boden der Tradition
des Christentums zu entfalten ist? Man denke nur an Interpreten wie
K. Löwith und M. Theunissen und die durch sie gesetzten verschiedenen
Akzente!

Die Diskussion um Hegel spielt eine relativ geringe Rolle in diesem
Band. Umso schwerer wiegen die Interpretationen des Vf., die eine so
umstrittene These tragen sollen. Wie geht der Vf. vor? Im Grunde
handelt es sich bei seiner Arbeit um ein durchsichtiges,*analysieren-
des Nacherzählen wichtiger Schriften Hegels. Da sind zunächst die
Jugendschriften zu nennen. Der Vf. arbeitet heraus, daß Jesus von
Hegel auch gegenüber der (zunächst negativ beurteilten) positiven
Religion herausgehoben wird. In einer weiteren Phase der Jugendschriften
Hegels sieht der Vf. Hegel mit dem Problem ringen, wie das
transzendente Unendliche und das historisch Zufällige zusammenkomme
. Die Frage läßt ihn zu den religionsphilosophischen Vorlesungen
Hegels übergehen. Leitfrage ist ihm, ob die Christologie Funktion
der allgemeinen Religionstheorie oder die allgemeine Religionstheorie
Funktion der christologischen Interpretation sei (71). Seine
Antwort gibt er den Interpretationen voraus: Der Begriff der Religion
sei im Christusereignis erfüllt; und diese Erfüllung stelle das Kriterium
für die Entwicklung einer spekulativen Religionsphilosophie
dar (72). Sind damit aber alle theologischen Fragen wirklich von
Grund auf geklärt? Zunächst muß festgehalten werden, daß es dem
Vf., der sich so mit Hegel identifiziert, eher um ein Inkarnationspn'n-
zip denn um die Inkarnation selbst geht (164). Das Inkarnationsprinzip
ist die wesenhafte und aktuelle Einheit der göttlichen und der
menschlichen Natur, wie es im Gefühl erfahren, in der Vorstellung
aufgenommen und kultisch ausgedrückt wird. Und das bedeutet
doch, daß hier schon im voraus feststeht, was göttliche und menschliche
Natur ist, damit daraus dann Inkarnation konstruiert wird.
Sollte nicht lieber die Metaphysik der beiden Naturen eine Hilfsfunktion
für das Ereignis Jesu Christi und die Begegnung von Gott und
Mensch in ihm haben? Vielleicht mag es angehen, daß man Hegel so
sehr im Kontext einer traditionellen Metaphysik- und Transzendenzvorstellung
liest. Dennoch wird es kritisch, wenn der Vf. die absolute
Religion als positive Religion bezeichnet und als Kriterium der positiven
Religion ausspricht, daß alles, was in ihr erfahren wird, von
außen kommen muß (190). Hier macht sich spätestens etwas bemerkbar
, was dem gesamten Werk als ein Mangel vorzuwerfen ist: Der Vf.
hält sich an die populäreren Schriften Hegels und untersucht
nicht, wie das von ihm herausgearbeitete Inkarnationsprinzip
sich z. B. in der grundlegenden Schrift der „Wissenschaft der Logik"
darstellt. Denn wie steht es dort mit dem Verhältnis von „innen" und
„außen"? Dem Verinnerlichungsprozeß des Begriffes zum Absoluten
entspricht es, daß kein „außen" mehr sein kann, das nicht aus diesem
Selbstwerdungsprozeß dieses Begriffes herausgetreten ist. In der
Diskussion, mit welchen Gründen die absolute Idee noch die Natur
aus sich heraus entlassen kann (am Ende der „Wissenschaft der Logik
"), ist das greifbar geworden. Daran gemessen scheint die Bestimmung
der positiven Religion und die Zuversicht, daß sich hier ein
christlicher Tranzendenzbegriff finde, doch etwas zu optimistisch.

Fragen wir zuletzt, was des Vf. Absicht für die Theologie bedeuten
könnte. Sie bedeutet zunächst, daß die Prolegomena des Theologen
einer Philosophie im Stile Hegels entsprechen müßten (267). Sie bedeutet
auch, daß die Konzeption des Absoluten als Geist sich mit
einer theistischen und christlichen Interpretation der Welt verbinden
läßt; das sei seine persönliche Überzeugung (276). Sie bedeutet zuletzt
, daß das Zeugnis des Geistes das fundamentale hermeneutische
„Subjektivitätsprinzip" darstellt (283). Damit scheint angedeutet zu