Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1981

Spalte:

507-509

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Ruberg, Uwe

Titel/Untertitel:

Beredtes Schweigen in lehrhafter und erzählender deutscher Literatur des Mittelalters 1981

Rezensent:

Schreyer-Kochmann, Brigitta

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

507

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 7

508

Gebrauch ineinander über. Vf. bezieht sich auf die „häufige Verwendung
" (13) und auf „das Gewicht des Lebensbegriffs bei Schleiermacher
" (16) und notiert zugleich, daß dieser Sachverhalt nur von wenigen
Interpreten beachtet worden sei. Er hat allerdings keine Anstalten
gemacht, die Lücke seinerseits durch eine umfassende und gründliche
Analyse zu füllen. Sein interpretativ gebrauchter Orientierungs- und
Deutebegriff, der vom Sprachgebrauch Schleiermachers nicht explizit
abgehoben wird, gewinnt Nuancen und Funktionen vorzugsweise aus
Bezügen und Assoziationen, die sich im Kontext der zeitgenössischen
theologischen Debatte einstellen.

Der Titel des Buches ist insofern ungeschickt gewählt, als er auf
eine Untersuchung recht spezieller Art hinzudeuten scheint. Faktisch
handelt es sich eher um einen Gang durch das Ganze der Glaubenslehre
, um die Erörterung von Themen und Fragen, die für das Verständnis
des Werkes im ganzen bedeutungsvoll sind. Da diese Erörterung
zumeist dicht an den Texten bleibt, dabei auf andere Interpreten
und auf Kritiker eingeht (auf Barths Schleiermacher-Kritik in einem
eigenen Exkurs, 200ff), da sie zudem anregend geschrieben ist, kann
sie auf weiten Strecken förmlich als Einführung in Schleiermachers
Dogmatik gelesen werden.

Kiel Hans-Joachim Birkner

Boeckler, Richard: „Wie lehrt die Kirche verbindlich?" Zwei Studienergebnisse
, die zur Kritik herausfordern (ÖR29, 1980
S. 476^83).

Freyer, Michael: Der Dialog zwischen Friedrich Gogarten und Eberhard
Grisebach(NZSTh 22, 1980 S. 108-116).

Fries, Heinrich: Die dogmatische Relevanz der Ergebnisse theologischer
Gespräche zwischen römisch-katholischen und evangelischen
Theologen (ÖR 29,1980 S. 261-274).

Gaßmann, Günther: Feier - Gemeinschaft - Zukunft (ZW 51, 1980
S. 228-238).

Gericke, Wolfgang: Gotthold Ephraim Lessing und der linke Flügel
der Reformation (Standpunkt 9, 1981 S. 48-51).

Das Herrenmahl (Hauptthema US 35, 1980):
Pesch, Otto Hermann: Ein Stück Rezeption (S. 200-202)
Hoffmann, Joseph: Erwartung und Verpflichtung (S. 203-219)
Lienhard, Marc: Erwartung und Verpflichtung (S. 220-229)
Thunberg, Lars: „Das Herrenmahl" - Bewertung einer ökumenischen
Bilanz (S. 230-242)
Hojen, Peder: „Das Herrenmahl" - Ein ökumenischer Fortschritt?
(S. 243-247).

Küng, Hans: Ein Brief über Christologie und Unfehlbarkeit (Conc[D]
16,1980 S. 592-602).

Leuze, Reinhard: Das Verhältnis von Gott und Sprache - Überlegungen
zu den Voraussetzungen der Gotteslehre (NZSTh22, 1980
S. 95-107).

Oeing-Hanhoff, Ludger: Elisabeth von der Pfalz und Descartes
(ZW 51, 1980 S. 193-205).

Seckler, Max: Außerhalb der Kirche Heil oder kein Heil? (ThQ 160,
1980 S. 204-206).

Slenczka, Reinhard: Die dogmatische Relevanz der Ergebnisse theologischer
Gespräche zwischen römisch-katholischen und evangelischen
Theologen (ÖR 29, 1980 S. 440-460).

Wolfinger, Franz: Sinn und Notwendigkeit theologischen Redens von
derTrinität(StZ 105,1980 S. 767-778).

Christliche Kunst und Literatur

Ruberg, Uwe: Beredtes Schweigen in lehrhafter und erzählender deutscher
Literatur des Mittelalters. Mit kommentierter Erstedition
spätmittelalterlicher Lehrtexte über das Schweigen. München:
Fink 1978. 330 S., 7 Taf. gr. 8° = Münstersche Mittelalter-Schriften
, 32. Lw. DM 132,-.

Vf. widmet sich in seiner Arbeit, die 1973/74 als Habilitationsschrift
vorgelegen hat, der Deutung des Schweigens und der Interpretation
von Schweigen-Situationen in mittelalterlichen deutschen
Texten. Das Schweigen-Thema ist bereits in einigen Wissenschaftsdisziplinen
abgehandelt worden, nicht aber im Bereich der älteren
deutschen Literatur. Es fehlt zwar nicht an Versuchen, z. B. das
Schweigen Parzivals oder das Schweigegebot Erecs zu beurteilen, es
gibt jedoch keine Darstellung, in der Schweigen in größeren Zusammenhang
gestellt und auf seine Bedeutung hin untersucht wird. R.
füllt eine Lücke mit seiner Abhandlung, die auf einer breiten Materialgrundlage
ruht, und die sich auf Überlegungen sprachphilosophischer
und sprachpsychologischer Art gründet. Er richtet sein Interesse
vornehmlich auf solche literarischen Stellen, in denen Schweigen
eine .beredte' Funktion besitzt, und beabsichtigt, „Schweigen vor
allem in seiner Spannung und lebendigen Wechselbeziehung zur
Rede aufzusuchen und als ,beredt' zu kommentieren, etwa als Bereitschaft
zum Hören, als Antwort auf fremde Rede, als Vorbereitung eigener
Rede oder - im Modus des Verstummens - als Stellungnahme
zu eigener Rede" (11). Er erwartet solches ,beredte' Schweigen in Erzählmotiven
, z. B. in Schweigegeboten, Schweigegelübden, Schweigeproben
, und in Situationen, in denen Verschweigen zum Entdecken
führt, in Schweigen-Betrachtungen und Schweigen-Lehren literarischer
Gestalten, im Schweigen des Ich-Erzählers oder des Autors. Er
rechnet auch damit, ,beredtes' Schweigen mit den Mitteln der Rhetorik
, der Syntax und der Metrik ausgedrückt zu finden.

In sechs mehr oder weniger zusammenhängenden Kapiteln durchforscht
R. literarische Texte, in denen die Schweigenthematik erörtert
oder Schweigen als literarisches Gestaltungsmittel verwendet wird,
mit dem Ziel, die Hinordnung von Schweigen auf Reden zu zeigen. Er
findet den Gedanken, daß Schweigen zum Reden überleitet, bei Ambrosius
, der ihn aus seinen biblisch-theologischen Überlegungen und
ethischen Forderungen entwickelte. Die vom Vf. herangezogenen
deutschen Schweigenlehren und Lehrdichtungen des Mittelalters, in
die Ambrosius' Ideen eingeflossen sind, lassen die Bedeutung erkennen
, die dem Verhältnis von Schweigen und Reden in der Beziehung
von Mensch zu Mensch und in der Gott-Mensch-Beziehung beigemessen
wird. R. stellt eine Fülle bildlicher Ausdrucksformen für
Schweigen und Reden vor und macht mit Exempelgestalten des
Schweigens aus der griechisch-römischen Antike, aus dem Alten und
Neuen Testament, aus dem Frühchristentum und aus der Legende
bekannt. Er zeigt die unterschiedlichen Verhaltensweisen dieser
Exempelgestalten des Schweigens in Situationen auf, die sowohl
Schweigen bzw. Verschwiegenheit erfordern als auch zum Reden
bzw. zum Aufdecken der Wahrheit hinführen.

Im Kap. „Das Schweigen Christi in literarischer Formung und
Deutung" hat sich Vf. die Interpretation der beiden Schweigensituationen
in Joh 8,6ff, die sogar mit Gestik verbunden sind, entgehen
lassen, da er der Meinung ist, „das Schweigen Jesu in den der Passion
voraufgehenden Lebensabschnitten spielt in vorwiegend erzählenden
deutschen Darstellungen keine Rolle" (119). Dagegen spricht aber,
daß Otfried diese Szene in III 17,35 ff gestaltet hat und für das Schweigen
Jesu dieselbe Erläuterung gibt wie in IV 19,41 f und in IV 23,33f.
Otfried bezieht sich außerdem in dem Moraliter-Kapitel III 19,1 ff
auf Joh 8,6iT.

Im letzten Kap. interpretiert Vf. Schweigensituationen, die sich in
erzählenden Dichtungen des Mittelalters finden, vorwiegend in denen
Hartmanns von Aue. Er untersucht, wie Schweigen im einzelnen
lexikalisch, grammatisch und stilistisch umgesetzt worden ist. Er ermittelt
die Ursachen für Schweigen, Verschweigen und Schweigegebote
, versucht, die Funktion des Schweigens zu bestimmen und das
Verhältnis von Schweigen und Sprechen zu klären. Er zeigt - ohne
grundlegende Ansätze zu neuen Sinndeutungen dieser Dichtungen zu
bieten -, daß Hartmanns Figuren nicht im Verschweigen und Schweigen
verharren, sich nicht an Schweigegebote halten, sondern stets
zum Sprechen und Handeln drängen, und daß sich ihr Reifeprozeß in
der Spannung von Schweigen und Reden vollzieht.