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Ausgabe:

1981

Spalte:

503

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Wappler, Klaus

Titel/Untertitel:

Der theologische Ort der preußischen Unionsurkunde 1981

Rezensent:

Greschat, Martin

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503

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 7

504

Kirchengeschichte: Neuzeit

Wappler, Klaus: Der theologische Ort der preußischen Unionsurkunde
vom 27. 9. 1817. Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1978. 154 S.
8° = Theologische Arbeiten, XXXV. Kart. M 11,80.

Diese schöne Arbeit erhellt den theologiegeschichtlichen Ort der
preußischen Unionsurkunde von 1817. Dabei geht der Vf. so vor,
daß er jeweils einzelne Begriffe und Wendungen dieses Textes in den
Zusammenhang mit anderen zeitgenössischen theologischen Aussagen
rückt. Berücksichtigt werden vor allem der junge Schleiermacher
sowie Planck, Sack, Spalding und Teller. Die biographische und
theologische Charakterisierung dieser Persönlichkeiten ist leider sehr
knapp und etwas pauschal ausgefallen (19-25). Im Mittelpunkt der
Untersuchung stehen die vier Abschnitte über die theologische
(27-68), historische (69-111) und pragmatische Begründung der
Union (111-113), woran sich eher anhangsweise ein Kapitel über den
Kirchenbegriff der Unionsurkunde anschließt (113-117). Das
Schwergewicht liegt eindeutig auf den beiden ersten Abschnitten.
Klar wird hier zunächst herausgearbeitet, wie die Konzentration auf
die ethisch-moralischen Konsequenzen des Christentums, auf die
Früchte des Glaubens, das Interesse an der dogmatischen Gestalt des
Christentums zurücktreten ließ - und erst recht an den konfessionellen
Unterscheidungslehren, wie sie die Bekenntnisschriften des 16.
Jh. formuliert hatten. Zu sehr hebt die Darstellung bei diesem zentralen
Punkt der aufgeklärten Unterscheidung zwischen Wesentlichem
und Nebensächlichem im Christentum allerdings wohl auf das Vorbild
der orthodoxen Lehre von den Fundamentalartikeln ab
(32—35.570- Diese Differenzierung war ein konfessionsübergreifender
gesamteuropäischer Vorgang, geboren aus der Notwendigkeit der
Autklärung - und in ähnlicher Weise auch des Pietismus - die bis dahin
vorherrschende oder sogar ausschließliche dogmatisch-lehrhafte
Wesensbestimmung des Christentums aus den Angeln zu heben. Zu
dieser neuen Wesensbestimmung gehörte einmal der historische
Wahrheitsbeweis - von einer Unsicherheit, ob die theologische Begründung
auch genüge, kann ernsthaft nicht die Rede sein (69) -, vor
allem jedoch der Wahrheitsbeweis durch das Leben, der „Beweis des
Geistes und der Kraft", auf den Lessing so ausdrücklich abgehoben
hat. Zu Recht wird jedenfalls der platte, freilich noch immer verbreitete
Vorwurf zurückgewiesen, als habe diese Theologie die Wahrheitsfrage
ausgeklammert (60-63). Hier war vielmehr begriffen, daß
die theologischen Gegensätze sich auf der Ebene rationaler systematischer
Überlegungen und Interpretationen nicht mehr beheben ließen
(49). Vielleicht hätte diese Linie noch schärfer herausgearbeitet werden
können, weil von daher die hier überzeugend aufgewiesenen Vorbehalte
oder sogar Ablehnungen dieser Theologen gegenüber einer
institutionalisierten Kirchenunion (105-111) noch klarer als theologische
Überzeugungen hervorgetreten wären: Bedeutete dieser Weg
nach jenem aufgeklärten Konzept doch die Abkehr von dem allein
wesentlichen Wahrheitsbeweis durch das Leben und mindestens die
Gefahr einer neuen Überschätzung des „Außerwesentlichen".

Im zweiten Abschnitt hat der Vf. dann mit spürbarer Sympathie
die Verpflichtung jedes Christen zu eigener Prüfung und zur selbstverantworteten
Entscheidung über Grund und Wesen des Glaubens
auf dem Boden des sola scriptum und mithin losgelöst von der Anklammerung
an irgendwelche menschliche Autoritäten als das
Grundanliegen der Aufklärungstheologie in den Vordergrund gerückt
. Hier liegt in der Tat ein wesentliches Element ihrer bleibenden
Aktualität, wenn etwa Teller schreibt: „Die Religion Jesu ist eine Religion
der Freyheit und beruht auf dem Gesetze der Freyheit als auf
ihrem Grunde" (86). Nicht zuletzt unter diesem auf die kirchliche
Gegenwart bezogenen Gesichtspunkt verdient Wapplers informative,
gut lesbare und bei aller Sympathie mit der erläuterten Theologie der
Aufklärungszeit doch nie unkritischen Studie alle Aufmerksamkeit.

Münster Martin Greschat

Blaufuß, Dietrich: Bürgerschaft und Kirche im Pietismus. Prof.
D. Oskar Söhngen zum 80. Geburtstag 5. 12. 1980 (Bürgerschaft
und Kirche. Hrsg. von J. Sydow. Siegmaringen: Thorbecke 1980,
S. 113-129).

Frangi, Gino: Le prime cinque spedizioni missionarie salesiane
nell'Argentina e nell'Uruguay dal 1875 al 1881 (Sal. 41,1979
S. 819-856).

Frere, Armin: Eine ökumenische Gemeinschaft auf der Grundlage
mönchischer Lebensordnung (EuA 56, 1980 S. 458—463).

Repgen, Konrad: Kirche und Kirchenkampf im Dritten Reich
1933-1939 (mit einer Erwiderung von Klaus Scholder) (MDKI 31,
1980 S. 70-75).

Dogmen- und Theologiegeschichte

Gregorius Ariminensis OESA: Lectura super primum et secundum
sententiarum, ediderunt A. D. Trapp, V. Marcolino. VI: Super Secundum
(Dist 24-44). Elaboraverunt: V. Marcolino, W. Simon, V.
Wendland. Berlin-New York: de Gruyter 1980, VIII, 337 S. gr. 8"
= Spätmittelalter und Reformation. Texte und Untersuchungen,
11. Lw. DM 148,-.

Mit diesem Band ist die Ausgabe des Kommentars von Gregor zum
zweiten Buch der Sentenzen zu Ende geführt. Außer den Herausgebern
des Bandes haben auch Walter Simon und Volker Wendland
an der Arbeit teilgenommen. Wie der Herausgeber der ganzen Reihe,
Heiko A. Oberman, in einem Vorwort (V-VIII) bemerkt, wird
„Gregor von Rimini (hier) als jener Augustin-Schüler habhaft, dessen
unerbittlicher Kampf gegen alte und neue Pelagianer die Theologie
langfristig beunruhigt und zur Ablehnung herausgefordert hat, aber
auch auf Zustimmung gestoßen ist" (V). Was über die vornehme
Durchführung dieser Edition schon anläßlich der früher erschienenen
Bände gesagt wurde, gilt auch diesem Band. Jetzt sind also auch die
für die Lehre von der Gnade und von der Sünde entscheidenden
Distinktionen in dieser vorbildlichen Form zugänglich gemacht worden
. Nicht nur für die Theologiegeschichte des 14. Jh., sondern auch
für die Reformationsgeschichte ist hiermit bedeutendes Material zur
Verfügung gestellt. Es ist zwar fraglich, ob die Antwort auf die Frage
nach der Augustinrezeption des 16. Jh. dadurch erleichtert wird, aber
es steht fest, daß die, die eine Antwort suchen, an einem sehr wichtigen
Punkt eine technische Hilfe von großer Bedeutung erhalten haben
. Ohne Spannung, d. h. mit ruhiger Erwartung, wird man der raschen
Weiterführung der Ausgabe (d. h. vom ersten Buch) entgegensehen
.

Kopenhagen Leif Grane

Stauffer, Richard: Dieu, la creation et la providence dans la predica-
tion de Calvin. Bern - Frankfurt/M. - Las Vegas: Lang 1978.
344 S. 8° = Basler und Berner Studien zur historischen und systematischen
Theologie, 33. Kart. sfr62.-.

Der Pariser Professor R. St. gibt in diesem Buch einen grundlegenden
Beitrag nicht nur zur Kenntnis von Calvins Predigt, sondern
ebenso zu dessen Theologie des 1. Artikels und damit zu Themen
«qui, minimises souvent par la theologie dialectique avant d'etre es-
camotes par la theologie contemporaine, sont essentiels pour la pen-
see chretienne» (11). Zugleich sind es die Themen des Buchs I der In-
stitutio, Calvins großem systematischem Werk. Die dortigen Ausführungen
erhalten von Calvins Predigt her eine Bereicherung und z. T.
andere Akzentsetzung. St. stützt sich dabei neben den 872 Predigten
der Opera Calvini und den bisher edierten 206 Predigten der Supple-
menta calviniana auf die 89 vor einigen Jahren entdeckten Predigten
über die Genesis, mit deren Edition in den SC er betraut ist. Die Calvinforschung
, zunächst auf die Institutio konzentriert, dann nach