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Ausgabe:

1981

Spalte:

495-498

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Die Kirche in Ost und West von Chalkedon bis zum Frühmittelalter (451 - 700) 1981

Rezensent:

Beyschlag, Karlmann

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 7

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an die in der Forschung bisher vorgelegten Thesen. Meist erschöpft
sich die Abhandlung in ausführlichen Referaten der Gewährsleute
(Braun, Bultmann, Conzelmann, Käsemann, Nauck, Schnackenburg
). Ein Ausgleich sich widersprechender Positionen (Bultmann
und Schnackenburg etwa) findet nicht statt. Ich vermisseeinerseits
eine gründliche Exegese der fraglichen Texte aus 1 Joh und andererseits
eine selbständige Arbeit an den religionsgeschichtlichen Quellen
. Die von B. genannten Bedingungen für das theologische Konzept
des Perfektionismus sind m. E. unzureichend. In diesem Zusammenhang
müßte man dem Problem größere Aufmerksamkeit schenken,
daß die rivalisierenden Gruppen des frühen Judentums sich jeweils
exklusiv als die wahren Erben der Verheißungen an Israel verstanden.

Insgesamt stellt die vorliegende Arbeit eine wenig differenzierende,
mehr additive Zusammenfassung der Diskussion bis 1976 dar, führt
darüber aber nicht hinaus.

Eine große Zahl von griechischen, deutschen und englischen Schreibfehlern
wird der Leser selbst bemerken. Die (deutsche) Literatur wird nicht immer
nach den letzten Auflagen zitiert (Schnackenburgs Kommentar z. B. in der
1. Aufl. von 1953).

Leipzig Christoph Kahler

Kirchengeschichte: Alte Kirche

Jedin, Hubert [Hrsg.]: Handbuch der Kirchengeschichte. Bd. II/2: Die
Kirche in Ost und West von Chalkedon bis zum Frühmittelalter
(451-700), von K. Baus, H.-G. Beck, E. Ewig, H. J. Vogt. Freiburg-
Basel-Wien: Herder 1975. XVI, 352 S. gr. 8°. Lw. DM 73,-.

Während Bd. II/1 des Jedinschen Handbuches „die Kirche von
Nikaia bis Chalkedon" noch als Ganzheit (darum auch nur durch
einen Hauptautor, K. Baus) dargestellt hatte (s. meine Rezension,
ThLZ 105, 1980 Sp. 685-688), fallen die beiden Hälften der antiken
Reichskirche in dem von Bd. H/2 erfaßten Zeitraum von der 2. Hälfte
des 5. bis ins 7. Jh. bereits so eindeutig auseinander, daß eine Verteilung
des Stoffes auf drei bzw. sogar vier Verfasser notwendig war. Der
hier zu besprechende Band setzt ein mit einem kompakten Überblick
über „Die frühbyzantinische Kirche bis zum Ansturm des Islam" von
H. G. Beck (3-92). Ihm folgt als zweiter, ungleich umfangreicherer
Teil „Die lateinische Kirche im Übergang zum Frühmittelalter"
(95-329). Hier hat der Mediävist E. Ewig die Darstellung der gesamten
lateinisch-christlichen Mission (Kelten, Franken, Burgunder,
Westgoten, Langobarden, Angelsachsen) übernommen (95-179), vgl.
schon den in Bd. II/1 untergebrachten Abschnitt zur Gotenbekehrung
(dort S. 232 ff), während K. Baus, unterstützt durch seinen Schüler H.
J. Vogt, das „innerkirchliche Leben" des lateinisch-christlichen
Westens bis zum Ende des 7. Jh. (180-329) behandelt. Den Schluß
des Bandes bilden Zeittafeln und Register.

Überblickt man von hier aus die ersten drei (bzw. fünf) der alten
und mittelalterlichen Kirchengeschichte gewidmeten Bände des
(soeben auf den 10. und letzten Band angewachsenen) Jedinschen Gesamtwerkes
, so hat K. Baus darin die Geschichte der Alten Kirche
von den Anfängen bis Chalcedon bzw. bis ins 7. Jh. in drei Teilen
(Bd. I und II/1 ganz, dazu Teile von Bd. II/2) auf rund 880 Seiten
beschrieben. Dem folgt Eugen Ewig mit Merowinger- und Karolingerzeit
(Bd. II/2 und III/1) mit rund 250 Seiten und schließlich - last
not least - H. G. Beck mit der byzantinischen Kirchengeschichte von
Chalcedon bis ins Zeitalter der Kreuzzüge in vier Abschnitten (Bd.
II/2, III/1-2) mit insgesamt etwa 160 Seiten Text. Das ist angesichts
des gewaltigen Stoffgebietes (und unabhängig vom Umfang) in jedem
Fall eine imponierende Leistung. Jeder der drei Autoren hat damit
einen Gesamtabriß seines Fachgebietes geliefert. Daß das Triumvirat
der drei ersten Bände ab Bd. IV (Reformation) ganz verschwindet,
zeigt, wie breit der Graben der Forschung zwischen älterer und neuerer
Kirchengeschichte bereits ist.

Freilich hat diese Art von Zusammenarbeit auch ihre Probleme,
die teilweise schon bei der Rezension der früheren Bände besprochen
worden sind, die aber gerade in Bd. II/2 besonders auffällig wiederkehren
. Hierhin gehört zunächst die Frage der Einordnung des vorliegenden
Halbbandes in den Rahmen des Gesamtwerkes, speziell also
die Frage von Antike und Mittelalter. Was ist an dem dargestellter.
Zeitraum noch antik? Wo beginnt das spezifisch Mittelalterliche'.'
Alle derartigen Fragen (sie entsprechen etwa der von P. E. Hübinger
in den Jahren 1968/69 herausgegebenen dreibändigen Diskussion!,
die man als Eingangskapitel erwarten müßte, bleiben überraschenderweise
in Bd. II/2 (ebenso in Bd. III/1) völlig unberührt, so daß der
Halbband in dieser Hinsicht ganz profillos bleibt, ein notwendiges
Zwischenstück zwischen Bd. II/l und III/1, mehr nicht. Vielleicht ist
für diesen Mangel nichts so bezeichnend wie das Fehlen jedweden
Vergleiches zwischen der Zwei-potestates-Lehre des Papstes Gelasins
(195ff) und der zwei-civitates-Lehre Augustins.

Hinzu tritt sodann das Problem der Koordination des Stoffes und
seiner Darstellung innerhalb von Bd. II/2 selbst, genauer: die Überschneidung
zwischen einem stark systematisch aufgebauten Gesamtkonzept
und einem Bearbeiterteam von mehreren, z. T. ganz verschieden
arbeitenden Gelehrten im einzelnen. Das hat im vorliegenden
Fall zu relativ zahlreichen Dissoziationen und Kollisionen
geführt, die nicht nur optisch unschön wirken, sondern auch die
handliche Brauchbarkeit des Bandes nicht unerheblich beeinträchtigen
. Um nur ein Beispiel herauszugreifen: Caesarius von Arles: Wie
ist dieser großartige Kirchenmann des 6. Jh. durch die Einteilung des
Bandes buchstäblich in Stücke zerrissen worden! Das Register, das
bei einem solchen Verfahren überhaupt zum Kompaß des Lesers
wird, notiert Caesarius an 23 Stellen, davon 5 Hauptstellen, nämlich:
Vikariat Arles (216f), Priesterausbildung (233ff), Predigt und Seelsorge
(249ff), Mönchsregeln (267ff) und semipelagianischer Streit
(300f), daneben unter folgenden Rubriken: Liturgisches, Taufe, Privatbeichte
, Krankensalbung, Reliquien, Bibellesen usw. Aber ein
Bild von der Persönlichkeit des Caesarius und ihrer exemplarischen
Bedeutung für die katholische Kirche unter germanischer Herrschaft
entsteht auf Grund der 23 Stellen nicht.

Weniger belangreich, dennoch nicht erfreulich sind die vielfachen Doppelinformationen
, die sich übrigens teilweise gegenseitig ergänzen. Über die Verfolgung
der afrikanischen Christenheit durch die („arianischen") Vandalen berichten
unabhängig voneinander E. Ewig (S. 138), K. Baus (S. 181 ff) und H. J.
Vogt (S. 2800 ; leider wird bei keinem der drei Autoren die arianische Theologie
des Königs Thrasamund (anläßlich der Begegnung mit Fulgentius von
Rüspe, 515) dargestellt. Über das Enkyklion des Basiliskos (476) und das Heno-
tikon des Kaisers Zenon (482) referieren im Zusammenhang der dogmatischen
Kämpfe des 5. Jh. sowohl H. G. Beck (S. 6fl) als auch K. Baus (S. 1930. Ebenso
wird auch die Friedensgesandtschaft des Papstes Hormisdas von 515 nach
Konstantinopel von Beck(S. 170 und Baus (S. 2020 geschildert, wobei sich übrigens
Baus ausdrücklich dagegen verwahrt, die Beendigung des akakianischen
Schismas v. J. 519 als „Pyrrhossieg" des Papstes zu bezeichnen, was wiederum
Beck (S. 17) ebenso ausdrücklich behauptet. Columbans kontinentale Wirksamkeit
wird (unter verschiedener Datierung) sowohl von Ewig (S. 113) als
auch von Baus (S. 2760 beschrieben, wobei Baus immerhin das Motiv der
Peregrinatio pro Christo hinzusetzt, welches bei Ewig unerwähnt bleibt. Besonders
zahlreich sind die Kollisionen zwangsläufig in den Abschnitten über die
Päpste (Baus Kap. 18 und 19) und über theologische Diskussionen und christliche
Literatur (H. J. Vogt, Kap. 22 und 23), weil sich der systematisierende
Grundriß des Werkes hier am stärksten auswirkt.

Unabhängig von den Koordinationsproblemen, die in einem
„Handbuch" freilich eine erhebliche Rolle spielen müssen, sind die
Einzelleistungen der verschiedenen Autoren zu beurteilen. Mit Abstand
der farbenreichste, um nicht zu sagen: fesselndste Teil des Bandes
ist auch diesmal (wie in Bd. III/1-2) die Darstellung der byzantinischen
Kirchengeschichte durch H. G. Beck. Was die Eleganz der
stilistischen Form betrifft, so schreibt Beck (auch Verfasser des
„Byzantinischen Jahrtausends", 1978) einen Stil, daß man in Versuchung
kommt, allein über Wortwahl und Phrasierung eine eigene
Studie anzufertigen (vgl. z. B. S. 9: das Henotikon als „Glissando
über Chalkedon" oder S. 53: die Heiligenviten seit Schenute, eine Literatur
, „deren überschwelliger Monophysitismus die konfessionellen
Gegensätze auf der Ebene der Mirakel austrägt" oder S. 69: die ,.fas-