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Ausgabe:

1981

Spalte:

492

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bruce, Frederick F.

Titel/Untertitel:

The time is fulfilled 1981

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 7

492

diesen Vorfall handelnden Kommentar" (17-22.23a.24c.25; 186).
Warum E. die Szene für historisch hält, wird ebensowenig begründet
wie die Annahme der Authentizität des Logions V. 25 (189f;
vgl. 203 f: Die Gemeinden hätten nicht nur deshalb so viele Erzählungen
über Jesus überliefert, weil diese eine Hilfe zur Lösung aktueller
Probleme anboten, „sondern auch deshalb, weil sie eben von Jesus
stammten"). Der Text sage auf seiner ursprünglichen Stufe, „daß der
Reichtum die Nachfolge Jesu in der Form der Besitzlosigkeit hindern
kann" (190), was m. E. allerdings eine etwas banale Feststellung ist.
Vom Evangelisten stammten V. 17a und V. 24.26 (im Motiv des Erschreckens
stecke das Messiasgeheimnis [191], außerdem solle der
Leser zum erschreckten Nachdenken kommen [205]). Auch
V. 26f.29f sowie die Anfügung von V. 31 seien auf Mk zurückzuführen
. Mk wolle anhand der traditionellen Erzählung von der gescheiterten
Berufung zeigen, daß menschliches Tun nicht retten könne.
Aber: „Obwohl menschliches Tun kein Heil schafft, ist das Verlassen
der Jünger sinnvoll, denn es geschieht, um in bedrängter Zeit dem
Evangelium zu dienen" (194). ,

In 2.7 (195-207) behandelt E. die Kommunikationsstruktur des
Textes nach dem Sender-Empfänger-Modell, wobei er wieder nicht
berücksichtigt, daß nicht von Jesus, sondern von dem reichen Mann
die Initiative ausgeht.

Am Ende des zweiten Kap. fragt E. nach dem Sinn des Textes
(208-224) und nach seiner heutigen Bedeutung (225-236). Bei der
Zusammenfassung der Beobachtungen gewinnt man freilich nicht
den Eindruck, daß diese Ergebnisse nicht auch ohne die linguistischen
Analysen hätten Zustandekommen können. E. interpretiert den
Text auffällig individualisierend; selbst die scharfen Worte über die
Reichen (V. 23.25) seien nicht grundsätzlich, sondern lediglich als
situationsgemäßer Kommentar Jesu angesichts der soeben mit dem
Reichen gemachten Erfahrung zu verstehen (217). Die aktuelle Auslegung
zeigt dann das eigentliche Ziel der Exegese, nämlich den Versuch
, nachzuweisen, daß es in der Kirche nebeneinander Nachfolge
als Besitzverzicht (Mönchsorden) und ein „normales" Christsein
geben könne und müsse.

Konsequenterweise zeigt E. im dritten Kap. die Relevanz der Peri-
kope für Franz v. Assisi, der sich mit dem reichen Mann identifizierte
(238). Die Forderung von V. 21 sei für ihn die zentrale Aussage des
Evangeliums gewesen („Evangelium" verstanden als Handlungsanweisung
, 278), während andererseits die kritischen Worte über den
Reichtum von ihm niemals zitiert worden seien (interessant ist hier
die Rekonstruktion „echter" Franziskus-Worte, die methodisch der
Frage nach „echten" Jesus-Worten entspricht [248-260]). Dieses
Kap. schließt mit einer instruktiven Darstellung des Bibelverständnisses
des Franziskus (273-284).

M. E. hat E. gezeigt, daß die Exegese synoptischer Texte die synchrone
Analyse in der Tat stärker berücksichtigen muß; der jetzt vorliegende
Text einer Synoptiker-Perikope ist nicht allein als Ergebnis
einer Überlieferungsgeschichte, sondern auch als in sich verständliche
Sinneinheit anzusehen. Richtig scheint auch E.s Hinweis, daß
eine sprachliche Analyse, die die hist.-krit. Methode ausblendet, den
Charakter der Texte als Dokument einer bestimmten Zeit und Umwelt
nicht ernst nimmt (287f). M. E. hat E. sein Ziel, beide Methoden
zu verbinden, in der konkreten Exegese tatsächlich nicht erreicht. Die
Übertragung der einzelnen „Modelle" („Kommunikations-, Aktan-
tenmodell" usw.) auf den Text erfolgt nicht immernach eindeutig erkennbaren
Kriterien; die einzelnen methodischen Schritte stehen
nicht immer in einer logischen Verbindung. Vor allem aber scheint
mir E. seine eigenen Voraussetzungen nicht hinreichend zu reflektieren
. Für ihn steht im Grunde von Anfang an fest, daß der Text von
der Unterscheidung zweier möglicher Formen christlichen Lebens
ausgeht, des - modern gesprochen - „mönchischen" und des „weltlichen
". Indem E. die Spannungen innerhalb des Textes negiert oder
zumindest abschwächt, kann er ein schiedlich-friedliches Nebeneinander
beider Lebensformen in der Urkirche behaupten, während

doch tatsächlich alles daraufhindeutet, daß es hier offenbar durchaus
erhebliche Konflikte gegeben hat.

Bethel Andreas Lindemann

Bruce, F. F.: The Time is Fulfilled. Five Aspects of the Fulfilment of
the Old Testament in the New. The Moore College Lectures,
1977.Exeter: Paternoster Press 1978. 128 S. 8* Kart. £ 1.90.

Das Buch gibt die Moore College Lectures wieder, die der Vf. im
September 1977 in Sydney hielt. In fünf Kapiteln wird wichtigen Bereichen
der Frage nachgegangen, wie sich alttestamentliches Erwarten
in der neutestamentlichen Erfahrung erfüllt. Die Kapitel sind je
unter ein neutestamentliches Schlüsselwort gestellt, das zentral für
die behandelte Frage ist. Zugleich ist damit jeweils der Bereich des
Neuen Testaments angezeigt, auf den der Vf. insbesondere den Blick
richtet. Es handelt sich dabei um die Jesus-Überlieferung (Mk 1,15),
Johannes (Joh 5,39), Paulus (Rom 4,1), Hebräerbrief (Hebr 10,1) und
Apokalypse (Apk 19,10). Indessen konzentriert sich B. nur auf den jeweiligen
Bereich, zeigt aber zugleich, wie er eingebettet ist in das breitere
Gefüge neutestamentlichen Denkens. Und auch die hinführenden
Linien frühjüdischer Theologie werden zumindest angedeutet.

So entfaltet der Vf. in klarer, konzentrierter Linienführung einige
wesentliche Aspekte der neutestamentlichen Theologie. Dabei wird
überzeugend deutlich, wie unlöslich diese Aussagen des Neuen Testaments
auf das Alte Testament bezogen sind, nicht etwa nur formal,
sondern inhaltlich. Ihr eigentlicher Gehalt besteht gerade darin, daß
sie den Bezug auf das Alte Testament darstellen. Eine gewisse Ausnahme
davon macht nur das letzte Kapitel „The Spirit of Prophecy",
in dem aber dafür die Bedingung des Bezuges neutestamentlicher
Glaubensaussagen auf das Alte Testament zur Sprache kommt.

Die Ausführungen des Vf. sind in allen Teilen exegetisch-theologisch
voll verantwortet. Zugleich sind sie von einem starken
persönlichen Engagement des Glaubens getragen. Auch wenn die
Auseinandersetzung mit bestimmten allegorisierenden Interpretationen
des alttestamentlichen Opferkultes für viele Leser vielleicht ohne
Aktualität ist, macht doch diese spürbare Beteiligung des Vf. einen
besonderen Reiz des Buches aus. Man liest das vorzüglich ausgestattete
Werk in jeder Hinsicht mit Gewinn.

Halle (Saale) Traugott Holtz

Gourgues, M[ichel]: A la droite de Dieu. Resurrection de Jesus et
actualisation du Psaume 110:1 dans le Nouveau Testament. Paris:
Gabalda 1978. 270 S. gr. 8- = Emdes Bibliques.

The opening verse of Ps. 110 has had a profound influence upon
the Christology of the primitive church. It is quoted or alluded to in
all the major writings of the New Testament. There are two features
which immediately attract attention. Firstly, the address: "The Lord
said to my lord ..." This may not be the origin of the application of
the Kyrios title to Jesus, for there were probably several factors at
work, but its implications were undoubtedly enlarged and extended
by this verse. Jesus, who may have been called mari ("my lord", a
simple title of respect for a teacher) as well as rabbi (which means the
same thing) during his ministry, continued to be referred to as "our
Lord" (cf. maranatha, I Cor. 16,22). In the primitive baptismal con-
fession of faith, Kyrios Iesous (Jesus is Lord), it clearly denotes a hea-
venly Status; it has become a christological title. Secondly, the mes-
sage: "Sit at my right hand". This exprcsses in mythological language
the relationship of the one addressed to God. From the earliest days of
Christianity, this phrase was used to describe the meaning of the resurrection
of Jesus. The Risen One is the one who sits at God's right
hand. The language is mythological, but it can be accepted as meta-
phor without crude anthropomorphism, and retains its value today.
Sedet ad dexteram Palris.