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Ausgabe:

1981

Spalte:

483-485

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Ros Garmendia, Santos

Titel/Untertitel:

La Pascua en el Antiguo Testamento 1981

Rezensent:

Gerstenberger, Erhard S.

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 7

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sehen Vorträge mit ihrer stärkeren Betonung des Fluches und ihren
Substitutionsriten.

Part U, The Old Testament (Kap. 9-13; 155-298) behandelt Texte
des Alten Testaments, die dem altorientalischen Vertragsgenre Vergleichbares
enthalten: Das Deuteronomium mit seinem Kern und
seinem Rahmen, 1 Sam 12 und Jos 24 - Texte, die als prädeuterono-
misch einzustufen seien - sowie die Berichte über das Sinaiereignis.
Das Ergebnis läßt sich in folgender Weise zusammenfassen: In der Sinaitradition
bezeugen bereits die ältesten Schichten einen Bund.
Doch ist er nicht in der Vertragsform konzipiert, sondern er ist eine
Art „Verwandtschaftsbeziehung" zwischen Gott und Volk
(Ex 24,1.9-11), die auf symbolischen Riten basiert. Die Emphase auf
dem kultischen Element bestimmt die weitere Entfaltung der Tradition
des Sinaibundes. Prädeuteronomische Bundestexte (Ex 19,3b—8;
Jos 24; 1 Sam 12) sind von theologischer Reflexion geprägt, doch
bleibt die kultische Verwurzelung. Sie haben Züge mit den Verträgen
gemeinsam - Paränese auf der Basis von Geschichtserfahrung, Fluch
und Segen -, aber eine Adoption der Vertragsstruktur ist nicht festzustellen
. Erst das Urdeuteronomium gibt der Bundesidee in der Form
eines Vertrages vollen Ausdruck. Die Vertragsanalogie für die Beziehung
zwischen Jahwe und Israel ist so die Blüte einer Entwicklung,
nicht eine Wurzel, aus der die Bundesideen herauswachsen (vgl. 293).

Zum Schluß sei eine kritische Stellungnahme versucht. Man wird
dem Vf. darin folgen können, daß nachweisbare Analogien zwischen
dem Urdeuteronomium und auch noch jüngeren Texten und den
Verträgen bestehen, welche die Vertrautheit Israels mit solchen Verträgen
zur Voraussetzung haben. Vielleicht gab es noch frühere Ansätze
zur Übernahme der Vertragsstruktur; ob allerdings die hierfür
geltend gemachten Texte Ex 19,3b—8, Jos 24 und 1 Sam 12 noch prä-
deuteronomisch sind, bleibt dem Rez. zweifelhaft. Folgen kann man
McC. auch darin, daß bereits vor der Entfaltung der Vertragsanalogie
eine Bundestheologie, d. h. die Übertragung der Berit-Vorstellung auf
Jahwe, in Israel vorhanden war. Läßt sie sich aber wirklich schon in
den ältesten Sinaitraditionen belegen? Kann man die Herstellung
einer Gemeinschaft zwischen Gott und Volk, wie sie etwa in
Ex 24,1.9-11 berichtet wird - das Wort „b'rit" fällt da wohlgemerkt
nicht! - als einen Bundesschluß definieren? Das auslösende Element
am Sinai ist ja die Theophanie: Gott zeigt sich und bewegt die Menschen
, ihn zu verehren. Solches findet sich auch in anderen Religionen
, und doch sind wir nicht geneigt, sie aus dem Bundesgedanken
herzuleiten. Bund bedeutet m. E. eine Verpflichtung; nimmt Gott sie
auf sich, dann meint sie die feste Verbürgung Gottes, zu seinen Verheißungen
zu stehen. Das wird besonders an Gen 15 deutlich, einem
Text, den McC. nicht genügend heranzieht. M. E. ist die Entfaltung
der Bundestheologie in einem viel kürzeren Zeitraum erfolgt, als der
Vf. annimmt. Am Anfang stand, auf der Basis der im westsemitischen
Bereich geübten Riten beim Vertragsschluß, die Übertragung der
Bundesverpflichtung auf Jahwe, um die Unverbrüchlichkeit der Verheißungen
zu veranschaulichen (Gen 15). Das wird im 8. Jh. erfolgt
sein.1 Erst darauf - im 7. Jh. - geschah die Interpretation des Sinaiereignisses
im Sinne einer b'rit, um die Bindung Israels an seinen Gott
anschaulich zu machen sowie die Aufnahme von Strukturen der für
Israel bedeutsamen assyrischen Vasallenverträge, um die Gehorsamsforderung
Gottes besser artikulieren zu können.

Berlin Ludwig Wächter

1 Vgl. hierzu den Artikel des Rezensenten: Die Übertragung der Beritvorstellung
auf Jahwe (ThLZ 99,1974 Sp. 801-815).

Ros Garmendia, Santos: La Pascua en el Antiguo Testamento. Estu-
dio de los textos pascuales del Antiguo Testamento a la luz de la
critica literaria y de la historia de la tradicion. Vitoria: Editorial
Eset 1978. XLIII, 322 S. gr. 8' = Biblica Victoriensia, 3.

Aus vielerlei Gründen lohnt das Studium der alttestamentlichen
Frühjahrsfeste, nicht zuletzt deswegen, weil unser Osterfest dort seine
Wurzeln hat. Nach einer Reihe von großangelegten, neueren Monographien
zum Thema (u. a. von J. B. Segal, P. Laaf, H. Haag, J. Henninger
, E. Otto; wichtige Aufsätze liegen vor z. B. von E. Kutsch und
J. Halbe) erscheint nun eine Studie in spanischer Sprache.

Es handelt sich um eine gekürzte Fassung der 1973 von Santos Ros
Garmendia der katholisch-theologischen Fakultät in Vitoria, Nordspanien
vorgelegten und in die ebendort herauskommende Reihe
biblischer Monographien aufgenommenen Doktordissertation. Der
bekannte Alttestamentler Andres Ibänez Arana hat die Arbeit betreut
, sie als bischöflicher Gutachter empfohlen und als Herausgeber
der Reihe zur Veröffentlichung gebracht.

Die Studie gliedert sich in drei Teile, die sich umfangmäßig etwa
wie 5:4:1 verhalten;'ein ausführliches Literaturverzeichnis (Stand
1976) und Bibelstellen- sowie Autorenregister ergänzen den Band. Im
ersten Teil untersucht der Autor in gründlicher Kleinarbeit alle relevanten
Passa-Texte des Alten Testaments, u. zw. in der Reihenfolge
der biblischen Schriften und unter streng literarkritischem Gesichtswinkel
. Ziel ist, jede Aussage ihrem wirklichen zeitgeschichtlichen
und theologischen Ort zuzuweisen. Der zweite Teil soll traditionsgeschichtliche
Fragen klären: Benennung, Ausgestaltung, Durchführung
, personelle Besetzung des Passaritus in den verschiedenen Perioden
sind die Forschungsgegenstände. Und zum Schluß will der Autor
noch einmal kurz darstellen, welche Entwicklung die Passa-Mazzot-
Begehungen von der nomadischen Frühzeit Israels bis in die späte
nachexilische Epoche hinein genommen haben.

Der literarkritische erste Teil wirkt ein wenig monoton. Doch tragen
seine Ergebnisse das folgende Geschichtsmodell. Denn sp sehr
Ros Garmendia auch den Mangel an direkten Zeugnissen aus der vor-
deuteronomischen Zeit beklagt, so bestimmt will er aus den zahlreicheren
jüngeren Texten die älteren Überlieferungen heraushören,
z. B. die in der priesterschriftlichen Fassung von Ex 12 bewahrten
nomadischen Traditionen. So ergeben sich durch vorsichtigen Rückschluß
und aufgrund von modernen Analogien aus der arabischen
Welt einige klar erkennbare Entwicklungsstadien des Passa-Mazzot-
Festes. Das ursprünglich nomadische (und vormosaische) Passa war
vom bäuerlichen Mazzotfest noch völlig unberührt. Es stellte in seinem
Kern eine apotropäische Zeremonie der Sippe dar, die sich beim
Anbruch des Frühjahres (Wurfzeit der Schafe; Weidewechsel; Neujahrsfest
) der Dämonen erwehren und des Schutzes Gottes vergewissern
wollte. Schlachtung eines Schafes, Blutritus und Gemeinschaftsmahl
gehören wohl schon in jene Urzeit des Passa.

Mit dem Auftreten des mosaischen Jahweglaubens erfährt das jahreszeitliche
Hirtenfest eine historische Begründung und Umorientie-
rung. Die Israeliten verbinden die Frühjahrsbegehung mit der Auszugserfahrung
. Hier sei die Frage gestattet: Wie ist dieser Vorgang soziologisch
denkbar? Das Passa war eine reine Sippenzeremonie. Die
Rettung derer, die „aus dem Sklavenhaus" Ägypten entwichen
waren, wurde sofort zu einer „gesamtisraelitischen" Glaubensaussage
. Und die schon von A. Alt geäußerte Vermutung, daß Familien-
(Väter-)religion und Glaube Israels in der Anfangszeit nebeneinander
herliefen ohne sich zu durchdringen, gewinnt heute immer mehr an
Wahrscheinlichkeit (vgl. die Studien von H. Vorländer, Mein Gott,
Neukirchen/Kevelaer 1975; R. Albertz, Persönliche Frömmigkeit
und offizielle Religion, Stuttgart 1978). Wie also soll die Historisierung
und Nationalisierung des Familienpassa vonstatten gegangen
sein? Die Frage ist um so berechtigter, als unser Autor erst den
Deuteronomiker die revolutionäre Verwandlung des Passa in ein
Volksfest am Reichstempel vollziehen läßt (a. a. O.
86. 95. 169. 235. 275ff). Hier liegt ohne Zweifel ein Hauptakzent der
Arbeit Garmendias. Können Historisierung und Zentralisierung des
Passa jedoch so weit auseinanderklaffen? In der tempellosen
, schrecklichen Zeit des Exils ist es dann schon wieder aus mit dem
zentralen Wallfahrtsfest. Theologen und Kirchenführer jener Zeit
müssen der Familie ihr „Fest" notgedrungen zurückgeben, so exem-