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Ausgabe:

1981

Spalte:

480-481

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Braulik, Georg

Titel/Untertitel:

Psalm 40 und der Gottesknecht 1981

Rezensent:

Seidel, Hans

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479

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 7

480

Hand. Andererseits sind die Texte im Rahmen bestimmter Geschehnisse
geschrieben und entstanden, so daß sich in ihnen zahllose Reflexe
verschiedener geschichtlicher Fakten befinden, die für die Darstellung
der Geschichte ausgewertet werden müssen: Oft ist das Alte Testament
schließlich die einzige Quelle, die zur Verfügung steht. Eine
Geschichte Israels muß so weit wie möglich im Rahmen der Geschichte
des alten Vorderen Orient abgehandelt werden; so sind natürlich
entsprechende Quellen, vor allem schriftlicher Art, zu nutzen,
aber auch bestimmte Ergebnisse archäologischer Untersuchungen.
Letztere sind allerdings mit größtmöglicher Vorsicht zu handhaben,
da sie „noch immer einen sehr subjektiven und intuitiven Charakter
haben" (20). Vor allem soll aber „auch großer Nachdruck auf politische
, soziale und ökonomische Probleme und Strukturen gelegt werden
", die „immer wieder von allergrößter Bedeutung für die historische
und religiöse Entwicklung in Israel und Juda" (14) sind. Insgesamt
will Vf. im Laufe seiner Darstellung deutlich machen, daß es
hier nicht um die Geschichte eines Volkes geht, sondern um die von
wenigstens zwei Völkern, nämlich Juda und Israel.

Diese Geschichte wird nun in siebzehn weiteren Kapiteln dargestellt
; sie reicht von den Erzvätern bis zum Ende der Vorherrschaft
Persiens ca. 330 v. Chr. und ist entsprechend den üblichen Periodisie-
rungen eingeteilt. Eingestreut in die Darstellung sind drei Intermezzi
zu speziellen Problemen: Apiru und Hebräer, die Stämme Israels und
Chronologie der Könige von Israel und Juda. Am Schluß des Buches
folgen noch Zeittabellen und Register, außerdem sind zwölf schwarz-
weiße Abbildungen, darunter fünf Karten, und acht Farbtafeln beigegeben
.

Wegen des begrenzt zur Verfügung stehenden Raumes und der Fülle
des Stoffes muß Vf. natürlich Schwerpunkte setzen. Er tut es u. a.
dadurch, daß er die Darstellung in den einzelnen Kapiteln sehr stark,
jedoch geschickt durch Zwischentitel nach Problemen gliedert und
dazu umfangreiche Literatur aus allen die Niederlande umgebenden
Sprachgebieten anführt, die jeweils die verschiedenen Standpunkte
wiedergeben. So ist dieses Buch weniger ein großer literarisch-ästhetischer
Entwurf einer Geschichte Israels (und Judas), man könnte es
vielmehr eher als eine Geschichte der Probleme der Geschichte Israels
bezeichnen mit ausgesprochen sympathischen pädagogischen
Zügen.

In der Darstellung selbst ist die Verwendung des Bibeltextes, insbesondere
bei der Königszeit, ausgesprochen traditionell, obwohl Vf.
die neuere und neueste literarkritische, traditions- und überlieferungsgeschichtliche
Literatur zur Sache zitiert. Die Amphiktyonie-
These für die Richterzeit wird kritisiert, ohne daß ein anderes Erklärungsmodell
an deren Stelle tritt. An der Vorstellung eines mehr charismatischen
oder gar „demokratischen" Hintergrundes für das Königtum
im Nordreich wird festgehalten. Esra hat vor Nehemia in Jerusalem
gewirkt.

Zuletzt seien dem Rez. auch einige kritische Bemerkungen gestattet
. Gerade wegen der umfangreich angeführten Literatur fällt das
Fehlen einiger wichtiger Arbeiten auf, z. B. vor allem der Könige-
Kommentar (ATD) von E. Würthwein, 1976. Trotz seiner eigenen
Warnung (s. o.) ist Vf. unsicher in der Verwendung und Beurteilung
archäologischer Ergebnisse. Das betrifft (ganz summarisch) sowohl
das Problem der Ansiedlung israelitischer Gruppen (J. 93,109: in
Städtchen!?) in Galiläa und sonstwo (übrigens: die Identifizierung
von Debir ist mit Khirbet Rabüd, so schon K. Galling 1954, jetzt
sicher: M. Kochavi, Tel Aviv 1, 1974, 2-33), die Charakterisierung
der Richterzeit (1130, die Bemerkungen zum Krongut der Könige in
Samaria (196), zu den assyrischen Feldzügen z. Zt. Hiskias (2290, als
auch zum Tempel und zur Geschichte von Arad (167, 236; vgl. V.
Fritz, Tempel und Zelt, 1977), was hier vor allem die schwierigen
Probleme der Kultzentralisation und der Geschichte Judas im 7. Jh.
betrifft. Wenn in den Abschnitten über die jeweilige soziale und wirtschaftliche
Situation im Lande oftmals so wenig Konkretes gesagt
werden kann, dann zeigt das nur, wie wenig wir darüber noch wissen.
- Auf S. 86, Anm. 10 sowie im Register muß O. Eckart in E. Otto

geändert werden. Mehr verwirrend als hilfreich ist die teils ungenaue,
teils fehlerhafte Beschriftung aller fünf Karten. Das Ostrakon aus
Lachisch, Abb. 5, steht Kopf. Dies alles ändert jedoch nichts an
der Tatsache, daß das Erscheinen dieses Buches sehr zu begrüßen ist.
Marburg Diethelm Conrad

Braulik, Georg: Psalm 40 und der Gottesknecht. Würzburg: Echter
Verlag 1975. XVII, 337 S., 3 Falttabellen gr. 8" = Forschung zur
Bibel, 18. DM 48,-.

Die vorliegende Arbeit (Habilitationsschrift, Wien 1975) reiht sich
in die in den letzten Jahren häufiger zu beobachtenden Darstellungen
einzelner Psalmen ein.' Ps40 scheint nicht nur von seiner literarischen
Problematik her eine Einzeluntersuchung zu rechtfertigen,
sondern bietet über das Alte Testament hinaus interessante Aspekte
zur Wirkungsgeschichte eines Psalms.

In einer kurzen Geschichte der Exegese des Ps 40 versucht der Vf.,
die Wurzeln gegenwärtiger Auslegungsproblematik aufzudecken und
das „Problembewußtsein zu sensibilisieren", ohne jedoch „im Bannkreis
historisch gewachsener Diskussionsproblematik" zu bleiben.
Als besonders strittige und ergiebige Ansatzpunkte erweisen sich die
Opferpolemik von v. 7-9 und die Frage der Einheitlichkeit des Gesamtpsalms
und seiner Teile.

Auf Grund der textkritischen Untersuchung entscheidet sich der
Vf. für den unveränderten Text der BHS. Streichungen und Änderungen
z. B. bei Kraus werden abgelehnt, da es sich nicht um „textliche
Verwilderungen, sondern um stilistisch gezielten Gebrauch
bzw. um redaktionskritisch zu bewertende Eingriffe in einen vorgegebenen
Text handelt" (32). Ebenso werden Bemühungen abgelehnt,
Ps 40,14-18 und Ps 70 „einander anzugleichen und einen metrisch
glatten, von schwierigen Ausdrücken gereinigten Text zu erhalten."
(330-

Die literarkritische Analyse beschränkt sich auf v. 13. Unter Verweis
auf eine Beweisführung in späteren Kapiteln wird konstatiert,
daß v. 13 eine redaktionelle Klammer zwischen den ursprünglich
selbständigen Psalmen 40,2-12 und 40,14-18 (= Ps 70) sei.

Unter dieser Voraussetzung untersucht der Vf. ins Detail gehend
die poetische Struktur beider Texte und setzt sich kritisch mit der
Gattungsbestimmung bei Gunkel, Westennann und vor allem Crüse-
mann auseinander. Ps 40A zeige eine deutliche Beeinflussung durch
Texte Deuterojesajas und deuteronomistisches Gedankengut, sei
durch hervorragende stilistische Qualitäten und eigenständige theologische
Bewältigung individueller Problematik, sowie durch ein hohes
Sendungsbewußtsein des Verfassers ausgezeichnet. Bei Ps 70 wird die
deutliche Formelverbindung zu Ps 35 hervorgehoben und den Aussagen
über die Feinde und Jahweanhänger in 40,15-17 ein eigenes Kapitel
gewidmet. Nach Untersuchung der kleinen Einheiten Ps40A
und 40B geht der Vf. auf die Redaktion des Ps 40 ein. Die Verklam-
merungstechniken des Redaktors und seine theologische Interpretationsarbeit
werden präzisiert, z. B. lasse sich ein kerygmatisches Gefälle
von Ps 40A zu Ps 40 feststellen.

Im vorletzten Kapitel versucht der Vf., den historischen Ort der
Ps 40A, 70 und 40 zu umschreiben. Ps 40A wird zwischen 530-515
v. Chr. angesetzt und einem Autor aus Kreisen berufsmäßiger Dichter
des Kultperspnals zugeordnet. Er wende sich an jene Jahwetreuen,
die „Armen", die auch die Adressaten der Verkündigung Tritojesajas
seien (z. B. Jes 66,5). Bei Ps 70 ist die Ortsbestimmung schwieriger,
aber wegen der Abhängigkeit von Ps 35, seines anthologischen Charakters
, der Auflösung der Gattung, der Feindbezeichnung und der
Stellung von v. 6 zwischen 7,10 und Dan 9,19 ergebe sich die früh-
nachexilische Datierung. So rücken für den Vf. die Entstehung von
Ps 40A, Ps 70 und die Redaktion von Ps 40 eng zusammen und werden
vor 515 v. Chr. angesetzt.

Im Schlußabschnitt geht der Vf. auf die Interpretation von
Ps 40,7-9a in Hebr 10,4-10 ein und schließt das Buch mit drei Beilagen
, die" den hebräischen Text in Umschrift und Angaben zum Me-