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Ausgabe:

1981

Spalte:

23-25

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schmid, Hans Heinrich

Titel/Untertitel:

Der sogenannte Jahwist 1981

Rezensent:

Wallis, Gerhard

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Theologische Lileraturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. I

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Josephs- und Mosegeschichten ist nur Israel "betöre the formation ot
the Pentateuch as a coherent w hole" (166).

Zu noch rigoroserer Konsequenz führt ein weiteres Argument.
Ihrer Gattung nach gehören die Pentateuch-Erzählungen. so meint
Th.. grundsätzlich nicht zu den historisch auswertbaren Texten. Sie
sind symbolisch, ätiologisch oder mythisch geprägt, sind also im Bereich
der dichterischen Erfindung beheimatet. Der Versuch, durch
Einführung einer Gattung 'Stammessage' den geschichtlichen Aussagewert
der Pentateuch-Erzählungen /u sichern, wird in Auseinandersetzung
besonders mit S. Hertmann (Israels Aufenthalt in Agvp-
ten. Stuttgart 1970) strikt abgelehnt. Über den historischen Mose und
Jahwe ist nicht mehr bekannt, "than about the historical Tammuz.
and Ishtar", und unsere Kenntnis von der 'Wüstenwanderung" unterscheidet
sich in ihrer Qualität nicht von unserem Wissen über die
Reisen des Odysseus (1 77).

Im einzelnen bemüht sich Dorothy Irvin in ihrem die Manen der
Gebrüder Grimm beschwörenden Beitrag "The Joseph and Moses
stories as narrative in the light of ancient Near Eastern narrative"
(180-209), die Wertlosigkeit dieser Erzählungen für den Historiker
einsichtig zu machen. Dies geschieht durch den Hinweis auf die Verwandtschaft
der in ihnen verarbeiteten volkstümlichen Sagen- und
Märchenmotive mit entsprechenden Elementen in den Werken der
altvorderasiatischen Erzählkunst aus voralttestamentlicher Zeit.
Schließlich vereinen Th. L. Thompson und D. Irv in ihre Warnungen
in dem gemeinsam verfaßten Abschnitt "The narratives about the
origin of Israel" (210-212) und versichern, daß es nicht möglich sei,
über die Herkunft Israels historisch zuverlässige Aussagen zu
machen. Eine Bestätigung ihres Urteils sehen sie in den widersprechenden
Angaben über Israels Herkunft in den alttestamentlichen
Überlieferungen selbst. Eine "kollektive Lösung' , d.h. ein Entstehen
Israels aus Elementen unterschiedlicher Herkunft schließen die beiden
Autoren zwar nicht aus; aber es gibt eben dafür keinen Beweis in
einwandfreien historischen Quellen. Bei dieser Gelegenheit werden
auch gleich die alttestamentlichen Nachrichten über die Zeit Davids
vom Studierpult des Historikers gefegt. Auch sie fallen unter das Verdikt
der gänzlichen Unbrauchbarkeit für eine Rekonstruktion der geschichtlichen
Vorgänge. Ihre "historiographical intentionality" ist
fragwürdig, ihre "historical relevance and accuraey unattested", ihre
literarische Gattung gehört nicht zu den historisch auswertbaren Gattungen
und das Leitmotiv ihres Aufbaus ist "fundamentally disrup-
tive of historical categories". Insgesamt sind also Davids- wie Josephs
- und Mosegeschichten "radically irrelevant as sources of
Israel's early history" (212).

Ob diese Auffassung so repräsentativ ist, daß sie in einem für weitere
Kreise von Benutzern bestimmten Handbuch als die allein wissenschaftlich
legitime vorgetragen werden kann, mag dahingestellt
bleiben. Jedenfalls sind interessante Debatten zwischen den Fachleuten
zu erwarten. Dergleichen mutig anzuregen, ist verdienstvoll und
verstärkt insofern noch den Dank der Fachwelt an Herausgeber und
Mitarbeiter für das vorliegende Werk, das selbstverständlich mit allen
Hilfsmitteln wie Kartenskizzen, Register und einer Zeittafel der israelitischen
und judäischen Könige, die natürlich erst mit Rehabeam
einsetzt, ausgestattet ist.

Berlin Karl-Heinz Bernhardt

Schmidt, Hans Heinrich: Der sogenannte Jahwist. Beobachtungen
und Fragen zur Pentateuchforschung. Zürich: Theologischer Verlag
1976. 194 S. 8°. sfr22.-.

Die von Reuss-Graf-Kuenen-Wellhausen begründete Theorie, daß
der Jahwist als die älteste unter den Pentateuchquellen anzusehen sei,
ist, obwohl sie sich bislang weitestgehend der Zustimmung erfreute,
durch die jüngere Forschung in ein neues Licht gerückt worden. Es ist
durchaus zu begrüßen, daß auf Grund inzwischen erlangter Einsichten
bisherige Standorte überprüft und auf ihre Tragfähigkeit hin untersucht
werden. Dies hat sich auch der Autor seiner Einleitung (9 bis
18) zufolge mit seinen „Beobachtungen und Fragen zur Pentateuchforschung
" zum Ziel gesetzt. Um sein Unternehmen richtig einschätzen
zu können, ist es ratsam, Arbeitsgang und Methode dieses Buches
darzustellen.

Der Autor konzentriert seine Beobachtungen auf ganz bestimmte
Komplexe des Pentateuch und hinterfragt dabei die Möglichkeit
einei Vnsctzung des Jahwisten in der davidisch-salomonischen Zeit,
in der diese Quelle heute weithin verankert wird. Zu den ausgewählten
Stollen zählen: „Die Berufung des Mose" (S. 19-43; Ex 3 im
Überblick und hinsichtlich ganz bestimmter Kernstellen), „Die ägyptischen
Plagen" (S. 44-53; Ex 7-10), „Der Durchzug durch das
Schilfmeer" (S. 54-60; Ex 14). „Beispiel aus der Wüstenwanderung"
(S. 61-82; Num II: 12; 21; Ex 15; 17), „Die Sinaiperikope" (S.
83-118; in der Reihenfolge Ex 32-34; 19; 24). „Die Verheißungen an
die Erzväter" (S. I 19-153; hauptsächlich (Jen 15). Es reihen sich an:
„Traditionsgeschichtliche Überlegungen" (154-166) und ein zusammenlassender
..Abschluß" (S. 167-183). Ein Index der behandelten
Bibelstellen (185) und das Literaturverzeichnis (186-194) schließen
die Darbietung ab.

Es ist nun sattsam bekannt, daß bei aller Anerkennung des gegenwärtigen
Standes der „Neuesten Urkundenhypothese" die Abgrenzung
der ein/einen Pentateuchquellen. insbesondere die Zuweisung
von Versen und Versteilen an eine derselben, noch eine Fülle von
Problemen aufgibt, die sicher nicht endgültig gelöst werden können.
Der Autor wählt, wie die kurze Inhaltsübersicht ergibt, hauptsächlich
Kapitel aus dem Buch Exodus (3; 7-10; 14; 15; 17; 19; 24; 32-34)aus
- darunter vornehmlich Stücke der Sinaiperikope, um seinen Standpunkt
zur Pentateuchfrage darzulegen und zu untermauern. Hinzu
kommen das auch sonst hinsichtlich der Quellenscheidung sehr umstrittene
Kapitel Gen 15, sowie Num II; 12; 21. Es ist auch kein Geheimnis
mehr, daß die literarkritische und die traditionsgeschichtliche
Lage des Buches Numeri sich anders ausnimmt als die des Buches
Genesis und des Buches Exodus. Es ist durchaus verdienstvoll,
daß der Autor auf diesen wunden Punkt der Pentateuchforschung
wieder den Finger legt. Solche Schwächen der Pentateuchkritik sind
mit unterschiedlicher Zielstellung ja schon des öfteren herausgestellt
worden, sei es. daß diese ganz in Abrede gestellt werden sollte, sei es,
daß eine besondere Quelle angezweifelt wurde.

Der Autor bedient sich zu seiner Untersuchung des Jahwisten einer
speziellen Methode. Er bemüht sich zunächst, ein relatives Verhältnis
der ausgewählten Stücke dieser Quelle zu der übrigen Literatur
des Alten Testaments, den Prophetenbüchern und den Büchern des
sog. deuteronomistischen Geschichtswerks herzustellen, um dann die
Erkenntnis zu zeitigen, daß Wortgebrauch, Stilelemente oder Wendungen
wie überhaupt literarische Genres des Jahwisten in der prophetischen
, vor allem aber in der deuteronomisch-deuteronomisti-
schen Literatur ihre Gegenstücke haben, die Vf. gerade dort
für typisch hält. Die Schlußfolgerung liegt damit klar auf der Hand:
Der Jahwist gehört „in die Nähe der deuteronomisch-deuteronomi-
Stischen Traditionsbildung und literarischen Arbeit" (167), zumal
eine tragfähige Brücke zwischen einem Jahwisten aus der frühen
Königszeit und der deuteronomisch-deuteronomistischen Literatur
eben nicht nachzuweisen und somit eine so frühe Entstehungszeit
des Jahwisten unwahrscheinlich wird. Damit ist dann zugleich
eine absolute Chronologie und d. h. späte Ansetzung des Jahwisten
gegeben.

Diese Methode wird konstant durchgehalten, bisweilen nur mit
recht pauschalen Einschätzungen unterbaut. Die Spezialliteratur
wird in entsprechender Auswahl herangezogen, so daß ein durchaus
abgerundetes Bild von der späten Entstehung des Jahwisten gezeichnet
wird.

Der Rez. vermag sich diesem Ergebnis leider nicht recht anzuschließen
, da hier nicht mit voller Konsequenz gearbeitet wird. Dazu
müßte der gesamte Jahwist herangezogen werden und nicht nur eine
Auswahl von überdies umstrittenen Stellen und auch nicht der Jahwist
allein, sondern ebenso der Elohist (s. S. 169). Einzelurteile können
an dieser Stelle nicht gewürdigt werden. Das schwerwiegende
Problem aber bildet die Tatsache, daß die „deuteronomisch-deutero-
nomistische Literatur" als Maßstab lür zeitliche Ansetzungen und
sachliche und stilistische Einordnungen gewählt wird, als sei diese
Größe hinsichtlich ihrer Entstehung, ihres Wesens und ihrer Struktur
eine so unangefochtene Grundlage der Untersuchung. So bewegt sich
der Autor recht unkritisch auf der häufig zu beobachtenden pandeu-
teronomistischen Woge, ohne diese Grundlage in der gleichen Weise
zu hinterfragen wie den Jahwisten. Einen Versuch auf diesem Gebiet
hat unlängst Waltraut Schulz mit ihrer Tübinger Dissertation: „Stil-