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Ausgabe:

1981

Spalte:

437-438

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Opera inedita historiam XXII sessionis Concilii Basiliensis respicientia 1981

Rezensent:

Denzler, Georg

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 6

438

sammenfassung" beschlossen, aus dem hier nur weniges referiert sei.
Nach N. hat die Theologie die Konzeption Piatons übernommen,
>,um die dingliche Welt und den transzendenten Gott einerseits in
ihrer Gegensätzlichkeit erkennen zu können, ohne andererseits die
Verschiedenheiten dualistisch zu zerreißen". Biblisch entspreche
dem das Verhältnis von Schöpfer und Geschöpf. - Die von der westlichen
Denkungsart als befremdlich empfundene Rede von der Vergöttlichung
oder gar Vergottung des Menschen mit der Gefahr einer
die geschöpfliche Eigenständigkeit aufhebenden Divinisierung (besonders
auffällig bei Hippolyt und Gregor v. Nazianz) könne jedoch
»richtig verstanden" werden im Sinne dessen, daß das Geschenk der
göttlichen'Gnade wahrhaft Anteil an Gottes eigenem Leben gebe. -
Als Schwerpunkte der Frage nach der Teilhabe des Menschen an
Gott ergeben sich neben vielem anderen in der Vätertheologie: der
Gedankenkreis der Gotteserkenntnis; sodann das sog. „Mirabile
Commercium", der seit Irenäus in ungezählten Varianten vorliegende
Tauschgedanke, der als eine Erweiterung von 2 Petr 1,4 angesehen
werden könne; weiter - hinsichtlich der anthropologischen
Seite - der Lebensvollzug auf Gott hin, wie er dann bei Augustin in
der Formulierung „nam fecisti nos ad te" klassisch ausgedrückt ist;
ferner die Interpretation von Gen 1,26f, um die sich die Kirchenväter
fast regelmäßig mühen; endlich der Gedanke an die Unvergänglich-
keit („nichts dürfte ... so sehr .Teilhabe an der göttlichen Natur' im
Sinne von 2 Petr 1,4 sein wie die Teilhabe an der Unvergänglichkeit
Gottes"), und als eines der ältesten Bilder einer göttlich-
menschlichen Gemeinschaft die Teilhabe am gemeinsamen Mahl.

Man kann sich bei der Lektüre der Arbeit, die viele interessante Erkenntnisse
und Gesichtspunkte darbietet und einen spezifischen Zugang
zur Vätertheologie eröffnen will, eines gewissen Unbehagens
hinsichtlich der vom Vf. gehandhabten induktiven Methode nicht erwehren
, und man fragt sich am Schluß des Buches, ob es nicht als
ganzes in seiner weithin beschreibenden, historisch-kritisch vielfach
nicht voll befriedigenden Darstellung und in manchen unscharfen
Formulierungen an dem partizipiert, was N. im Blick auf den
Teilhabe-Begriff - wohl mit Recht - feststellt: er entzieht sich einer
streng fixierenden Bestimmung, ja ist im Grunde ein verschwommener
Begriff. - Ein sehr knapp gehaltenes Verzeichnis der wichtigeren
Literatur (16 Titel), ein Abkürzungsverzeichnis und ein in Auswahl
gehaltenes Stellenregister beschließen das Buch, dem man methodisch
mehr kritisches Profil gewünscht hätte. Druckfehler sind dem
Rez. nur wenige aufgefallen.

Greifswald Hans-Günter Leder

Opera inedita historiam XXII sessionis Concilii Basiliensis respicien-
tia: Augustini de Roma, Contra quosdam errores haereticorum, et
Defensorium sacramenti unitatis Christi et ecclesiae, atque Henrici
Kalteisen, Propositiones in condemnatione libelli Augustini de
Romae. Ed. Willigis Eckermann. Romae: Augustinianum
1978. X,218 S. 8' = Corpus scriptorum Augustinianorum, VI.

Das Konzil von Basel hat in seiner 22. Sitzung am 15. Oktober
1435 den früheren General der Augustinereremiten u. Erzbischof von
Nazareth (Apulien), Augustinus Favaroni (1360-1443), auch als
Augustinus Romanus bekannt, wegen irriger Aussagen über Christus
und die Kirche verurteilt. Zu dieser Debatte veröffentlichte W. Ek-
kermann bisher unedierte Dokumente.

In der knappen, aber instruktiven Einführung (3-27) schildert Ek-
kermann, um Favaronis Haltung verständlicher zu machen, die prekäre
Situation des jahrzehntelangen Papstschismas. Auf der Suche
nach einem Ausweg aus der verhängnisvollen Spaltung der Kirchen-
spitze in zwei bzw. drei Päpste benützte Favaroni auch den Psalmen
- und Johanneskommentar des Kirchenvaters Augustinus und
kam zu der entscheidenden Ansicht, daß die Garantie für die Einheit
der Kirche nicht im Papst, sondern in Christus als dem Haupt der
Kirche liege.

Die Römische Kurie hatte dem Augustiner schon um 1430 konzi-
liaristischer Behauptungen wegen einen Prozeß gemacht. Er stand
nämlich in dem dringenden Verdacht, ein überzeugter Anhänger des
vom Konstanzer Konzil als Häretiker verurteilten und hingerichteten
Jan Huss zu sein. Da aber seine Verteidigungsschrift die gegen ihn erhobenen
Bedenken nur vorübergehend zerstreuen konnte, entschloß
er sich zu einer zweiten Apologie.

Dann zog das Basler Konzil den römischen Prozeß vor sein Forum.
Dem Gutachten der Glaubensdeputation folgte ein Gutachten des
spanischen Dominikaners Johannes de Turrecremata (Torquemada),
das dieser im Juli 1435 einem speziellen Gremium vortrug. Johannes
sprach zwar nicht eindeutig aus, daß Favaroni ein Häretiker sei,
schloß aber andererseits nicht aus, daß manche Thesen mißverstanden
werden könnten. Ein zweiter Dominikaner, Heinrich Kalteisen,
erstellte ebenfalls ein Gutachten und verfaßte Anmerkungen zum
Entwurf des Verurteilungsdekretes sowie zu den Schriften Favaronis.
Kalteisen wußte jedoch sehr genau zu unterscheiden zwischen der
rechtgläubigen Intention des Autors und eventuell mißverständlichen
Aussagen.

Die Mehrheit des Konzils billigte in der Generalversammlung am
10. Oktober 1435 die Verurteilung Favaronis. Und obwohl die Glaubensdeputation
sich gegen eine Verbrennung der beanstandeten
Traktate und Verteidigungsschriften des Augustiners ausgesprochen
hatte, stimmten die Konzilsväter für Verbrennung. Im Verurteilungsdekret
ist aber nicht von häretischen, sondern nur von irrigen Sätzen
Favaronis die Rede. Auch wird der Autor selbst nicht verurteilt, weil
er, wie das Konzil meint, sich der lehramtlichen Entscheidung der
Kirche unterwerfe. In Wirklichkeit aber leistete Favaroni keinen Widerruf
, sondern appellierte vom Konzil an den Papst. Ungeklärt ist
immer noch, ob und wie diese Appellation beschieden wurde.

Eckermanns Edition umfaßt Favaronis Verteidigungsschriften
„Contra quosdam errores haereticorum" und „Defensorium sacramenti
unitatis Christi et ecclesiae" (nach Handschriften in den Univ.-
Bibliotheken Basel und Bonn), sieben Gutachten des Dominikaners
Kalteisen (sämtliche als Manuskript in der Univ.-Bibliothek Bonn)
und als Anhang drei zugehörige Dokumente. Die Edition ist mustergültig
; die Anmerkungen sind wegen der zahlreichen Verweise auf
Stellen in den theologischen Schriften Favaronis besonders hilfreich.
Auch das Register der zitierten Autoren, der Personen und Sachen
zeugt von sorgfältiger Arbeit.

Das Buch stellt einen wertvollen Beitrag zur Theologiegeschichte,
speziell zum Augustinismus im späten Mittelalter dar.

Bamberg Georg Denzler

Lubac, Henri de: La posterite spirituelle de Joachim de Flore. I: De

Joachim ä Schelling. Paris: Editions Lethielleux: Namur: Culture
et Verite 1979.414 S. 8°.

H. de Lubac S.J., vor allem als Altmeister der kath. Mediävistik bei
uns bekannt, untersucht in diesem Buch die geistesgeschichtlichen
Nachwirkungen des kalabresischen Abtes und Ordensgründers Joachim
von Fiore bis hin zu Schelling. Ein solcher Durchblick durch
chiliastisches Gedankengut vom Mittelalter bis in die Neuzeit war
bisher nicht vorhanden, jedenfalls nicht in dieser Präzision und Ausführlichkeit
. Ich selbst hatte versucht, in meinem Buch „Gott und
Geschichte. Joachim von Fiore und die Hoffnung der Christenheit"
(Leipzig sowie Wien-Köln 1974) dem Leser anhangweise die ungemein
reiche und differenzierte Wirkungsgeschichte Joachims zu erschließen
. Lubac legt nun ein Meisterwerk vor, in dem auch der Kenner
der Geschichte spiritualer Erwartungen und ihrer Umdeutungen
auf manches Neue stoßen wird. Er sieht freilich Joachims Geist nicht
nur dort lebendig, wo ein 3. Weltzustand auf Erden erhofft wurde,
sondern auch dort, wo Exegeten prophetische und apokalyptische
Teile der Bibel historisch interpretierten. Während aber der letztere