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1981

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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431

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 6

432

Backhouse, M. F.: The Official Start of Armed Resistance in the Low

Countries: Boeschepe 12 July 1562 (ARG 71,1980 S. 198-226).
Bäumer, Remigius: Vermittlungsbemühungen auf dem Augsburger

Reichstag (ThGl 70, 1980 S. 304-330).
Bührer, Georg, R. Gerald Hobbs, u. Matthias Senn: Literatur zur .

schweizerischen Reformationsgeschichte (Zwing. XV, 1979

S. 146-156).

Crofts, Richard: Books, Reform and the Reformation (ARG 71,
1980 S. 21-36).

D'Amico, John F.: Beatus Rhenanus, Tertullian, and the Reformation
: A Humanist's Critique of Scholasticism (ARG 71, 1980
S. 37-63).

Drummond, Andrew W.: The Divine and the Mortal Worlds of

Thomas Müntzer (ARG 71, 1980 S. 99-112).
Folchi Vici, Monica: Pacifismo e Riforma (Protest. 35, 1980

S. 230-240).

Gäbler, Ulrich, u. Kurt Jakob Rüetschi: Die drei Briefe Jan Uthoves
des Jüngeren an Bullinger (1564) (Zwing. XV, 1979 S. 143-145).

Headly, John: Gattinara, Erasmus, and the Imperial Configurations
ofHumanism (ARG 71,1980 S. 64-98).

Hildebrandt, Esther: The Magdeburg Bekenntnis as a possible Link
between German and English Resistance Theory in the Sixteenth

. Century (ARG 71, 1980 S. 227-253).

Hoberg, Hermann: Die Registrierung der Bulle „Exsurge, Domine"

(ThGl 70, 1980 S. 300-304).
de Jonge, H. J.: Ein fälschlich Erasmus zugeschriebener Brief von Es-

rom Rüdinger an Joachim Camerarius (ARG 71, 1980

S. 308-311).

Kantzenbach, Friedrich Wilhelm: Auskunft über Philipp Me-
lanchthon. München: Evang. Presseverband für Bayern 1980. 64 S.
kl.8". DM 6,80.

Lake, Peter: Robert Some and the Ambiguities of Moderation

(ARG 71,1980 S. 254-279).
McClung Hallman, Barbara: Italian "Natural Superiority" and the

LutheranQuestion: 1517-1546 (ARG 71, 1980 S. 134-148).
Murphy, Lawrence F.: Martin Luther and Gabriel Biel: a disagree-

ment about original sin(ScEs31, 1980 S. 51-72).
Powis, Jonathan K.: Order, Religion, and the Magistrates of a Provin-

cial Parlament in Sixteenth-Century France (ARG 71, 1980

S. 180-197).

Rublack, Hans-Christoph: Nördlingen zwischen Kaiser und Reformation
(ARG 71, 1980 S. 113-133).

Rüetschi, Kurt Jakob: Baptist Johannes Wisamer (vor 1492 bis
1563/64). Ein Zwinglianer in Norddeutschland (Zwing. XV, 1979
S. 124-135).

Runzo, Jean: Hutterite Communal Discipline, 1529-1565 (ARG 71,

1980 S. 160-179).
Schiaich, Klaus: Die .protestatio'beim Reichstag in Speyer von 1529

in verfassungsrechtlicher Sicht (ZEvKR 25, 1980 S. 1-19).
Schutte, Anne Jacobsen: Printing, Piety, and People in Italy: The first

thirty years (ARG 71, 1980 S. 5-20).
Urban, Waclaw: Eine theologische Auseinandersetzung um den slowakischen
Täufer und Spiritualisten Andreas Fischer, 1534.
(ARG 71, 1980 S. 149-159).

Kirchengeschichte: Neuzeit

Marbach, Rainer: Säkularisierung und sozialer Wandel im 19. Jahrhundert
. Die Stellung von Geistlichen zu Entkirchlichung und Ent-
christlichung in einem Bezirk der hannoverschen Landeskirche.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1978. 246 S. gr.8' = Studien
zur Kirchengeschichte Niedersachsens, 22. Kart. DM 28,-.

Die Marbachsche Untersuchung basiert auf „Quellenmaterial mit
statistischem Charakter von einer hohen Dichte für einen längeren
Zeitraum" (176). Gutes Gespür und glücklicher Zufall haben den Autor
dieses Material für ein Gemeinde-,Sample' östlich von Göttingen
finden lassen. Aus Pastoral-, Visitations- und Synodalberichten erhebt
er das dortige kirchlich-religiöse Leben für einen Zeitraum, der
mit den markanten Daten von 1848 und 1918 abgesteckt ist. Der

Autor liefert damit zugleich eine hervorragende sozialgeschichtliche
Studie.

Besagte Jahrzehnte sind der Beginn jener Zeit, die sich statistischem
Denken verschrieben hat und deren Zahlen auswertbar sind.
Doch schon die Quellen selber teilen uns dort am meisten mit, wq sie
die beobachteten Ereignisse und Entwicklungen nicht in Zahlen ausdrücken
, sondern in Sprache umsetzen. Der Vf. ist diesem Zug zur
Sprache gefolgt und hat doch nicht ganz der Versuchung zu Diagrammen
, Kurven, Tabellen und Prozentzahlen (nebst Stellen hinter
dem Komma) zu widerstehen vermocht. Die Forschung, die
überwiegend mit Archivalien arbeitet, sollte sich frei machen von
dem Zwang, solchermaßen ihre Qualifikation und Objektivität unter
Beweis zu stellen.

In dem sich industrialisierenden Deutschland wurde das Leben stetig
komplexer, artifizieller, impersonaler und a-sozialer (im ursprünglichen
Sinne des Wortes). Wo das liberale Dogma von der
Selbstregulation der Wirtschaft und des Marktes sprach, regulierte
sich im menschlich-gesellschaftlichen Bereich immer weniger von
selbst. Die Lage forderte dringender denn je den .Leutpfarrer', doch
dieser Typus war selten vertreten. Studium und Visitationen formten
den mild-neuorthodoxen Geistlichen, der sich unbeirrt im .Gegenüber
' und ,Über' zur Gemeinde verstand, der einem „geistigreligiösen
Konservativismus" verpflichtet war (173), der die Gemüter
dämpfte, wenn sie sich nicht mehr patriarchalischständischen
Vorstellungen einfügen konnten und wollten, und der
sich als Wahrer von Glauben, Sitte und Gehorsam gegenüber Aufruhr
, Unsitte und Irrlehre verstand.

Das „Versagen angesichts sozialen Wandels" (ebd.) war nur dazu
angetan, einen ohnehin vorhandenen Zug zu „Entkirchlichung und
Entchristlichung" zu verstärken (20). Wenn aber Seelsorger in den
sozialen Umbrüchen Initiativen ergriffen bzw. neuen Geselligkeitsund
Lernweisen freien Lauf ließen und diese unterstützten, war
auch für Kirchlichkeit und Christlichkeit einige Gewähr gegeben.
Wo die Großfamilie sich auflöste, wo die Solidarität von Dorfeinheiten
dahinschwand, wo das Nicht-eingeständet-Sein für die meisten
zum Dauerzustand wurde, war ,fides ex auditu' zu buchstabieren
als „Unterhaltungs- und Leseabend", „Posaunenchor" und „Gesangverein
", „Jungfrauenverein" und „Fortbildungsschule", „Kolportageschriften
" und „Volksbibliotheken".

„Bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes", stellt Marbach fest,
„gab es in der Inspektion Göttingen II nur eine verschwindend geringe
Anzahl von ,Unkirchlichen', die sich völlig von Abendmahl
und Gottesdienst fernhielten, niemand schloß sich von Taufe,
Konfirmation, kirchlicher Trauung und Beerdigung aus. In der
Teilnahme am kirchlichen Leben manifestierte sich aber nach der
Auffassung der Geistlichen nur selten eine bewußte christliche Lebensführung
" (38). Die Geistlichen waren Vertreter der Volkskirche
und - legten elitäre Maßstäbe an! (an denen nicht selten sie selber
oder doch ihre Kinder zerbrachen). Reformatorisches Kirchen-
tum mochte hier noch gute Theologie haben, eine Sozialpsychologie
, die diesen Namen verdient, hatte es nicht.

Je länger je mehr wurde die Sozialpsyche traumatisiert. Aus verminderter
Kirchlichkeit wurde in Protesten und Eruptionen Un-
kirchlichkeit. Aus Mutationen des Christlichen in neue, auch
außerkirchliche, Sozialgestalten hinein wurde Kirchenfeindschaft.
Aus Streitgedanken des 19. Jh. entwickelten sich Kampfhandlungen
des 20. Jh. Partielle Dissidenten, etwa die .Sozis', wurden so
lange beargwöhnt, geächtet und mißhandelt, bis sie sich tatsächlich
zu Buhmännern mauserten und das längst gehegte Vorurteil
bestätigten.

Die Marbachsche Untersuchung ist in sich abgerundet und
drängt doch zugleich auf parallele Untersuchungen, ist also ein gelungenes
Pilotprojekt. Könnten noch einige flankierende Studien
erstellt werden - auch für Süd- und Ostdeutschland, auch für eine
der wuchernden Großstädte, auch für katholische Gebiete - und
könnte einbezogen werden, was anderweitig bereits erforscht ist, so