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Ausgabe:

1981

Spalte:

427-428

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Lutherjahrbuch 1979 1981

Rezensent:

Koch, Ernst

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Seite 1

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427

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 6

428

die Folge dreier Kriege (dreißigjähriger, siebenjähriger, napoleonischer
). Aus der Universitätsstadt wurde eine preußische Garnisonsstadt
, deren Bedeutung erst wieder mit der Industrialisierung stieg.
Seit dem 19. Jh. wird Wittenberg in steigendem Maße zur Gedächtnisstätte
der Reformation ausgebaut.

Die Skizze des Inhalts kann nur in Andeutungen bestehen. Die
Fülle des Gebotenen ist groß. Besondere Berücksichtigung finden jeweils
die Denkmäler, besonders Schloß, Schloßkirche, Stadtkirche
und Augusteum. Die Anmerkungen bemühen sich um einen vollständigen
Literaturnachweis. Daß die marxistische Literatur mit verarbeitet
ist, kann man nur begrüßen. Es zeigt sich einmal mehr, daß
sachliche Forschung objektive Ergebnisse zeitigt. Da der Vf. bemüht
ist, jeweils die Vorgeschichte von Erscheinungen und Bewegungen bei
ihrem ersten Auftreten in Wittenberg zu resümieren, wirkt die Darstellung
gelegentlich etwas überfrachtet. Die Auswahl des Materials
muß natürlich weitgehend Ermessensfrage bleiben, doch hat der Rez.
Bugenhagens Epitaph (L. Cranach d. J., Taufe Christi) vermißt. Der
Band ist gut mit Abbildungen und Plänen illustriert.

Greifswald Hans Georg Thümmel

Lutherjahrbuch 1979. Organ der internationalen Lutherforschung.
Im Auftrag der Luther-Gesellschaft hrsg. v. H. Junghans. 46. Jahrgang
1979. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1979. 194 S. 8°.
Kart. DM 30,-.

Der wohl wichtigste Beitrag dieses Jahrgangs ist die Veröffentlichung
der probationes zu den philosophischen Thesen der Heidelberger
Disputation Luthers von 1518. Helmar Junghans ediert sie mit
ausführlicher Einleitung nach den schon bekannten, aber nicht veröffentlichten
Handschriften in Kamenz und Zittau, die offenbar auf
eine gemeinsame Vorlage zurückgehen. Herangezogen werden die
Fragmente aus Jena und Gotha. Dabei ergeben sich interessante Erwägungen
zur Bibliothek Michael Stiefels, der in der Überlieferung
der probationes die entscheidende Rolle gespielt hat. Der nunmehr
(mit Übersetzung) sorgfältig edierte Text erlaubt einen Einblick in die
Aristotelesinterpretation und -kritik Luthers um 1518 und stellt
damit auch wichtiges Material bereit, das einmal dazu helfen kann
festzustellen, mit welcher Lesart humanistischen Aristotelismus'
Luther sich auseinandergesetzt hat. Die Akten über „Luthers Ringen
um die Freiheit der Theologie von der Philosophie" dürften noch
lange nicht geschlossen sein.

Zwei fragliche Textstellen: Muß S. 34 Z. 23 nicht gelesen werden: chr(ist)j
und S. 36 Z. 44 problemate? Zwei Druckfehler in der Übersetzung: S. 41 Z. 8
v. u.: sondern, Z. 7 v. u.: das.

Walter Mostert befaßt sich - teilweise kritisch zum Beitrag von
Ernst-Wilhelm Kohls in LuJ 44 (1977)- mit dem Thema „Scriptum
sacra sui ipsius interpres. Bemerkungen zum Verständnis der Heiligen
Schrift durch Luther". Dieser stark an Gerhard Ebeling orientierte
systematisch konzipierte Beitrag geht Luthers Theologie als
Schriftauslegung nach und nähert sich von da aus naturgemäß herme-
neutischen Fragestellungen, indem er erneut den Problemkreis
Schriftautorität und Rechtfertigungslehre abschreitet.

Außerordentlich zu begrüßen ist, daß Michael Müller eine gedrängte
und auf den neuesten Stand gebrachte Fassung seiner Hallenser
Dissertation von 1972 vorlegt: „Die Gottlosen bei Thomas Müntzer
- mit einem Vergleich zu Martin Luther". Als durchlaufende
Merkmale von Gottlosigkeit entdeckt Müller bei Müntzer Feindschaft
gegen das lebendige Wort und Streben nach materiellen Gütern
. Wichtig sind Müllers Feststellungen bezüglich des Verständnisses
von „Volk" bei Müntzer und der Beschränkung der Bezeichnung
„gottlos" auf Vertreter führender Gesellschaftsschichten. Der Vergleich
mit Luther läßt den tiefgreifenden Unterschied zwischen theologischen
Grundüberzeugungen beider aufleuchten. Offen bleibt, was
Müntzers Umgang mit Leuten bedeutet, die zu den Wohlhabenden
gehörten und die er zu den Seinen zählte.

Eine hilfreiche Übersicht über „Germanistische Hilfsmittel zum
Lutherstudium" bietet Birgit Stolt. Ausgehend von allgemeinen Erwägungen
mit der Warnung vor „false friends" und der Mahnung, bei
der Lektüre von Luthertexten lieber zu viel als zu wenig nachzuschlagen
, stellt sie lexikalische Hilfsmittel, Sprichwortsammlungen, grammatische
Hilfsmittel und das Problem Luther als lateinisch schreibender
Schriftsteller vor. Erstaunlich ist, wieviel auf dem Feld der
Germanistik an Luther noch zu tun ist.

Wiederholt hat das LuJ Nachrufe auf um die Lutherforschung verdiente
Persönlichkeiten gebracht. In diesem Jahrgang schreibt Eike
Wollgast einen Nachruf auf Hans Volz.

Die Lutherbibliographie ist mit gewohnter Präzision gearbeitet.
(Zwei kleine Versehen: Nr. 284: Hägglund. Nr. 557: Spiritualismus.)
Der Benutzer muß freilich stets im Auge behalten, daß Vollständigkeit
für den laufenden Jahrgang nie erreichbar ist und daß darum jeder
Jahrgang auch weiter zurückliegende Veröffentlichungen enthält.

Leipzig Ernst Koch

Schröer, Alois: Die Reformation in Westfalen. Der Glaubenskampf
einer Landschaft. I: Die westfälische Reformation im Rahmen der
Reichs- und Kirchengeschichte. Die weltlichen Territorien und die
privilegierten Städte. Die Zweite Reformation. Ergebnisse. Münster
/W.: Aschendorff 1979. XVI, 695 S., Beilage: 1 Faltkte gr.8

Die Bedeutung dieses Buches liegt in einem Doppelten: Der Vf.
legt eine Gesamtdarstellung der Reformation in Westfalen vor, die
die vorliegenden Quellen und Einzeldarstellungen verarbeitet und
den neusten Stand der Forschung vorträgt. Ein dringendes Desiderat
wird mit dem Buch gedeckt. Zweitens wird das Thema aus katholischer
Sicht behandelt, das heißt, die Epoche der Kirchengeschichte,
die zwischen Katholiken und Protestanten am stärksten umstritten
ist, wird beschrieben. Dem Vf. muß Hochachtung gezollt werden, daß
er dieses Wagnis unternimmt. Der protestantische Leser ist gehalten,
das Buch mit besonderer Aufmerksamkeit zu studieren.

Der Band umfaßt drei Teile. Sehr glücklich bietet der erste einen
Abriß der allgemeinen Kirchengeschichte. Der Vf. begegnet damit geschickt
der Schwierigkeit, daß die Territorialgeschichte nicht ohne
die Kenntnis der Gesamtgeschichte zu verstehen ist. Der Leser wird
zuerst mit den wichtigsten Fakten der Reformationsgeschichte bekanntgemacht
und erhält so einen Gesamtrahmen, in den die Geschichte
der zahlreichen westfälischen Territorien eingetragen wird.
Der Hauptteil behandelt zuerst die Grafschaften, dann die Klevi-
schen Länder, darauf die privilegierten Städte (Lippstadt, Herford,
Lemgo, Soest, Dortmund) und zuletzt die „Zweite", d. h. reformierte
Reformation. Der dritte Teil bietet eine Zusammenfassung, unterschieden
nach Landesherren, Städten, Predigern, Volk, Klöstern und
Schriften usw. Die Einteilung des zweiten Teils entspricht ganz den
sachlichen Gegebenheiten, denn die politische und rechtliche Lage
der Städte und Territorien (und also die Voraussetzungen der Reformation
) ist ganz unterschiedlich. Der Vf. teilt zu Beginn jeden Abschnittes
die Geschichte, Verfassung und bisherige kirchliche Zugehörigkeit
des behandelten Ortes oder Landes mit. Das Buch wird auf
diese Weise auch zu einem willkommenen Nachschlagewerk. (Zur
Grafschaft Lippe fehlt der wichtige Hinweis, daß der Graf Simon V.
im Jahre 1517 auch seine lehnsfreien Gebiete dem Landgrafen von
Hessen und dem Bischof von Paderborn übertrug, um gegenüber den
Ansprüchen des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel geschützt
zu sein.)

Die Streitfrage, welche Gebiete damals zu Westfalen gehörten, entscheidet
der Vf. dahin, daß er weit über die spätere preußische Kirchenprovinz
und den heutigen Landesteil Westfalen hinausgeht. Er
bezieht die Grafschaften Hoya, Diepholz, Waldeck und Lippe ein.
Auf diese Weise steht viel Material zum Vergleich der Ereignisse in
den verschiedenen Gebieten zur Verfügung. Negativ ist zu bewerten,