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1981

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Altes Testament

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 6

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andere Band enthält das Forschungsergebnis: einen kritisch edierten
Text des Büchleins mit einem umfangreichen Apparat abweichender
Lesarten; dazu eine Einleitung, die über Textzeugen (Hss., Übersetzungen
, indirekte Überlieferung, Druckausgaben), ihre Gruppierung
und grammatische Besonderheiten in dem Überlieferungsfeld berichtet
. Die gewählten Siglen sind wegen ihrer Fülle auf einem beigelegten
Blatt noch einmal besonders aufgeführt.

H. hat seiner Darstellung von Textproblematik und Textgeschichte
ein Motto von Franz Overbeck vorangestellt, dem er selbst in beeindruckender
Weise und konsequent gefolgt ist: „Die Tradition einer
uralten Entstehungsgeschichte hätte vor allem Anspruch, mit subjektiver
Konjektural- und Hypothesenkritik verschont zu werden." Dieses
S. 29 f (gegen Ch. Habicht) näher begründete Motto besagt, daß
eine willkürliche oder anhaltlose Subjektivität bei der kritischen Erstellung
eines Textes aus der Fülle der Textüberlieferung nur zu vermeiden
ist, wenn die Textbasis kritisch gesichtet und so groß wie
irgend möglich ist. Nur dann können Abhängigkeiten der Textzeugen
untereinander differenziert begründet und ihre Eigenheiten nutzbar
gemacht werden, um die „bessere" Lesart zu rezipieren.

Die verwickelte Geschichte des Textes beginnt bereits bei dem Urteil
des Hieronymus (um 400, Vulgata), er kenne nur eine „fehlerhafte
Vielfalt vieler Handschriften". Damit ist das Verhältnis von
Vulgata und einer Hieronymus noch vorliegenden (aber nach H. auch
durch die mittelalterliche jüdische Judith-Überlieferung nicht mehr
rekonstruierbaren) hebräischen / aramäischen Vorlage angesprochen.
Die griechische Überlieferung des Textes hat zwar einige Berührungspunkte
, mit dem Vulgata-Text, weicht aber in der Hauptsache erheblich
von ihm ab. Der Zugang zum nicht mehr vorhandenen Originaltext
ist daher äußerst problematisch; nicht zuletzt ist die Vulgata eine
Übersetzung ad sensum (nicht ad verbum) der Original vorläge.

Die Frage nach der ursprünglichen Gestalt des Übersetzungstexts
der Septuaginta wird so beantwortet: „Die Bestimmung und Ausscheidung
der rezensioneilen Elemente in den vier Rezensionen führt
zurück zum vorrezensionellen Text" (12). Damit wird nicht unbedingt
ein unerreichbares Ideal ins Auge gefaßt, sondern zunächst ein
Kriterium gewonnen, das bei gespaltener Überlieferung des Textes
die eine oder andere Lesart grundsätzlich annehmbarer macht.
Die Textgeschichte des Buchs Judith setzt infolge fehlender Vorlage,
die durch die Vulgata nicht ersetzt ist, gleichsam m der Mitte an, bei
den Unzialhandschriften (Vaticanus 4. Jh., Alexandrinus-London
5. Jh., Venedig 8. Jh. und geringer Sinaiticus-Leningrad/London
4. Jh.) und den von ihnen geprägten Minuskeln und Übersetzungen.
Die genannten Hss. sind von rezensionellen Überarbeitungen verhältnismäßig
frei. Ihnen gibt H. weitgehend den Vorzug und stellt die
stärker rezensionell überarbeiteten Textgruppen (hexaplarische Rezension
, lukianische Rezension a + b) mehr zurück. Mit seiner umfassenden
und akribischen Darlegung bringt H. ein gewichtiges Argument
in die über dieses Verfahren sicher noch weiter geführte Diskussion
. Die einzelnen Rezensionen werden unter Heranziehung auch
entlegenen Materials und Diskussion entgegenstehender Argumente
dargestellt (14-74) und die Textformen zueinander in Beziehung gesetzt
(75-77). Gegenüber der geläufigen Rahlfs-Septuaginta wird bei
dem Vaticanus auch eine Beeinflussung der Textform durch die vier
Rezensionen angenommen, so daß diese wichtige Unziale nicht mehr
ein solches Übergewicht für die Herstellung des Textes hat, sondern
im Zusammenhang der anderen rezensierten Textformen herangezogen
wird. Die Probleme des ursprünglichen Textes werden anhand
dieser Ausgangsüberlegungen ausführlich behandelt (78-109), wobei
theologisch von Bedeutung die beiden Abschnitte über die Gottesnamen
(79f.98-100) sind. Das Ergebnis dieser ebenso sorgfältigen wie
im Gesamteindruck überzeugenden Darlegungen ist eine kritische
Ausgabe, die zu Recht diese Bezeichnung verdient. Eine derart an den
l'exten orientierte Arbeit, die in einem langen Arbeitsgang zu einem

jxtus receptus führt, ist jedoch nicht allein ein Zuträgerdienst für
;ine nun gebotene Möglichkeit einer von Textproblemen befreiten

Exegese. Die Arbeit von H. zeigt in beispielhafter Weise, daß die Probleme
einer an Texten orientierten und auf ihr basierenden Theologie
eben schon bei der Textgestaltung und bei der Textgeschichte beginnen
. Unklarheiten im Text und Willkür bei Konjekturen haben
ihr Gegenstück in unkritischer oder willkürlich verfahrender Übersetzung
bzw. Theologie. Die von H. aufgezeigte Vielfalt der Textüberlieferung
und ihrer Komplexität ist in ihrer Quantität hier ein gutes
Gegengewicht gegen die Methode, eine Lesart für eine Übersetzung
bzw. Theologie passend auszusuchen oder durch Konjektur herzustellen
. Diese Nüchternheit der Arbeitsvorgänge und das überzeugende
Ergebnis machen beide Bücher auch über den Kreis der Spezialisten
und Experten hinaus empfehlenswert. Man darf hoffe'n, daß
weitere Teile der für die Zeit des hellenistischen Judentums so wichtigen
Septuaginta ebenso sorgfältig und bald ediert werden.

Salzgitter Gerd A. Wewers

Clifford, R. J.: The Function of Idol Passages in Second Isaiah (CBQ

42, 1980 S. 450-464).
Davies, E. W.: The Meaning of qesem in Prov 16,20 (Bibl. 61, 1980

S. 554-556).

Dommershausen, Werner: Ester; Krinetzki, Günter: Hoheslied.
Würzburg: Echter Verlag 1980. 81 S. gr. 8* = Die Neue Echter Bibel
. Kommentar zum Alten Testament mit der Einheitsübersetzung
, 2. DM 16,80.

Ebach, Jürgen: Zum Thema Arbeit und Ruhe im Alten Testament
(ZEE 24, 1980 S. 7-21).

Fishbane, M.: Biblical Colophons, Textual Criticism and Legal Ana-
logies (CBQ 42, 1980 S. 438^149).

Fuhs, Hans F.: Sehen und Schauen. Die Wurzel hzh im Alten Orient
und im Alten Testament. Ein Beitrag zum prophetischen Offenbarungsempfang
. Würzburg: Echter Verlag 1978. XV, 378 S. gr. 8- =
Forschung zur Bibel, 32. DM 48 ,-.

Kasser, R.: Petites rectifications ä propos l'histoire des versions cop-
tes de la Bible (Bibl 61,1980 S. 557-560).

Klinet, Dirk: Gnade im Verständnis des Alten Testaments (BiKi 35.
1980 S. 91-94).

Niditch,S.: The Composition of Isaiah 1 (Bibl 61, 1980 S. 509-529).
Rendtorff, Rolf: I principali problemi di una teologia dell'Antico

Testamento (Protest. 35, 1980 S. 193-206).
Simian-Yofre, H.: Exodo en Deuterojesaias (Bibl 61, 1980

S. 530-553).

Talmon, Shemaryahu: Torah as a concept and vital principle in the

Hebrew Bible (GOTR 24, 1979 S. 271-289).
Vogels, Walter: Job a perle oorrectement. Une approche structurale

du livredeJob (NRTh 112, 1980 S. 835-852).
- : The unpredictable vineyard-owner (Is., 5, l-7)(ScEs 31, 1979

S. 367-371).

Wahl, Otto: Zum Sapientia-Text der Sacra Parallela (Sal. 42, 1980
S. 559-566).

Zipor, M.: The Greek Chronicles (Bibl 61, 1980 S. 561-571).

Judaica

Kippenberg, Hans G.: Religion und Klassenbildung im antiken Ju-
däa. Eine religionssoziologische Studie zum Verhältnis von Tradition
und gesellschaftlicher Entwicklung. Göttingen: Vandenhoeck
& Ruprecht 1978. 186 S. gr. 8° = Studien zur Umwelt des Neuen
Testaments, 14. Kart. DM 28,-.

Der Kampf des antiken Judentums gegen hellenistische und römische
Herrschaft ist zum Paradigma religionssoziologischer Bemühungen
im Umkreis der Bibelwissensschaften geworden. Gerade hier
scheint sich nun die Diskussion in unfruchtbaren Alternativen zu
verfangen. Auf der einen Seite eine rein soziologische Betrachtungsweise
, bei der das religiöse Moment als Widerspiegelung „realge-