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Ausgabe:

1981

Spalte:

407-409

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Koch, Klaus

Titel/Untertitel:

Die Profeten 1981

Rezensent:

Wallis, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 6

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ausgehenden Breite und vermeidbarer Wiederholungen, so ist es dem
Vf. zweifellos gelungen, den von ihm besprochenen Abschnitt als literarisch
einheitliche und zielgerichtete Darstellung zu erweisen. Natürlich
kann man dies oder jenes anders beurteilen. Ich sehe in der
dreimaligen Verwendung der Wurzel 7 keinen "grief laden accent"
(S. 75), weil es keine andere Wurzel gab; auch scheint mir die Annahme
eines Wortgewebes durch Vokabelwiederholung bei 18,14b
und 12 oder 18,15b und 11 (S. 63) eine Überzeichnung, - oder sehe
ich die Korrespondenz von dominierenden und sekundären pattern
in Kap. 13 + 14 und 15-20 nicht überall in gleichem Maße? Die Beispiele
ließen sich vermehren, aber sie bleiben am Rande. Auf jeden
Fall ist zuzustimmen, daß diese pattern nicht der Technik mündlicher
Überlieferung zuzuordnen sind. Ich komme auf Grund anderer
Überlegungen zu ähnlichem Urteil: ich habe mich ja auch bei der
Auslegung des lSam um den Nachweis bestimmter (cyklischer)
Strukturen und die Charakteristik von Situationen durch stilistische
Eigentümlichkeiten bemüht, bin also durchaus offen für die vorgetragenen
Gedanken. Was über die Bedeutung des Wechsels von Eigenname
und Eigenname + Standesbezeichnung gesagt ist (S. 81), wird
auch textkritisch bedeutsam werden.

Meine wesentliche Frage liegt auf einer anderen Ebene. Vf. zeichnet
mit großer Akribie das Bild eines literarischen Meisterwerkes.
Seine Darstellung kreist um den Erzähler und den Leser, der im
Blickpunkt des Erzählers steht. Seine überlegene Kenntnis (S. 51) ist
ein wichtiger Faktor für die Rezeption der Geschichte; die Darstellung
präjudiziell sein Urteil oder veranlaßt ihn, fehlende Details für
sich selber auszufüllen. Das führt aber auf eine rein literarische Ebene
, die nicht die Ebene alttestamentlichen Erzählens ist. Zu sehr psy-
chologisierende Urteile hängen damit zusammen. Wir lesen: „Das
Interesse des Lesers an David wächst mit seinem Unglück". Aber dieses
Unglück ist durchaus eine Größe eigener Art vor Gott. Man weiß
natürlich, daß das nicht beabsichtigt ist, hat aber doch bisweilen die
Besorgnis, daß die Tatsache hinter der Form zurücktritt. Es ist immer
bedenklich, wenn man der Imaginationsfähigkeit eines Lesers einen
zu großen Spielraum läßt, denn das kann leicht einen Rückfall in
eine psychologisierende Exegese nach sich ziehen (vgl. den Sam-
Kommentar von A. Schulz), die eigentlich überwunden ist. Kann es
nicht gelten, daß die Bibel auch das sagt, was man wissen soll? Oder
ist "departure-return" eben ein pattern, oder anders gesagt, ein literarischer
Spannungsbogen? Man geht oder kommt zurück, oder bleibt
da, wo man hinging, oder kommt unterwegs um. Dabei ist die Darstellung
dessen, was sich wirklich ereignete, sekundär.

Vf. hat mit vollem Recht nachdrücklich betont, daß David im Mittelpunkt
dieser Kapitel steht und daß seine Rückkehr theologische
Bedeutung hat (S. 98), weil Jahwe selbst sie bewirkt. Aber zu fragen
bleibt schließlich, ob das allein nicht eine zu konventionelle Feststellung
ist und ob die Grundlage der Darstellung eben doch wieder eine
Episode bleibt, gewiß weiter gespannt als die von Amnon und Tha-
mar und Absalom, aber doch Episode. Wahrscheinlich lag die große
Wirkung der Arbeit Rosts einmal darin, daß er einen großen übergreifenden
Zusammenhang feststellte. Wenn sich auch die inhaltliche
Bestimmung, die er ihm gab, nicht bewährt hat, bleibt die Frage, wie
die Absicht dieses Zusammenhanges, über seine literarische Formung
hinaus, in einer weiteren theologischen Dimension zu bestimmen
sein könnte. Für das Suchen nach einer Antwort ist diese Arbeit
eine unentbehrliche Voraussetzung und eine Hilfe, für die man ohne
Einschränkung dankbar ist.

Basel Hans Joachim Stoebe

Koch, Klaus: Die Profeten. I: Assyrische Zeit. II: Babylonischpersische
Zeit. Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer
1978/80. 184/216 S. 8* = Urban Taschenbücher, 280/281. Kart.
DM 12-u. 14,-.

Der Vf. dieser beiden für einen weiteren Leserkreis bestimmten
Bändchen der Urban-Taschenbücher hatte, seinerzeit junger Doktor

der Theologie, als Frucht seiner Dissertation einen Aufsatz in ZThK
(52, 1955, 1-42) veröffentlicht unter dem Titel: „Gibt es ein Vergeltungsdogma
im Alten Testament?" Vf. bemühte sich damals darum,
den so belasteten und befremdlichen Vergeltungsgedanken aus dem
alttestamentlich-theologischen Interpretationsschema zu verbannen.
Denn Gottes Schaffen ist „zuerst und zunächst immer heilschaffend"
(25). Demgegenüber tritt der Mensch mit seinem Handeln immer in
eine Tat-Ergehens-Sphäre ein, in der sich sein Verhalten stets in entsprechende
Erfahrung umsetzt. Jedes menschliche Handeln ist
„schicksalwirkende Tat" (42). Soviel, bzw. sowenig, über Kochs damalige
These.

In den Ausführungen über die Propheten muß er sich nun aber -
ein viertel Jahrhundert später - mit seinen damaligen Ergebnissen
selbst auseinandersetzen. Wie nämlich läßt sich die „schicksalwirkende
Tatsfäre" im Denken der m. E. allerdings fälschlich so genannten
„Unheilspropheten" wiederentdecken, wenn nicht Gott selbst das
Fehlverhalten seines Volkes mit harten Strafen ahndet, also vergilt?
Der Autor begegnet diesem Einwand zugunsten seiner These: ..Den
Abendländer mutet das wie eine mythologische Phantasie an."
(I, 83). Aber Jahwe umspannt in seiner Multivolipräsenz die drei Bereiche
: „die Realität ökonomischer, kultischer, militärischer Kausalitäten
- die sittliche Verursachung von schicksalswirkenden Tatsfären
durch Menschen - Natur wie Gesellschaft begleitende Wirkungsgrößen
, die von Gott kommen und auf die Menschengemeinschaft zusteuern
" (I, 85). So ist das richtige Handeln Jahwes auf folgende Weise
zu interpretieren: „Auf seine Heiligkeit, die auf Erden multivoli-
präsent anwest, stoßen ihre Sündensfären und wandeln sich dadurch
zum entsprechenden Geschick" (II, 112). Das rettende Handeln Jahwes
aber ist so zu erklären: „Umso häufiger werden positive Wirkgrößen
berufen, die sich von Gott auf die Menschen zubewegen, um die
eschatologische Kehre hervorzurufen" (II, 152). Alle diese Gedanken
fügen sich zwar gut in das System des Autors ein; man kann sie verstehen
, auch wenn man nicht in jeder Beziehung zu folgen bereit ist.
Wenn nur alles dem Laien so leicht nachvollziehbar wäre!

Schwieriger wird das Ganze dann, wenn die dem abendländischen
Beobachter Kopfschütteln verursachende Terminologie auch in die
Übersetzung - sprich Verdeutschung - von Prophetentexten einfließt-
Dann belastet die philologisch-theologische Gelehrsamkeit mehr, als
daß sie klärt, zumal etliche hebräische Worte überhaupt nicht übersetzt
, sondern nur kursiv umschrieben werden. So wird aus
Hosea 2,25: „(So) habe ich dich mir einzusäen in die Erde, / mich
solidarisch zu erweisen der Nicht-Solidarität. . ." (1,105). Micha 3,4b
lautet so: Jahwe „wird sein Angesicht vor ihnen verbergen . . . weil sie
ihre Tathülle übel haben werden lassen" (1,106). Und Jesaia 6,7b
klingt schlicht: „,Siehe, berührt hat dies deine Lippen, / gewichen ist
deine Schuldsfäre und deine Sünden gesühnt'" (1,122). Jesaia 40.5
hört sich deutsch so an: „Entbergen wird sich die Herrlichkeit fka-
bod) Jahwäs, / und alles Fleisch miteinander sie sehen!" (11,125, entbergen
, hier gemeint als Gegenteil von verbergen, zu deutsch offenbaren
).

Von den Eigenheiten dieses Buches abgesehen, die sich mühelos
vermehren ließen und dem Rez. störend erscheinen, breitet der Autor
nach einer Erörterung des prophetischen Phänomens (1,11-16) einsichtig
das überkommene Gut der prophetischen Schriften des achten
Jahrhunderts aus, einsetzend allerdings bei den vorklassischen Propheten
und der Klärung der hier verwandten Terminologie (1,17-46),
weiterschreitend von Arnos (1,47-88) über Hosea (1,88-105) und Micha
von Moreschet (1,106-117) bis Jesaia (1,117-169). Ein besonderes
Kapitel wird dem Thema „Profeten des Entscheidungstages am Ende
der Assyrerzeit. Joel, Nahum, Zefanja" gewidmet (1,170-177), während
der Rest schließlich dem Thema „Der Übergang zur Schriftprofetie
in der assyrischen Zeit und das Überlieferungsproblem"
(1,177-181) gehört.

Im zweiten Band werden dann die Propheten des 7. bis 5./4. vorchristlichen
Jahrhunderts behandelt, einsetzend allerdings mit der
„Gesetzgebung im Schatten der Prophetie. Das Deuteronomium"