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Ausgabe:

1981

Spalte:

372-373

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Archiv für Liturgiewissenschaft; I-XIX 1981

Rezensent:

Beckmann, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 5

372

lieh. Bei allen verschiedenartigen Interpretationen des Begriffs „Gottesdienst
" - sie reichen in den Bekenntnisschriften von Religiosität
und Frömmigkeit überhaupt über ein Verständnis in dogmatischer
und ethischer Beziehung bis hin zum modernen liturgischen Begriff
des Gottesdienstes, wobei gerade dieser verhältnismäßig selten vorkommt
- bezeichnet dieser letzten Endes das Verhältnis des Menschen
zu Gott, geht es in ihm um die Frage: wie der Mensch vor Gott
bestehen kann. Da es hier nur möglich ist, auf den Aufbau der Studie,
die in reichem Maß die Bekenntnisschriften selbst zum Sprechen
bringt, in ihren Hauptteilen hinzuweisen, seien diese genannt: 1. Gottesdienst
und Rechtfertigung, 2. Gottesdienst als Inbegriff christlicher
Frömmigkeit, 3. Gottesdienst als Umgang mit dem Wort Gottes,
4. Die Veränderung des Gottesdienstbegriffs, 5. Abendmahl und
Messe, 6. Die Taufe, 7. Buße und Beichte, 8. Wort Gottes, Evangelium
, Predigt, 9. Zusammenfassung. Aus dieser (77f) seien nur wenige
bezeichnende Sätze herausgehoben: Liturgische Anweisungen (bis
auf Tauf- und Traubüchlein) „fehlen deswegen, weil den Bekenntnisschriften
nur an jenem evangelischen Prinzip, nicht aber an einem
liturgischen Programm gelegen ist." „Die Veränderung des Gottesdienstbegriffs
zeigt sich darin, daß dieser Begriff sowohl ethisch wie
existentiell verstanden wird... Beide Intentionen .. sind es vor
allem, die den Gottesdienstbegriff in der Zukunft von Grund auf verändern
werden." „Den entscheidenden Einfluß hat jedoch ohne
Frage die reformatorische Entdeckung der evangelischen Freiheit
ausgeübt. Sie ist der eigentliche Grund für die Veränderung des Gottesdienstbegriffs
, weil sie das Wesentliche am Evangelium erkennen
lehrt." Der hymnologische Hauptbeitrag „Kirchenlieder im Umkreis
von J. S. Bach" (Detlef Gojowy) (79-123) fußt auf Untersuchungen
des Bach-Instituts in Göttingen, die herausfinden wollten, wieweit
Bach in seinen kirchenjahresgebundenen Kantaten von einem kirchlichen
„Detempore" hinsichtlich der Choräle bestimmt war. Es ergibt
sich, daß man überhaupt nicht von einer überregional einheitlichen
Detempore-Praxis sprechen kann; gerade ihr Ausbau hat in dessen
unterschiedlicher Weise eine anfänglich gewisse Einheitlichkeit zunehmend
zerstört. Für 86 Gesangbücher wird nachgewiesen, welch
geringer Prozentsatz an Liedern mit einiger Berechtigung als überregionales
Gemeingut der evangelischen Kirche jener Zeit im Sinn
eines Detempore gelten kann.

Die „Kleinen Beiträge und Miszellen" zur Liturgik eröffnet Herwarth
von Schade mit dem Aufsatz „Das fünfte Verbrechen. Joachim
Westphal, Johannes Calvin und die Perikopenfrage im 16. Jh."
Danach können uns Calvins Argumente gegen die sog. „alten" Peri-
kopen im Bemühen um erneuerte Lese- und Predigttextordnungen
bestätigen. Der katholische Liturgiker Balthasar Fischer zeigt, welche
Bedeutung die umfassende kritische Edition der Gebete Luthers
durch Frieder Schulz-Heidelberg (1976) in den „Quellen und
Forschungen zur Reformationsgeschichte" (Bd. 54) besitzt. Über den
Kongreß der Societas Liturgica in Canterbury im August 1977 berichtet
H.-Chr. Schmidt-Lauber. Im hymnologischen Teil sollte
die „Hymnologische Vorbesinnung aus der Sicht eines Germanisten"
(W. I. Sauer-Geppert) zur Pflichtlektüre jeder künftigen Gesangbuchkommission
gemacht werden. Warum? „Niemand hat ein
Recht, den Wortlaut eines Liedes anzutasten und Besserungen zu versuchen
, der sich nicht zuvor aufrichtig und mit allen Hilfen, die die
Fachwissenschaft dafür zur Verfügung stellt, um sein Verständnis
gemüht hat. Nur so läßt sich vermeiden, daß Aussagen und Schönheiten
zerstört werden, die diejenigen, die es besser zu wissen meinen,
gar nicht erst wahrgenommen haben" (146). Von den 12 weiteren
Beiträgen kann hier nur noch im Interesse der Praxis hingewiesen
werden auf die beiden Aufsätze „Über die Schwierigkeiten der musikalischen
Gestaltung eines Gesangbuches. Anmerkungen zum Einheitsgesangbuch
,Gotteslob'" (Reinhard Granz) und „Der revidierte
Wochenliedplan" (Hans-Christian Drömann).

Der „Literaturbericht zur Liturgik" beschränkt sich diesmal auf die
Teile „I. Der Gottesdienst in der Geschichte der Kirche" mit nur
einem Unterabschnitt ..Altorientalische und jüdische Religion"

(Frank Schnutenhaus) und „II. Der Gottesdienst in der Neuzeit", in
dessen Gestaltung sich der neue Mitarbeiter Christian Bunners als
Gewinn ausweist. Dazu erfolgen im Teil III Berichte aus Frankreich
(Ernest Muller), der Niederlande (A. C. Honders) und den USA (Eugene
L. Brand). Der Literaturbericht zur Hymnologie liegt wie immer
in den bewährten Händen von K. Ameln, unterstützt von drei Mitarbeitern
. Auch die Ergebnisse hymnologischer Forschung in Dänemark
(Jens Lyster), Finnland (T. I. Haapalainen), Frankreich (Edith
Weber), Niederlande (C. A. Honders), Schweden (Allan Arvastson),
Ungarn (K. Csomasz Töth), United Kingdom (Robin A. Leaver) und
den USA (Louis Voigt) werden aufgewiesen.

Verzeichnisse der Lied- bzw. Strophenanfänge und der Personennamen
beschließen den Band. Vier Faksimilewiedergaben sollen
nicht unerwähnt bleiben. Der Dank aller an Liturgik und Hymnologie
Interessierten wird den Herausgebern und allen Mitarbeitern wie
alljährlich gewiß sein.

Bad Homburg William Nagel

Archiv für Liturgiewissenschaft, in Verb. m. A. Häussling u. H. Reifenberg
hrsg. v. E. v. Severus. Bd. XIX. Regensburg: F. Pustet
1978.790S.gr. 8"

Archiv für Liturgiewissenschaft, Inhalt der Bände I-XIX, Regensburg
: F. Pustet 1977.

Die Reihe der liturgiewissenschaftlichen Aufsätze wird mit einer
von H. J. Schulz verfaßten Studie begonnen über „ökumenische
Aspekte der Darbringungsaussagen in der erneuerten römischen und
in der byzantinischen Liturgie". Er handelt

1. von der Epiklese und ihrer Bedeutung im Hinblick auf das Verständnis
der Partizipation der Kirche am Opfer Christi,

2. von den Darbringungsaussagen bei Hyppolyt und in den orientalischen
Anaphoren,

3. über den Zusammenhang von Wandlungs- und Darbringungsaussagen
im römischen Kanon und in den neuen Hochgebeten,

4. von den Folgerungen für das ganzheitliche Verständnis der eucha-
ristischen Opferfeier am Beispiel der byzantinischen Liturgie und
für das Verhältnis von priesterlichem und gemeindlichem Dar-
bringungsvollzug.

Der Aufsatz will zum besseren Verständnis dazu beitragen, die
Darbringungsaussagen der Eucharistie in das rechte Verhältnis zum
einmaligen Opfergeschehen am Kreuz zu setzen.

Es folgt ein Aufsatz von Kassius Hallinger über „Kultgebärde
und Eucharistie". Es geht hier um die Geschichte von Verneigung
und Kniebeugung während der Messe. An dem Beispiel des Aktes der
Verehrung in seiner verschiedenen Gestalt in der mittelalterlichen
Geschichte der Messe wird Sinn und Gehalt dieser verschiedenen
Kultgebärden verdeutlicht: „Pro reverentia dominici corporis"
(Bernhard von Kluni).

An dritter Stelle steht ein (französischer) Beitrag von Andre
G o z i e r über das Verhältnis des großen französischen Abtes Gueran-
ger von Solesmes zu dem nicht weniger bedeutenden Odo Casel von
Maria Laach unter dem Titel: «La somme liturgique de Dom
Gueranger a-t-elle ete ecrite» und handelt von dem Einfluß Gueran-
gers auf die Mysterienlehre Odo Casels. Der Vf. kommt zu dem
Ergebnis, daß Odo Casel in seiner Mysterienlehre das ausgeführt hat,
was im Entwurf Guerangers angelegt war. Damit soll jedoch keine
Art von Schülerschaft Casels gegenüber Gueranger behauptet werden
. Gueranger hat die Mysterientheologie Casels nicht vorweggenommen
, wohl aber schon die Idee einer Mysterientheologie zur
Interpretation der Sakramente gehabt.

Ein bedeutsamer Antrag von großem Interesse über die römischkatholische
Kirche hinaus, verfaßt von Burkhard Neunhäuser ist
ein Überblick über die nachkonziliare Liturgiereform in den letzten
zehn Jahren. Er beginnt mit einer Darstellung der Vorgeschichte und
der Reform der Gesamtkirche, die sich in einer großen Leistung prä-