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Ausgabe:

1981

Spalte:

370-372

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie; 22 Bd. 1978 1981

Rezensent:

Nagel, William

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 5

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noch nicht bekannt werden ließen. Das 7. Kap. versucht in Kürze die
biblischen und patristischen Quellen der behandelten gallikanischen
u"d gelasianischen Ritualien zu bestimmen. Ein dritter Arbeitsgang
wendet sich dem Totenritual in jenem gregorianischen Sakramentar
zu, welches zwischen 784 und 791 im päpstlichen Gebrauch stand
und (wohl 785) von Papst Hadrian Karl dem Großen auf dessen Bitte
hin zwecks Vereinheitlichung der Liturgie im fränkischen Reich zugesandt
wurde. Dies sog. Hadrianum ist zwar im authentischen Text
nicht auf uns gekommen, kann aber dank der Bemühungen von H.
Lietzmann und J. Deshusses, sowie durch Einbeziehung der freilich
fehlerhaften Kopie in der Stadtbibliothek von Cambrai (Nr. 164, entstanden
811/812) in seiner rekonstruierten Gestalt von Vf. benutzt
Werden. Auch hier werden Struktur und Entwicklung, der Text und
seine Varianten, die Quellen und die - nicht überraschenden - Beziehungen
zu den ordines Romani untersucht. Vf. hat somit das älteste
Totenritual Roms und seine Begegnung mit dessen gallikanischer
■Ausprägung umfassend geklärt und den Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung
der Totenliturgie erreicht, die mit der Ergänzung des
Hadrianum durch Alkuin und Benedikt von Aniane (gest. 821) einsetzt
. Das abschließende Kapitel steht unter der Frage „Eine Theologe
des Todes am Vorabend der karolingischen Reform?" Parallel
dem entsprechenden Kapitel in Teil I wird auch hier gefragt: Wie erscheint
die Wirkweise Gottes in der menschlichen Begegnung mit
dem Tod, wie wird der Verstorbene betrachtet, wie ist die Kirche beteiligt
? Auch in den Ritualien dieser Epoche bleibt Gott der Urheber
des Lebens, der Lebendige, der zweifellos reinigt, aber in seinen Him-
mel einführt. Doch die Begründung ist nicht mehr genau dieselbe.
Gottes Größe, seine Herrschaft über das All vergegenwärtigt jetzt das
Totenritual so eindrücklich, daß sich ein viel tieferer Abstand zwischen
Gott und Mensch ergibt. Dadurch wird der Erlöser, der Retter
der Welt durch sein Leiden, für den Ruf des Menschen nach dem
göttlichen Erbarmen von zentraler Bedeutung. Dies wird auch bedingt
durch einen gewissen Pessimismus im Blick auf Welt, Leib und
Fleisch, wie er in der Ausdrucksweise der gallikanischen und gelasianischen
Ritualien unverkennbar ist. Die Sünde gewinnt jedenfalls ein
anderes Schwergewicht wie in der altrömischen Totenliturgie und
damit auch die Vorstellung von Gott als Richter. In den Gebetstexten
tntt uns so eine Theologie entgegen, die zu ausdrücklicher Anrufung
Gottes als des Dreieinigen führt. Hinsichtlich der Situation des Verstorbenen
fällt die Unterscheidung von Leib und Seele bzw. Geist auf,
wobei Staubwerden als des Leibes Los erscheint - Anzeichen einer
dann zunehmenden Verwechselung von platonischem Dualismus
und christlicher Anthropologie! Der Sterbende, der Tote, als Wanderer
zum Ziel kommend, erreicht damit zugleich das letzte Ziel seiner
Taufe (im Sinn von Rom 6,30- Von daher verweisen die Ritualien
auch auf die Erbsünde und gedenken zugleich der persönlichen Sünden
des Toten, um Gott um Vergebung dafür zu bitten - das alles viel
akzentuierter als in den alten römischen Ritualien! Man weiß die
Hölle drohen, wenn auch noch die rechte Vorstellung davon fehlt,
was sie inhaltlich bedeute. Jedenfalls fleht die Gemeinde darum, daß
Gott den Toten vor ihr bewahre. Die Rolle der Kirche erscheint jetzt
reicher und durchgebildeter: ihr Gebetshandeln gilt der Empfehlung
des Toten Gott gegenüber und ist wie alles in diesen Ritualien auf die
Gewißheit der Auferstehung Christi gegründet.

Den geistlichen Ertrag dieses Buches könnte man wohl mit den
Korten des Vf. umschrieben sehen: «Malgre un objet restraint et
'■mite, notre enquete liturgique nous aura toutefois Dermis de deceler
dans cette anthropologie et dans cette ecclesiologie, qui se vivent plus
Qu'elles ne se raisonnent ou se reflechissent, les balbutiements d'une
foi frute, mais authentique et solide devant le mystere de la mort»
(418).

Ein Index der analysierten und erwähnten euchologischen Stücke
(4l9f). ein Verzeichnis der benutzten Manuskripte (421-435) und ein
Autorenregister (436-439) beschließen das Buch.

Bad Homburg William Nagel

Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie. 22. Bd. 1978. Hrsg. v. K.
Ameln, Chr. Mahrenholz, A. Völker. Kassel: Stauda 1978. XVI,
297 S. gr. 8" Hlw. DM 88,-.

Wieder muß der Nachruf für einen Mitarbeiter, den am 18.11.78
heimgegangenen OKR i. R. Lic. Wilhelm Thomas, das Buch eröffnen
. Aus Jugend- und Singebewegung hervorgegangen, hat er zusammen
mit K. Ameln Schätze an geistlichem Liedgut neu erschlossen.
Unvergessen wird seine Wiedererweckung des Quempas-Singens bleiben
.

Im ersten Hauptbeitrag führt Georg Kretzschmar unter dem Titel
„Die Grundstruktur der Taufe" in neue Forschungen zur christlichen
Initiation ein und bietet damit sein Referat beim Kongreß der
Societas Liturgica 1977 in Canterbury. Als eigenständigen Forscher
auf diesem Gebiet weist ihn selbst „Die Geschichte des Taufgottesdienstes
in der alten Kirche" in Bd. V der „Leiturgia" (1-348) aus. So
ist er besonders qualifiziert, den heutigen Stand dieses Forschungsbereichs
unter der Frage darzustellen, wieweit das bisherige Bild sich
durch neue Ergebnisse verändert hat. Die Wichtigkeit dessen ergibt
sich aus des Vf. Überzeugung, auch die historischen Forschungsbeiträge
seien meist auf Erhellung eines gegenwärtigen Problems aus und
wollen damit die kirchliche Praxis begründen oder verändern. Er geht
von drei verschiedenen Konzeptionen in der Zusammenordnung von
Tauchbad, Handauflegung (oder Chrisamsalbung) und Eucharistie
aus, wie sie um die Jahrhundertmitte einander gegenüberstanden und
bestimmte dogmatische Überzeugungen durchspüren lassen. An der
großen Zeit der Kirchenväter vom 4.-6. Jh., in der die Riten des Mittelalters
und der Gegenwart sich ausformten, zeigt der Vf. dann, wie
schon jene eine Pluralität hinsichtlich der Kernriten vor sich haben
und sie von der Bibel her zu deuten bemüht sind, was zu einer Blütezeit
der Tauftheologie führt. Jedenfalls aber müsse man die Frage
nach dem Ursprung dieser liturgischen Vielfalt und der Einheit der
Taufe als Ritus an die vornizänische Zeit weitergeben. Aus einer
Darstellung des diesbezüglichen Forschungsstandes, für den weniger
umfassende Entwürfe als Einzeluntersuchungen zu den wichtigsten
Quellen charakteristisch sind, ergibt sich, daß man heute kaum noch
von einer einzigen ursprünglichen und dann normativen Gestalt der
christlichen Taufe sprechen kann. „Die Einheit der Taufe, die natürlich
Ritus ist, liegt eben nicht in einem bestimmten rituellen Vollzug,
sondern im Heilswerk Christi, das sie kraft Stiftung und Verheißung
des Herrn dem Getauften übermittelt, aus Glauben in Glauben" (14).
Es können also weder die Trias Taufbad - Handauflegung - Eucharistie
noch das schlichte Taufbad ohne Begleitriten als apostolische
Norm gelten. „Gerade der Liturgiehistoriker kommt aus der Spannung
nicht heraus, in sehr unterschiedlichen Taufordnungen die eine
Taufe Christi wiederzuerkennen" (14).

Der zweite Hauptbeitrag „Die Auffassung vom Gottesdienst in den
lutherischen Bekenntnisschriften. Eine Säkularerinnerung" (15-78)
von Alfred Niebergall muß heute schon als kostbares Vermächtnis
des Ende 1978 heimgegangenen Vf. gelten, dessen umfassendes liturgiewissenschaftliches
und -praktisches Lebenswerk zu würdigen sich
der demnächst anzuzeigende Bd. 23 des Jahrbuchs zur Aufgabe
machte. Bei der Studie handelt es sich um einen ersten Teil. Zwei
weitere Teile waren für die nächsten Bände des Jahrbuches vorgesehen
, Rez. ist nicht darüber orientiert, wieweit der Heimgerufene
diese Planung hat zum Ziel bringen können. Indem er aus einer ganz
eigengeprägten, seiner Mitarbeit Gewicht gebenden Haltung heraus
an den liturgischen Aufgaben der letzten Jahrzehnte weit über seine
Landeskirche hinaus intensiv mitwirkte, könnte gerade der abschließende
Teil seine Nachwirkung sichern. Der vorliegende Teil I behandelt
die Bekenntnisschriften von 1529-1537. Die Untersuchung setzt
ein mit dem Gottesdienst als „Schlüsselbegriff für das Rechtfertigungsgeschehen
". Sie trägt damit der Situation Rechnung, in der die
Confessio Augustana entstand: in ihr ging es wohl um Verteidigung
der geschehenen Reformen; doch diese war nur mit einer Darlegung
der ihnen zugrundeliegenden theologischen Neuerkenntnisse mög-