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Ausgabe:

1981

Spalte:

349-351

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Damsteegt, P. Gerard

Titel/Untertitel:

Foundations of the Seventh-Day Adventist message and mission 1981

Rezensent:

Wendelborn, Gert

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 5

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und einem anderen Leben, aber wir glaubten es nicht. Wir wollten
zufrieden sein, obwohl wir keinen Frieden hatten. Da kam auf einmal
das ungeheure Ereignis, da diese Welt mit ihrem ganzen zufriedenen
Mammonsdienst, in dem sie sich nicht stören lassen wollte, sich
selbst in die Luft sprengen mußte" (97). Unter dem Stichwort „Selbstsucht
" verhandelt Barth die Kriterien des anthropozentrischen Welt-
»des. die zugleich zur Verschleierung der wahren Verhältnisse und
'hrer Zerstörung im Krieg führen: „des Nationalismus und des Kul-
tundeahsmus in seiner wissenschaftlichen, christlich-kirchlichen und
sozialistischen Gestalt" (101).

So hart Barth mit dem Bestehenden angesichts des 1. Weltkrieges
"'s Gericht geht, so begierig ist er auf das Neue, das nun in Kirche
und Gesellschaft beginnen müßte. Ich stimme Fähler zu, wenn er darlegt
, daß das Kriegsgeschehen Barth zwingt, sich erneut den eigent-
ichen theologischen Fragen zuzuwenden, u. zw. in einer bei ihm biser
so nicht gegebenen Intensität, nämlich in seiner Frage: „Wie ist
das Verhältnis von Gott und Mensch angesichts der Tatsache des
eges?" Barth versucht darauf zu antworten, indem er in Gottes
'ebe, in seinem Ja das menschliche Nein, das Wesen des Menschen
offenbar werden läßt. Erst im Lichte der Wahrheit wird die Wirklichkeit
des Bösen als Schein durchschaut und überwunden.

-Die Vorordnung des Evangeliums vor dem Gesetz in der Theologe
Karl Barths hat hier ihren Ursprung. Nicht in einer dogmatischen
Überlegung, sondern im Widerspruch zum Krieg, diesem l.Welt-
neg. der den Weg von unten, vom Menschen zu Gott unmöglich
gemacht hatte" (135f). Sicherlich wird gegen die Aussage „Vorordnung
des Evangeliums" Widerspruch erhoben. Nach meiner intensiven
Beschäftigung mit den Predigten 1913/14 kann ich Fähler nur
zustimmen, ebenfalls seinen herausfordernden Sätzen „Der Krieg bedeutet
eine ganz besondere Jesuszeit der Offenbarung. Er offenbart
den Menschen, der selbst das Gute in den Dienst des Bösen stellt und
damit unter das Gericht fällt... Der Mensch kann und braucht nicht
mehr das Gegenüber, der Überwinder des Bösen, des Krieges zu sein,
da nur Gott selbst das Böse besiegen kann - besiegt hat. Von daher
•W es einleuchtend, daß Barth im Krieg ein großes Gericht über die
Wirklichkeit - über den Menschen, die Kirche, den Sozialismus und
die Kultur - erlebte und eine noch viel größere Verheißung des Reiches
Gottes" (149).

In dem vorliegenden Buch handelt es sich um den Nachdruck einer
Dissertation, die darstellerisch nicht immer ganz ausgewogen ist. Es
•st aber ein wegweisendes und hilfreiches Buch, das in der Barthschen
Sekundärliteratur seinen berechtigten Platz einnimmt. Alle, die sich
m't Friedensforschung und mit der Verkündigung in Kriegen befassen
, sollten diese Arbeit gründlich lesen.

Walter Feurich t

Kirchen- und Konfessionskunde

Damsteegt, P. Gerard: Foundations of the Seventh-Day Adventist
Message and Mission. Grand Rapids, Michigan: Eerdmans 1977.
XV, 348 S. gr. 8 $ 7.95.

Protestantische Theologen im deutschen Sprachbereich betrachten
die Siebenten-Tags-Adventisten (STA) meist nur als sektenartige Gebilde
mit unverständlichen Sondermeinungen. Das aber verrät einen
Mangel nicht nur an Faimess, sondern auch an kirchengeschicht-
'icher Kenntnis. Diesem bedauerlichen Mangel kann die vorliegende
Arbeit abhelfen, zumal wenn es möglich wäre, sie auch ins Deutsche
zu übersetzen. Kennzeichnend für diese mit vorbildlicher Präzision
erarbeitete Studie, die auch im Gespräch mit führenden Persönlichkeiten
der ökumenischen Bewegung reifte, ist der Wille, die Intentionen
der adventistischen Bewegung im allgemeinen und der STA im
besonderen bei sorgfältiger Differenzierung vorurteilsfrei und sachlich
in ihrer historischen Genesis zu erfassen. Das ist dank des unermüdlichen
Fleißes des Vf., der nicht nur die Bücher, sondern auch die
Zeitschriften der frühen Adventisten sowie sehr viele veröffentlichte
wie bisher unveröffentlichte Briefe ihrer Leiter studierte, vollauf gelungen
.

Vf. beginnt nicht mit der Entstehung der STA, sondern beschäftigt
sich zuvor in einem umfangreichen I. Teil mit ihren prämillenniali-
stischen Ursprüngen. Dabei erfährt William Miller (1782-1849) mit
Recht besondere Beachtung. So wird es dem Vf. möglich, die Entstehung
des Adventismus aus der Kirchengeschichte der USA in der
1. Hälfte des 19. Jh., die er einleitend in einem kurzen, aber vorzüglich
informierenden Überblick dem Leser vor Augen stellt, verständlich
zu machen. Vf. zeigt, daß sich in den 1830ern in den USA eine
wachsende Opposition gegen postmillennialistischen Optimismus,
Immanentismus und Aktivismus zu regen begann, der durch ökonomische
Krisenerscheinungen vertieft wurde. Dabei fehlte den gegenüber
menschlichen und geschichtlichen Möglichkeiten durchweg pessimistischen
Prämillennialisten nicht der Glaube an die Heilsbedeutung
der eigenen Nation, und auch von ihnen hatten sich zunächst
viele in den interkonfessionellen Gesellschaften engagiert, die sich die
Bekämpfung spezifischer Dämonien und die Durchdringung des gesamten
öffentlichen Lebens mit christlichem Geist zum Ziel gesetzt
hatten. Doch wie sie von der bleibenden menschlichen Sündhaftigkeit
überzeugt waren, so ebenfalls von der bevorstehenden Beendigung
der bisherigen menschlichen Geschichte durch den wörtlich
verstandenen 2. Advent Christi. Dieser Glaube samt seinen prophetischen
und hermeneutischen Implikationen erfüllte damals viele Christen
, wie Vf. überhaupt immer wieder darauf hinweist, daß die meisten
adventistischen Lehren nicht erst von diesen erfunden wurden,
sondern ihre Wurzeln in einem oft breiten christlichen Traditionsstrom
hatten. Die Bewegung Millers konkretisierte indessen die apokalyptischen
Erwartungen des Buches Daniel und der Johannis-
Offenbarung so sehr und unterwarf sie in so starkem Maße einem
Prozeß der Historisierung, daß sie die Wiederkunft Christi schon für
1843 voraussagte. Vf. macht deutlich, daß diese Gewißheit nicht
schlagartig die gesamte Bewegung erfaßte, die auf dem Höhepunkt
ihrer Wirksamkeit immerhin fast 50 000 Gläubige und ca. 200
Pastoren erfaßte, und daß Miller sie sich nur zögernd zu eigen
machte, wie Vf. überhaupt verschiedentlich auf Meinungsverschiedenheiten
innerhalb der Milleriten wie der STA sowie auf Modifizierungen
, Kurskorrekturen und die Bereitschaft zu offenem Eingestehen
von Irrtümern hinweist. Ab 1842 aber riß die Erwartung die gesamte
Bewegung mit sich und mußte zur großen Enttäuschung führen
, die sich auf Dauer durch neue Berechnungen und Voraussagen
nicht mehr beseitigen ließ.

Die beiden Enttäuschungen im Zeitraum 1843/44 führten nicht
nur zum Abfall vieler Anhänger und zur Zersplitterung des Prämil-
lennialismus, der als ganzer zu keinem Zeitpunkt Miller gefolgt war.
sondern auch zu einer folgenschweren Wandlung des ekklesiologi-
schen Selbstverständnisses. Die Bewegung Millers war bewußt interkonfessionell
gewesen; sie hatte zwar die starke Abneigung fast aller
Protestanten der USA gegen den römischen Katholizismus geteilt,
sich aber Christen verschiedenster evangelischer Denominationen
geöffnet. Besonders stark war der Anteil ihrer methodistischen
(44,3 %) und baptistischen (27 %) Anhänger. Lange Zeit verfolgte der
Adventismus nicht das Ziel, eine eigene Denomination zu schaffen,
sondern ermunterte seine Gefolgsleute, ihrer jeweiligen Gemeinschaft
treu zu bleiben. Dies war auch in seiner Abneigung gegen eine
Bürokratisierung des kirchlichen Apparates sowie gegen eine Anlehnung
an den Staat mit seinen Gesetzen, vor allem aber in seiner missionarischen
Gesinnung begründet, wollte er doch in letzter Stunde
(„Mitternachtsschrei") möglichst viele Christen aus allen Lagern erretten
.

Die starke Opposition sowie mancherlei Maßnahmen in den anderen
Kirchen gegen den Adventismus mußten zu seiner völligen Abwendung
von den Herkunftskirchen führen, die nach 1844 zeitweise
wie die katholische Kirche als „Hure Babylon" abgestempelt wurden.