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Ausgabe:

1981

Spalte:

345-346

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Scriptum in librum primum sententiarum ordinatio 1981

Rezensent:

Junghans, Helmar

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Seite 1

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345

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 5

346

aut den Menschen viel mehr seine Vorzüge und weniger seine Sündhaftigkeit
, wegen der auch die Menschwerdung Gottes erfolgt ist
(93-97).

Nach einer kritischen vergleichenden Darstellung der Seelenauffassung
der profanen bzw. zeitgenössischen Welt durch Nemesios (Kap.
IV, S. 98ff) kommt er zu der Feststellung, daß die Seele „das Weltall
durchwaltet" (113). In seinem letzten, V. Kapitel betrachtet er „die
mikrokosmische Einheit" „als einen Grundsatz" bei Nemesios (125).
• Die Einheit von Seele und Körper im Menschen erscheint als fundamentale
Voraussetzung und Sinnbild der Welteinheit" (ebd.), „in der
der Mensch in seiner Ganzheit als Ebenbild Gottes, Mittelpunkt des
Kosmos und Zweck des Ganzen gilt" (173).

Der Vf. untersucht in dieser Arbeit die Primärliteratur in einer
exakten analytischen bzw. kritischen und synthetischen Weise - vgl.
etwa die Feststellung, daß Nemesios eine platonische Lehre aus der
Geometrie „unvollständig und zum Teil falsch wiedergibt... Damit
erscheint die ganze Theorie Piatons als mathematisch falsch" (26f
Anm. 50). Vgl. auch S. 33f, wo klargestellt wird, daß bezüglich des
fünften Elementes, Äther, Nemesios „auf Grund seiner Quellen nicht
zwischen den nach verschiedenen Standpunkten aufgestellten Elemententheorien
des Aristoteles unterscheiden konnte"; auch S. 105,
'09. 111 u. a. Er benutzt die Sekundärliteratur mit der gebotenen
Distanz der Objektivität, die Zustimmung und Kritik sachlich moti-
Vlert: z. B. S. 14 Anm. 18; S. 17 Anm. 22; S. 27 Anm. 51; S. 40
Anm. 104; S. 77 Anm. 19; S. 100 Anm. 7; S. 122 Anm. 107 u.a.
Lnd schließlich erreicht er bei der komplizierten Materie eine abgerundete
Synthese, die mit einer Zusammenfassung deutlicher zum
Ausdruck kommen könnte.

Mit einem Stellenregister wird diese Studie abgeschlossen, die
einen wichtigen Beitrag für die Patristik in ihrem Zusammenhang mit
der profanen Philosophie darstellt.

Wien Gregor Larentzakis

Ockham, Guillelmus de: Scriptum in Librum Primunt Sententiarum.

Ordinatio. Distinctiones XIX-XLVIII, ed. G. I. Etzkorn et F. E.
Kelley. St. Bonaventure, N. Y.; St. Bonaventure University, Fran-
ciscan Institute 1979. 22*, 751 S. 4- = Guillelmus de Ockham:
Opera philosophica et theologica. Opera theologica, IV.

Als die neue Ockhamforschung sich nach dem ersten Weltkrieg intensiv
den Texten Ockhams zuwandte, stellte sie bald Mängel in den
spatmittelalterlichen Drucken und Unterschiede in der handschriftlichen
Überlieferung fest, so daß eine textkritische Ausgabe der Werke
Ockhams als vordringliche Aufgabe angesehen wurde, um die
Untersuchungen über Ockham mit einem vertretbaren Arbeitsaufwand
auf einen sicheren Grund stellen zu können. 1939 brachte Phi-
'otheus Böhner die Quaestio prima des Prologes von Ockhams Sentenzenkommentar
heraus; 40 Jahre später liegt in Fortsetzung der
v°n ihm begonnenen Arbeit - 24 Jahre nach seinem Tode - mit dem
v>erten Band der „Opera theologica" Ockhams endlich das erste
Buch dieses für die Theologie des Inceptors venerabilis wichtigen
Perkes in einer textkritischen Ausgabe abgeschlossen vor. Sie gewährt
Einblick in das Entstehen des mehrfach überarbeiteten Textes
. Ein Stammbaum der wichtigsten Hss. stellt die Abhängigkeiten in
der Überlieferung graphisch dar. Wie kompliziert diese ist, vergegenwärtigt
die Annahme, daß umherziehende Studenten und Lektoren
ftir ihre Abschrift nach und nach verschiedene Vorlagen benutzten.

Wenn es aufgrund der nun vorliegenden Ausgabe auch viel leichter
Eeworden ist. an den ursprünglichen Text heranzukommen, ist es
dennoch nicht an jeder Stelle leicht. Ockhams Meinung zu erfassen.
Die Herausgeber wamen in einem eigenen Abschnitt der Einleitung
C5*-18*) davor, etwas für Ockhams Meinung anzusehen, was gar
nicht seine Überzeugung war. Gerade der vorliegende Band enthält
eine Warnungstafel. Denn Ockham schreibt selbst: „Quidquid dico
de tali esse ficto ponendo vel non ponendo, recitative dico, quamvis
hoc non explicite Semper." Und dieses „recitative dicere" erläuterte

Ockham später in seinem „Tractatus contra Ioannem" dahingehend,
daß jemand, der eine Meinung referiere, damit weder sage, was ihm
richtig noch was ihm falsch erscheine Folgerichtig haben die Herausgeber
daraus den Schluß gezogen: „Cautela igitur opus est in interpre-
tatione opinionis Guillelmi." Die von den Herausgebern eingefügten
Hinweise, welche Meinung Ockham referiert bzw. gegen welche er
sich wendet, sind unter diesen Umständen wichtige Verstehenshilfen.

Ein anderer Hinweis der Herausgeber verdient ebenfalls Beachtung
, weil er Licht auf das Problem der sog. „doppelten Wahrheit" in
der Scholastik zu werfen vermag. In seiner „Expositio in librum Peri-
hermenias" schrieb Ockham, daß er bei philosophischen Schriften
nicht erforschen wolle, was wahr und was falsch sei, sondern vielmehr
die Meinung des Aristoteles darstelle. Ockham verfaßte seine Aristo-
teleskommentare also mit einem philosophiegeschichtlichen Interesse
, das häufig übersehen wird. In seinen theologischen Werken
hingegen lehre Ockham nach dem Urteil der Herausgeber, „quae se-
cundum fidem catholicam tenenda sunt" (18*).

Die „Concordantia litterarum marginalium Editionis Lugduniensis
et paginarum nostrae Editionis" bietet die in den früheren Bänden
vermißte Einteilung, so daß nun auch die nach der Lyoner Ausgabe
zitierten Stellen leicht aufgefunden werden können.

Es bleibt zu wünschen, daß die Ausgabe zügig voranschreitet und
so auch bald die Texte erschließt, die für die reformatorische Auseinandersetzung
mit der Scholastik besonders wichtig sind.

Leipzig Helmar Junghans

Gregorius Ariminensis: Lectura super primum et secundum sententiarum
, ed. A. D. Trapp. IV: Super Secundum (Dist 1-5). Elaborave-
runt: A. D. Trapp, M. Santos-Noya, M. Schulze. LXI, 396 S. V:
Super Secundum (Dist 6-18). Elaboraverunt: A. D. Trapp, V.
Marcolino, M. Santo-Noya. VI, 392 S. Berlin - New York: de
Gruyter 1978/79 gr. 8' = Spätmittelalter und Reformation, Texte
und Untersuchungen, 9/10.

In der Erforschung der Theologie und Philosophie des 14. Jh. ist
diese Ausgabe, deren ersten zwei von insgesamt sieben Bänden jetzt
vorliegen, nicht weniger als ein Ereignis. Wir haben zwar schon über
zwei Jahrzehnte durch die Reprint-Ausgabe des amerikanischen
Franciscan Institute einen erleichterten Zugang zu Gregor von Ri-
mini gehabt, aber die Lektüre des alten Druckes ist sehr mühsam, und
vor allem fehlen die Hilfsmittel, die in der neuen Ausgabe gebracht
werden: ein textkritischer und ein kommentierender Apparat. Nach
der Planung des Tübinger Institutes sollen die fehlenden fünf Bände
innerhalb von drei Jahren vorliegen.

In dem Vorwort zum 4. Bd. bietet der Direktor des Tübinger Institutes
für Spätmittelalter und Reformation, Heiko A. Oberman,
eine seiner eleganten geistesgeschichtlichen Skizzen dar. Von Gregor
über die sog. Augustinerschule, über Pierre d'Ailly, Johann Eck und
Staupitz gelangen wir zu den Wittenbergern Luther und Karlstadt (S.
VI—VIII). Mit Danksagungen an verschiedene Seiten schließt Oberman
sein Vorwort. Sowohl hier als auch im Vorwort zum Bd. 5 hebt
er hervor, daß diese Ausgabe auf team-work beruht, was aber nichts
daran ändere, daß A. Damasus Trapp der Hauptherausgeber sei. Für
Bd. 4 werden auf dem Titelblatt außerdem Manuel Santos-Noya und
Manfred Schulze, für Bd. 5 Venecio Marcolino und Manuel Santos-
Noya genannt.

Die Einleitung (Bd. 4, XI-XXXIX), von Trapp und Schulze
unterzeichnet, fängt mit einer Beschreibung der Hss. und der (alten)
Drucke an. In einer Darstellung der Überlieferung des Zweiten Sentenzenbuches
merkt sich der Leser, daß dieses Buch „von den (uns)
bekannten Textzeugen in durchwegs einheitlicher Fassung und ohne
tiefgreifende Abweichungen überliefert" ist (XXII). Man darf also
keine großen Überraschungen erwarten, insofern als auch die Drucke
nach der Auffassung der Hrsg. Gregor „im wesentlichen authentisch"
wiedergeben, obwohl Fehler im Einzelfall vorkommen. Sorgfältig