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Ausgabe:

1981

Spalte:

331-333

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Puech, Henri-Charles

Titel/Untertitel:

En quête de la Gnose 1981

Rezensent:

Weiß, Hans-Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 5

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sical Hebrew historiography (213-229); T. Veijola, Salomo - der
erstgeborene Bathsebas (230-250); H. G. M. Williamson.The
origins of the twenty-four priestly courses: a study of 1 Chronicles
XX1II-XXVII (251-268).

K.-H. B.

Neues Testament

Puech, Henri-Charles: En quete de la Gnose. I: La Gnose et le temps
et autres essais. Sur l'Jzvangile selon Thomas. Paris: Gallimard
1978. XXX, 300 S. und 319 S. 8* = Bibhotheque des sciences
humaines.

«En quete de la Gnose» - solche Überschrift über eine Reihe von
in diesen beiden Bänden zusammengestellten Aufsätzen und Vorträgen
von H.-Ch. Puech will beachtet sein. Es heißt ja nicht: „Enquete
...", also „Forschung(en)" oder „Untersuchung(en) zur Gno-
sis", sondern eben «En quete ...», was wohl am besten zu übersetzen
ist: „Auf der Suche nach der Gnosis". Dem entspricht jedenfalls das
Selbstverständnis des Vf. im Blick auf seine Arbeiten, wie er
selbst es am Ende seiner Vorrede zu beiden Bänden artikuliert: «De
toute facon, tout le contenu de ces deux volumes n'a... qu'une
valeur provisoire. Iis ne font que consigner les resultats, peu ä peu
modifies et toujours reformables, d'une recherche en train de se
faire, mouvante, dependante d'une documentation incessament ren-
puvelee. Leur auteur fait sienne la tres breve maxime que le logion 42
de l'fivangile selon Thomas met dans la bouche de Jesus: <Soyez pas-
sant>»(I, S. XXIXf). Dem entspricht nicht zuletzt auch der Zeitraum
von rund 40 bis 50 Jahren, in dem die hier gesammelten Aufsätze und
Vorträge ursprünglich erschienen bzw. gehalten worden sind, so daß
aus beiden Bänden im Grunde eine ganze Forschungsgeschichte zur
Gnosis ablesbar ist. Die damit gegebene Einsicht in die «valeur provisoire
» der einzelnen Beiträge mindert indes in keiner Weise ihren
Wert - ganz im Gegenteil. Beim gegenwärtigen Stand der Gnosisfor-
schung im allgemeinen - etwa im Zusammenhang der Frage nach
dem „Wesen der Gnosis" - wie auch im besonderen - bei der Analyse
einzelner Texte und ihrer Probleme - wäre jedes „letzte Wort" ohnehin
fehl am Platze. Gut beraten ist demgegenüber derjenige, der sich
mit dem Vf. auf den Weg der „Suche nach der Gnosis" begibt, und
zwar eben anhand der hier zusammengestellten Beiträge, die sich -
aufs Ganze gesehen - durch eine äußerst fruchtbare Verbindung einer
„phänomenologischen" mit einer exegetisch-analytischen Fragestellung
auszeichnen.

In sachlicher Hinsicht ist der Rahmen der einzelnen Beiträge
außerordentlich weit gespannt - mit Recht. Denn wer weiß, daß die
Gnosis einerseits ein typisches Phänomen des spätantiken Synkretismus
ist (und in diesem Sinne gewiß auch ein vorchristliches Phänomen
der spätantiken Religionsgeschichte), daß sie andererseits aber
auch eine äußerste Vielfalt von Uberlieferungen der antiken und
spätantiken Religions- und Philosophiegeschichte in sich zu integrieren
vermochte, der wird sich nicht wundern, wenn im ersten Band -
bedeutsam für die gnostische Unterscheidung zwischen einem
„Demiurgen" und einem „unbekannten Gott" - ein Aufsatz über
«Nuemnius d'Apamee et les theologies orientales au second siecle»
erscheint (25-54). Weiter: wer weiß, in welchem Maße die philosophische
Schule des Neuplatonismus ebenso wie die Gnosis eine in
einem bestimmtes Sinne typische Ausformung des „spätantiken Geistes
" (H. Jonas) ist, wird nicht nur die Frage nach der Beurteilung der
„Gnostiker" durch Plotin für wichtig halten (Plotin et les Gnostiques:
I, 83-116), sondern im Zusammenhang der Frage nach dem Wesen
der Gnosis im Unterschied zum Neuplatonismus für vielleicht noch
wichtiger die Bestimmung der «Position spirituelle et signification de
Plotin» (I, 55-82, vgl. hier bes. S. 62ff). Auch die zunächst etwas abwegig
erscheinende Untersuchung über «La Tenebre mystique chez

le Pseudo-Denys l'Areopagite» (I, 119-141) hat - wie sich alsbald

herausstellt - im unmittelbaren Zusammenhang mit der für die überlieferten
Texte der Gnosis weithin charakteristischen „negativen
Theologie" ihren festen Ort in diesem Band. Unter den mehr analytisch
ausgerichteten Beiträgen des ersten Bandes ist auch der bereits
im Jahre 1936 erstmals erschienene Aufsatz «Fragments retrouves de
l'Apocalypse d'Allogene» (271-300) hervorzuheben, aus dem sich -
vor allem anhand der bereits den Textfund von Nag Hammadi berücksichtigenden
„Appendices" (295ff)- paradigmatisch der Weg der
neueren und neuesten Gnosisforschung ablesen läßt. - Von der kurzen
Notiz zum hermetischen Schrifttum (Hermes trois fois incarne.
Sur quelques temoignages negliges relatifs ä l'hermetisme, 117f) einmal
abgesehen, sind die übrigen im ersten Band abgedruckten Beiträge
vorwiegend „phänomenologisch" ausgerichtet. Im Grunde gilt
dies bereits für den noch innerhalb der Vorrede (IX-XXVII) unternommenen
Versuch, die Frage nach Gegenstand und Charakter der
„Erkenntnis" im Sinne der Gnosis zu beantworten und von daher
zugleich die bestimmenden Leitmotive gnostischen Denkens herauszuarbeiten
(vgl. bes. S. XHIff). Ausdrücklich bestimmt solche Fragestellung
auch den aus einer Vorlesungsreihe am «College de France»
(1952-1957) entstandenen Beitrag «Phänomenologie de la Gnose»
(185-213) sowie - vor allem - den umfangreichen Aufsatz über das
Zeitverständnis der Gnosis vom Jahre 1952 (La Gnose et le temps.
215-270), der von dem am Eingang des Bandes stehenden Beitrag
«Temps, histoire et mythe dans le christianisme des premiers siecles»
(1-23) wirkungsvoll kontrapunktiert wird. Dieser Aufsatz, in dem der
Vf. das charakteristisch gnostische Zeitverständnis im Unterschied
zum „christlichen" wie auch zum „hellenistischen" als «la conse-
quence et le reflet des aventures ou du conflit de realites transcendan-
tes, la doublure episodique d'une tragedie intemporelle» beschreibt
(269), stellt zweifellos den Höhepunkt des ersten Bandes dar, zumal
die spezielle Fragestellung auch hier wieder den Blick auf das Ganze
und somit auch auf die Frage nach dem Wesen der Gnosis freigibt. -
Im Rahmen des ersten Bandes sei endlich auch noch der primär forschungsgeschichtlich
orientierte Beitrag «Oü en est le probleme du
gnosticisme?» (143-183) erwähnt, der unter der Überschrift „Das
Problem des Gnostizismus" nunmehr auch in deutscher Übersetzung
in der von K. Rudolph besorgten Dokumentation „Gnosis und Gnostizismus
" im Band 252 der „Wege der Forschung" vorliegt
(306-351). Zwar markiert dieser Beitrag, der zur Zeit seines ersten Erscheinens
(1934) eine entscheidende Wende in der Gnosisforschung
von der Erschließung der manichäischen Bibliothek von Medinet-
Madi erwartete, in besonderer Weise eine Station auf dem Wege der
Forschung. Gleichwohl ist es erstaunlich zu sehen, in welchem Maße
der Vf. damals bereits - im Ansatz jedenfalls - bestimmte Grundlinien
künftiger Forschung in den Blick genommen hat.

Sehr viel einheitlicher als der erste ist der zweite Band konzipiert.
Sein ausschließlicher Gegenstand ist das Thomasevangelium aus der
Bibliothek koptisch-gnostischer Schriften von Nag Hammadi, dessen
Übersetzung denn auch dem Band vorangestellt ist (11-27; im Anschluß
daran - 28-32 - eine Liste der «paralleles et elements scriptu-
raires» im Thomasevangelium). Was in diesem zweiten Band im einzelnen
dargeboten wird, betrifft - mit Ausnahme des kurzen Beitrages
«Un logion de Jesus sur bandelette funeraire» (59-62) - weniger die
Probleme einzelner Logien des Thomasevangeliums als vielmehr
seine Gesamtinterpretation als eines genuinen Dokuments der Gnosis
. Mit Fug und Recht kann man sagen, daß somit in diesem Band
eine Art Handbuch zum Thomasevangelium vorliegt, mit des Vf.
eigenen Worten (im Untertitel zu Band II): eine «esquisse d'une Interpretation
systematique» des Thomasevangeliums. Gilt dies bereits
für den allgemein in Bedeutung und Eigenart dieses „Evangeliums"
einführenden Vortrag «Une collection de paroles de Jesus recemment
retrouvee: l'Evangile selon Thomas» (33-57), so umsomehr für die
beiden unmittelbar aneinander anschließenden, wiederum aus Vorlesungen
am College de France in den Jahren 1956-1960 bzw.
1960-1972 hervorgegangenen Beiträge «Explication de l'£vangile
selon Thomas et recherches sur les Paroles de Jesus qui y sont