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Ausgabe:

1981

Spalte:

328-329

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Pohlmann, Karl-Friedrich

Titel/Untertitel:

Studien zum Jeremiabuch 1981

Rezensent:

Herrmann, Siegfried

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 5

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hältnisses von Hiobthematik und christlichem Glauben stellt. Hier
wird auf das Hiobbuch und seine Aussagen angewendet, was der
Kommentator in anderen Zusammenhängen schon über die grundsätzliche
Gegensätzlichkeit zwischen christlichem Glauben und altte-
stamentlicher Religiosität gesagt hat: „Das Buch Hiob kann in der
Art, wie es seine Fragen stellt und zu beantworten versucht, keine
Wegweisung für rechten christlichen Glauben geben" (20). Ob freilich
der Hinweis auf die historische ,Vorläufigkeit' des Alten Testaments
und damit auch des Hiobbuches gegenüber dem ,Erdendasein
Jesu' und damit gegenüber der .Entstehung des Christentums' (19)
einen tauglichen Ansatzpunkt für die Verhandlung der Beziehungen
zwischen Hiobthema und christlichem Glauben darstellt, muß selber
erst gefragt werden. Die Reduzierung der Bedeutung des Hiobbuches
für den christlichen Glauben auf die Unterstreichung des läuternden,
erziehenden und den Glauben fördernden Charakters des Leides (21)
scheint mir eine nicht notwendige Eingrenzung der Aussageabsichten
dieses biblischen Buches zu sein. Doch darüber müßte man ausführlicher
sprechen. Das Verdienst Hesses ist es, die Bestimmung des Verhältnisses
zwischen alttestamentlichem und christlichem Glauben
immer wieder zu thematisieren.

Leipzig Siegfried Wagner

Preuß, Horst Dietrich: Deuterojesaja. Eine Einführung in seine Botschaft
. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins
1976. 121 S. 8 Kart. DM 16,50.

Das in der Form einer broschierten Taschenbuchausgabe erschienene
Büchlein will gezielt exegetisch-theologisch informieren. Die
Lesbarkeit wird für Theologen wie Nichttheologen gewünscht. Vermittelt
werden soll eine Gesamtschau der Verkündigung Deuterojesa-
jas(Kap. 40-55).

Innerhalb vier einführender Kapitel (11-31) wird der Leser behutsam
und sehr einleuchtend mit den literar- und formkritischen Befindlichkeiten
vertraut gemacht. Er hört auch, daß das babylonische
Exil für den Glauben Israels eine wichtige Zeit war und „zum Ort
theologischer Bestandsaufnahme und Besinnung" (16) wurde. Der
große Prediger und große Theologe dieser Zeit war der mit dem Verlegenheitsnamen
Deuterojesaja genannte Prophet. Könnte man ihn
nicht vielleicht den .jüngeren Jesaja" nennen? Das wäre sicher verständlicher
. Vielleicht hätte der Anspruch des Buches, ebenso für
Nichttheologen geschrieben zu sein, auch eine Begründung der kanonischen
Legitimität der Verkündigung Deuterojesajas im Anschluß
an Jesaja erheischt. Der innere Ermöglichungsgrund dieser Botschaft
ist die notvolle Situation von gläubigen Menschen, also einer Gemeinde
- wer aber waren diese Leute um Deuterojesaja?

In einer eindrücklichen und präzisen Art werden nun im Hauptteil
(32-106) sechs Textabschnitte kommentiert, die das Anliegen des Vf.,
die Verkündigung dieses Propheten verständlich zu machen, begründen
. Zugleich unterstreichen sieben Exkurse die Bedeutung einzelner
Sachthemen. Hier werden exegetische Befunde nicht durch Anmerkungen
unterbrochen und auch allzu sterile Interpretationen vermieden
. Auf dem schmalen und beiderseits vom Abgrund umgebenen
Pfad, zu dessen einer Seite die fachlich-theologische Debatte und zur
anderen Seite die eigene Verkündigung liegt, hätte man doch aufgrund
der Profilierung des Vf. an mancher Stelle ein mutigeres Wort
im Sinne einer hermeneutischen Deutbarkeit des Textes erwarten
dürfen. Jedenfalls hätte es der Absicht des Büchleins keinen Abbruch
getan, wenn hie und da hermeneutische Lichter als Verkündigungshilfen
gesetzt wären.

Fragen, die der Vf. in einem Schlußteil „Zur Wirkungsgeschichte
und Wertung der Verkündigung Deuterojesajas" (107-109) stellt,
sind bleibende Fragen, angeregt durch die Gegenwärtigkeit Jahwes in
der Verkündigung des Propheten: „Heißt ,an Gott glauben' nicht
auch stets und sogar primär .etwas von ihm erhoffen' und darüber
hinaus nicht nur etwas, nein, ihn und sein Kommen zur Aufrichtung

seiner Herrschaft selber erhoffen?" (108). Hier werden die theologiegeschichtlichen
Weichen zur apokalyptischen Weltschau gestellt.
Das Buch schließt mit einem informativen Verzeichnis wichtiger Li-
teraturU 10-121).

Alles in allem muß hier einer Tendenz in der alttestamentlichen
Forschung Aufmerksamkeit geschenkt werden, die durch die Klipp"1
der historisch-kritisch reflektierenden Methoden hindurchgelangt ist
und nun die bleibenden Verdienste einer jahrzehntelangen Debatte
im Hinblick auf ihre theologische Aussagekraft verwertet. War der historisch
-kritische Umgang mit den Quellen eines der größten Risiken
für die protestantische Theologie, so können heute die Früchte dieser
Arbeit geerntet werden. Sollten nicht noch weitere alttestamentliche
Bücher diesem Beispiel folgend aufbereitet werden?

Plauen Dieter Grimm

Pohlmann, Karl-Friedrich: Studien zum Jeremiabuch. Ein Beitrag
zur Frage nach der Entstehung des Jeremiabuches. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht 1978. 229 S. gr. 8' = Forschungen zur
Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, 118. Lw.
DM 49,-.

Im Mittelpunkt dieser leicht überarbeiteten Marburger Habilitationsschrift
aus dem Wintersemester 1976/77 stehen Analysen der
Texte A. Jer 24 und Jer 21, 1-10 und B. Jer 37-44. Den Texten der
Gruppe A„ insbesondere Jer 24, 5-10, wird die These entnommen,
daß ein Redaktor den Angehörigen der sog. ersten Wegführung des
Jahres 597 v. Chr. und damit der babylonischen Gola insgesamt eine
Vorzugsstellung eingeräumt habe. Sie seien als die wahren Träger des
Heilsplanes Gottes zu betrachten. Hingegen Zedekia und die im
Lande Verbliebenen, ferner die nach Ägypten Abgewanderten, seien
die Verworfenen gewesen; sie waren es, die auch die Zerstörung Jerusalems
erfahren mußten. Die Erfüllung dieser Perspektiven finde sich
in Jer 37-44, den Erzählungen über die letzten Ereignisse in Juda.
den Untergang der Stadt Jerusalem und die Schicksale danach, hauptsächlich
um Gedalja in Mizpa und den Abzug einer judäischen
Gruppe nach Ägypten. Eine sog. golaorientierte Redaktion habe
diese Texte, deren ursprünglicher Kern hypothetisch freigelegt wird,
in ihrem Sinne überarbeitet. Es habe sich dabei um den gleichen
Redaktionsvorgang gehandelt, der schon in Jer 24 und 21 beobachtet
werden konnte. Nicht die in den Jahren 597 und 587/6 im Lande
Verbliebenen und am wenigsten die nach Ägypten Abgewanderten
konnten und durften sich als Träger künftigen Heils verstehen. Dieses
fiel denen zu, die in der babylonischen Gola zwar das Gericht an sich
erfahren hatten, doch gleichzeitig als Garanten kommender positiver
Entwicklungen gelten konnten und sollten.

Die diffizile Analyse versucht, in Jer 37, 11-42 einen ursprünglichen
Kern freizulegen, der Jahwes Heilshandeln gerade für das Land
Juda und die dort Verbliebenen in Aussicht stellte. Die Vollversammlung
beim Propheten Jeremia in Jer 42 sei jedoch „durch und
durch Fiktion" (201). In Jer 43 und 44 jedoch sei die ausnahmslose
Vernichtung der in Ägypten lebenden Juden das ursprüngliche Ziel
des Textes gewesen, der jedoch jetzt infolge späterer Bearbeitung
mancherlei Spannungen und Brüche aufweise.

Über Anliegen und Theologie der golaorientierten Redaktion wird
gesagt, daß sie sich „in der aufgezeigten Art und Weise mit einer
Textvorlage auseinandersetzt, die aus der Sicht des Landes geschrieben
wurde und die Erwartungen der Judäer nach 587 v. Chr.
ausgedrückt". Die golaorientierte Redaktion markiere bereits „das
Endstadium eines Rivalitäts- und Konkurrenzverhältnisses, wie es
sich nach 587 v. Chr. zwischen Exilierten und im Lande Verbliebenen
entwickelte" (190). Aber der durch die Redaktion für das Gola-
judentum vertretene Äusschließlichkeitsanspruch, „der ähnlich beim
Chronisten erhoben wird", könne sich in Juda erst allmählich durchgesetzt
haben. So wird für die golaorientierte Redaktion frühestens