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Ausgabe:

1981

Spalte:

314-315

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Krolzik, Udo

Titel/Untertitel:

Umweltkrise, Folge des Christentums? 1981

Rezensent:

Gensichen, Hans-Peter

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 5

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Jjber die Einteilung des Slawenlandes in 18 Gaue versicherte er mir,
bis auf drei seien alle zum Christenglauben bekehrt gewesen" (11,26).
Adam nennt die Gründe, die zum Zusammenbruch der kirchlichen
Organisation geführt hatten: „Das nun gab den Slawen, die unter
christlicher Gerichtsbarkeit mehr Beschwerden als billig ertragen
mußten, die notwendige Gelegenheit, das Joch ihrer Knechtschaft
abzuschütteln und mit Waffen für ihre Freiheit einzutreten" (11,42).
Adam hält also den Aufstand der Slawen für gerecht, die christliche
Herrschaft brachte Nachteile, die Slawen kämpften um ihre Freiheit.
Andererseits registriert Adam die Vorgänge auch mit Bitterkeit: Die
S'awen „steckten alle Kirchen in Brand und machten sie dem Erdbo-
en gleich. Priester und andere Diener der Kirche brachten sie unter
allerlei Martern um, keine Spur des Christentums jenseits der Elbe
blieb erhalten" (11,43).

Wenn wir von dieser Darstellung, die am Ende des 11. Jh. geschrieben
wurde, auf die Missionsreisen des Bischofs Otto von Bamberg
1124 und 1128 sehen, so liegt der Unterschied klar vor Augen. Sicher
waren die realen Machtverhältnisse für Otto günstig. Trotzdem war
s wichtig, daß er auf jede Gewaltanwendung verzichtete. Otto
brachte Geschenke mit, er wollte keinem Menschen im Lande zur
Last fallen. Gelegentlich wurde er bedroht, dann haben ihn polnische
Soldaten geschützt. Otto hat gewußt, daß diese Reise ein Risiko beinhaltete
, er war kein schwärmerischer Phantast. Otto arbeitete mit den
Politisch Mächtigen zusammen, er beachtete nüchtern die gegebenen
Realitäten. Aber zu dem früheren Programm, das wir besonders bei
Widukind von Corvey oder bei Thietmar von Merseburg fanden,
Stellt nun doch ein ganz erheblicher Unterschied. Gewiß wollen wir
das Won „freiwillig" auch bei der Mission des Bischofs Otto von
Bamberg nicht zu sehr belasten. Die Freiheit der betroffenen Menschen
an der Peene war wohl vor allem die Einsicht in die Notwendigkeit
. Es gab doch kaum eine andere Entscheidungsmöglichkeit
tischen einer deutschen Kirche im Westen und einer polnischen
Kirche im Osten. Dennoch wird das Auftreten eines friedliebenden
Bischofs aus dem Süden den Übertritt zum christlichen Glauben
S'cher leichter gemacht haben.

Abschließend wollen wir uns noch einer Frage stellen: Sind derartige
Gedenkfeiern berechtigt? Oder betreiben wir dabei eine Theo-
'°gia gloriae? Geraten wir in die Gefahr einer kirchlichen Heldenverehrung
, einer Heiligenverehrung? Im 450. Jahr der Confessio Augustana
liegt es nahe, an den 21. Artikel dieses Dokuments zu erinnern,
der die Überschrift trägt: „Vom Dienst der Heiligen" (De cultu sanc-
torum). Dieser Artikel lehrt gerade auch im Hinblick auf solche Gestalten
wie Bischof Otto von Bamberg, daß „man der Heiligen gedenken
soll, auf daß wir unseren Glauben stärken, so wir sehen, wie
■hnen Gnad widerfahren, auch wie ihnen durch Glauben geholfen ist;
dazu daß man Exempel nehme von ihren guten Werken, ein jeder
"ach seinem Beruf.. ." In diesem Sinne wollen wir uns an Bischof
Otto von Bamberg und sein missionarisches Wirken erinnern lassen:
An seinen Mut, mit dem er sich ganz neuen Aufgaben zuwendete, an
seine Nüchternheit, mit der er die gegebenen Realitäten einschätzte,
an seinen Friedenswillen, der ihn Wege zum Ausgleich finden ließ,
sowie an seinen Glauben, der ihm bis ins hohe Alter hinein immer
nieder neue Kraft gab.

1 Hrsg. v. Norbert Buske, Greifswald 1978.

2 Hrsg. v. Brigitte Metz. Greifswald 1978.

' Adolf Hofmeister, Die Prüfeninger Vita des Bischofs Otto von Bamberg,
Greifswald 1925; Übersetzung in der Reihe Geschichtsschreiber der deutschen
Vorzeit, 1928; Heinrich von Fichtenau, Wolfger von Prüfeningen,
■n: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 51,
1937.

* Wilhelm Wattenbach Robert Holtzmann, Deutschlands Geschichtsquellen
im Mittelalter, 2. Teil, Neuausgabe von Franz-Josef Schmale, Bd.
H. Weimar 1967, S. 488.

' Ebd. S. 489.

' Ed. Philipp Jane. Bd. 5.1869. S. 580-692 und 693-835.
7 Ed. J. Wikarja in MPH, Nova Series 7,1-3, Warschau 1966. Vgl. Schmale
. a.a.O. Bd. III. Weimar 1971, Nachträge S. 148.

" Brigitte Metz, Zur Lebensgeschichte des Bischofs Otto von Bamberg, in:
Bischof Otto I. von Bamberg, hrsg. v. N. Buske. Greifswald 1978, S. 23.
Sie nennt u.a. Dietrich Andernacht, Die Biographien Ottos von Bamberg,
Diss. Frankfurt 1950 (MS), der dem Bericht Ebos die größte Bedeutung
beimißt. Eberhard Demm, Reformmönchtum und Slawenmission im 12.
Jahrhundert (Historische Studien 419), Lübeck 1970, geht von einer
gleichzeitigen Entstehung der Viten des Ebo und des Prüfeninger Mönches
aus.

' Georg Denzler, Der heilige Otto von Bamberg, in: Bavaria sancta - Zeugen
christlichen Glaubens in Bayern. Hrsg. v. Georg Schwaiger. Bd. II. Regensburg
1971, S. 144-156. Denzler verweist auf G. Beck, Der heilige
Otto von Bamberg, Leben und Werk des großen Bischofs, Bamberg 1962.

10 J. Ramackers, Wann hat Heinrichs IV. Hofkaplan Otto die Speyrer Dombauhütte
geleitet? in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 13.
1961, S. 393ff.

" Georg Denzler, a.a.O. S. 146.

11 Carlo Servatius, Paschalis II (1099-1118) (Päpste und Papsttum Bd.
14), Stuttgart 1979, S. 214-240.

I > Georg Denzler, a.a.O. S. 148.

" Ernst-Dieter Hehl, Kirche und Krieg im 12. Jahrhundert. Stuttgart
1980, S. 21 unter Hinweis auf die Chronik des Ekkehard von Aura IV,
zum Jahre 1124.

" Michael Bunners, Eine Plastik Ottos von Bamberg aus unserem Jahrhundert
in der Klosterkirche zu Malchow, in: Bischof Otto L von Bamberg,
hrsg. v. Norbert Buske, Greifswald 1978, S. 101.

« Vgl. Anm. 1, S. 48-84.

" Norbert Buske, a.a.O. S. 70.

" G. Haendler, Reichskirche und Mission in der ersten Epoche der Christianisierung
Mecklenburgs (bis 1066), in: Kirche und Gesellschaft im Ostseeraum
und im Norden vor der Mitte des 13. Jahrhunderts (Acta Visbyensia
III 1967), Göteborg 1969, S. 65-75.

" Ruotgeri Vita Brunonis, ed. Irene Ott 1951, MG SS rer. Germ. 10.

» Continuator Reginonis, ed. F. Kurze 1890, MG SS rer. Germ. 50.

II Liutprand, Relatio de legatione Constantinopolitana, ed. J. Becker 1915.
MG SS rer. Germ. 41,3.

1 Carmen de gestis Ottonis imperatoris, ed. K. Strecker '1930. Verse
141-145.

" Widukindi Monachi Corbeiensis rerum gestarum Saxonicarum libri tres.
ed. F. Hirsch11935, MG SS rer. Germ. 60.

» Helmut Beumann, Widukind von Corvey, 1950, S. 212.

» Hans-Dietrich Kahl, Deutsche Heidenmission des Hochmittelalters,
in: Heidenmission und Kreuzzugsgedanke in der deutschen Ostpolitik des
Mittelalters, hrsg. v. H. Beumann, Darmstadt 1963, S. 165.

" Martin Lintzel, Die politische Haltung Widukind von Corveys, in: Ausgewählte
Schriften II, Berlin 1961, S. 328.

» Vita sancti Adalberti 1, ed. H. Pertz, MG SS IV, S. 581.

" Thietmari Merseburgensis episcopi Chronicon, ed. W. Trillmich, Berlin
1959 (Frhr. v. Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. 9).

" G. Haendler, Reichskirche und Mission bei Thietmar von Merseburg, in:
Evang. Missionszeitschrift 23, 1967, S. 203-214.
M Vgl. Anm. 25 S. 167.

" In: Bleibendes im Wandel der Kirchengeschichte, hrsg. v. B. Moeller
undG. Ruhbach,Tübingen 1973,S. 101-150.

" Magistri Adam Bremensis Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum.
ed. W. Trillmich, Berlin 1961, S. 160-499 (Frhr. v. Stein- Gedächtnisausgabe
, Bd. 11: Quellen des 9. und 11. Jh. zur Geschichte der Hamburgischen
Kirche und des Reiches).

Allgemeines, Festschriften

Krolzik, Udo: Umweltkrise - Folge des Christentums? Mit einem
Vorwort von Günter Altner. 2. Auflage Stuttgart- Berlin: Kreuz
Verlag 1980. 125 S. 8°. Kart. DM 24,-.

Die These, daß der christliche Glaube und insbesondere der Auftrag
zum dominium terrae in Gen 1,28 den (oder einen) entscheidenden
Anstoß gegeben habe für das wissenschaftliche Denken und
technische Naturbcherrschen, wie es sich vor allem in Europa und
Nordamerika durchgesetzt hat. ist kirchlich-theologisches Allgemeingut
geworden. Erst in ihrer negativen Form - als These von der
Schuld des Christentums an der heutigen Umweltkrise, vorgetragen
von Lynn White (1967) und im deutschen Sprachraum popularisiert
durch Carl Amery (1972) - hat sie auch zu historischen Überprüfungen
gereizt.

Deren bislang gründlichste ist die vorliegende Untersuchung, eine
lesenswerte und gut lesbare Hamburger Magisterschrift von 1976.