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Ausgabe:

1981

Spalte:

284

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Titel/Untertitel:

Weltphaenomen Atheismus 1981

Rezensent:

Petzoldt, Martin

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283

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 4

284

die metaphysische Erfahrung, weil hier die Bezogenheit des am
Seienden erfahrenen Seins-selbst aufsein Für-sich erfaßt wird, „in
dem das Sein erst ganz sich selbst inne hat" (123). In solcher Erfahrung
des Seins vollendet sich der Rückgang des Menschen in sein eigenes
Innen, Seinserfahrung undErfahrung der Person sind untrennbar
verbunden. Dabei unterscheidet Vf. dann ein vorbegriffliches
Erfassen des Seins in der Kunst und ein überbegriffliches Erfassen
in der Meditation von der begrifflichen Fassung in der Ontologie.

Auch die ontologische Erfahrung ist Übergang zu dem, was der
6. Teil, von Umfang wie Inhalt her am gewichtigsten, als „Die
metaphysische Erfahrung" beschreibt. Vorbereitend wird dabei
die Möglichkeit soloher Erfahrung Gottes als des subsistierenden
Seins darin gefunden, daß in der Schöpfung dieses Sein dem Seienden
und insbesondere dem Menschen verbunden ist und verbunden
bleibt (150). Die Erfahrung des subsistierenden Seins ist implizit
mit der ontologischen Erfahrung gegeben, sie wird explizit in der
metaphysischen Erfahrung und erkennt schließlich Gott in der
begrifflich-diskursiven Auslegung dieser Erfahrung (158). Vorausgesetzt
ist dabei eine wesenhafte Ausrichtung des Menschseins auf
Wahrheit und Gutheit und in ihnen auf Gott selbst. Metaphysische
Erfahrung wird dann als der Weg des Seins, der Wahrheit und der
Gutheit beschrieben, wie sie der memoria als dem Seelengrund,
dem Erkennen und dem Wollen des Menschen eingestiftet sind.
Dabei sucht L. Erfahrung als intuitives Erfassen vom diskursiven
Erkennen zugleich zu unterscheiden und doch mit ihm zusammenzuhalten
. Zugleich werden die genannten Wege als wirklich zu
gehende Wege gezeigt, die in eine immer tiefere Erfahrung des
Seins als des Gründenden, der Wahrheit als der reinen Identität,
der absoluten Fülle des Guten führen; hier nimmt die Erörterung
von Erfahrungen der ,,Ent-Täuschung" einen breiten Baum ein,
die über endliche Güter hin zum unendlichen Gut führen.

Die Ausführungen des 7. Teils „Die religiöse Erfahrung" fallen
in Schärfe und Klarheit gegenüber dem 6. Teil stark ab, vielleicht
weil Vf. hier ohne den ständigen Bückgriff auf Thomas auskommen
muß. In Auseinandersetzung mit philosophischen Bestimmungen
der religiösen Erfahrung insbesondere vom Emotionalen her
(M. Scheler, B. Otto) soll die religiöse Erfahrung als höchste Stufe
der transzendentalen Erfahrung, als Begegnung mit dem göttlichen
Du, aufgewiesen werden. „Abschließende Überlegungen" bilden
einen 8. Teil. Hier wird noch einmal das Erfahrungsverständnis,
das die Untersuchung leitete, herausgestellt als „das unmittelbare,
hinnehmende Erfassen von vorgefundenem Wirklichem" (284).
Auch wird die Frage nach der Vermittlung von Erfahrungen gestellt
, wobei L. das Verhältnis von Meditieren und Philosophieren,
die beide in der transzendentalen Erfahrung wurzeln, erörtert.

In der besprochenen Arbeit ist vieles stillschweigend vorausgesetzt
. Nur wer über die philosophische Diskussion der ontologischen
Problematik einigermaßen unterrichtet ist, wird der oft
nur angedeuteten, häufig sehr knappen Polemik folgen können,
ohne sich durch sie zu einer vereinfachenden und einseitigen Sicht
der Dinge verführen zu lassen. Erst recht aber ist nach den Voraus-
setzungender hier beschriebenen Gotteserfahrung zu fragen. Es ist
zu begrüßen, daß Vf. versucht, den Intellektualismus neuscholastischer
Metaphysik aufzubrechen und den Erfahrungshorizont metaphysischen
Denkens umfassend zur Sprache zu bringen. Das kann
freilich nur so geschehen, daß dabei die Geschichtlichkeit solchen
Erfahrens mit bedacht wird. L, spricht hier die individuelle Erfahrung
an, die gerade in transzendentaler Hinsicht sehr verschieden
weit gelange (183 u. ö.). Dagegen sollte die geschichtliche
Prägung noch deutlicher auch für die Erfahrungsmöglichkeiten
ganzer Epochen aufgezeigt werden. Ein solches Eingehen auf die
geschichtliche Differenziertheit möglicher Erfahrungen aber pro-
blematisiert andererseits den allgemeinen Anspruch des Dargelegten
. Ist eine vita contemplativa, die sich aus der Zerstreuung
der Sinnlichkeit in die Einheit eines geistigen Innen zurücknimmt,
in dem sie ihrer Einbettung in das eine Sein und damit ihrer Ausrichtung
auf Gott gewahr wird, wirklich die Weise der Gotteserfahrung
, zu der anzuleiten an der Zeit ist ? Ist sie das Evangelium
für den in seiner Leibhaftigkeit leidenden Menschen? Vielleicht
fragt so nicht nur der evangelische Theologe angesichts der Sicherheit
, mit der diese imponierende geistige Leistung in der katholischen
Tradition festgemacht ist.
Crtonflin i'rieiiricii lUMwlwmt

Wucherer-Huldenfeld, Augustinus Karl, Johann Figl und Sigrid
Mühlberger [Hrsg.]: Wehphänomen Atheismus. Wien-Freiburg-
Basel: Herder 1979.177 S. gr. 8° = Studien z. Atheismiisforschg,
1. Kart. ÖS 128.-.

Der Bogen der in diesem Band vereinigten Untersuchungen ist
absichtlich weit gespannt, wie an den Themenstellungen gut zu
sehen ist: Hugo Bogensberger: Zur Verbreitung des Atheismus
in der Welt von heute. Eine kritische Sichtung sozialwisscnschat't -
licher Befunde (11-34); Augustinus Karl Wucherer-Hulden-
feld: Phänomen und Bedeutung des gegenwärtigen Atheismus.
Philosophisch-theologische Analyse und Sinndeutung (35-58);
Ludger Wilfried Lang: Scientismus als Artikulation des heutigen
Atheismus. Wissenschaftsgeschichtliche u nd - t heoretische Problem -
konstellationen (59-88); Max Josef Suda: Atheismus als Konsequenz
extremer theologischer Ansätze. Aufgewiesen an der Denkentwicklung
Bruno Bauers und der „atheistischen Theologie"
Thomas ,T. J. Altizers (89-107); Günther Pöltner: Atheismus als
Prinzip menschlichen Hoffens. Ernst Blochs Philosophie der Hoffnung
(108-134); Kurt Lüthi: Emanzipatorische Theologie als
Alternative zu atheistischen Lebensentwürfen. Ein Plädoyer (135
bis 156); Johann Figl: Philosophische und theologische Argumentationsfiguren
gegenüber dem Atheismus. Zur Bedeutung religiöser
und philosophischer Gotteserkenntnis für das Gespräch mit den
Nichtglaubenden (157-176).

Ausgemachtes Ziel dieser Beiträge ist das vertiefte Verstehen
des Atheismus, um ihn „entsprechend neu zu würdigen" (Einleitung
, 9). Letztlich dienen diese Studien der Weiterentwicklung
des christlichen Menschenbildes, das immer wieder auch der Kritik
der eigenen Voraussetzungen bedarf.

IL V.

Baumotte, Manfred: Christologie und soziale Identität. Entwurf
einer systematischen Beligionstheorie der Nachaufklärung (NZS
Th 21, 1979 S. 286-302).

Bozzi, Bodolfo: La centralitä della classe operaia nel mondo con-
temporaneo? (Riflessioni filosofiche) (Gr. 61, 1980 S. 307-351)-

Clayton, J. P. und W. Härle: Aspekte des Transzendenzbegriffs.
Bericht über den religionsphilosophischen Kongreß in Oxford
(NZSTh21, 1979 S. 20-27).

Orippa, Maria Luisa: Umanesimo, ontologia e teocentrismo in
Etienne Gilson (Teologia IV, 1979 S. 368-387).

Orollius, Ary A. Boest: Inculturation and the Meaning of Oulture
(Gr. 61, 1980 S. 253-274).

De Certeau, Michel: Le silence de 1'absolu. Folies et Fous de Dien
(BSR 67, 1979 S. 525-546).

Gallas, Alberto: L'antinomia atto-essere tra filosofia e teologi»'
Analisi dell'opera Akt und Sein di Dietrich Bonhoeffer (Teologia
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Gauvin, Joseph: La critique du salut chretien par l'Aufklärung
helon la Phänomenologie de Hegel (BSB 68. 1980 S. 391-418).

Gethmann, Carl Friedrich: Die Ausdifferenzierung der Logik an*
der vorwissenschaftlichen Begründung«- und Bechtfertigungs-
praxis (ZKTh 102. 1980 S. 24-32).

Gethmann-Siefert, Annemarie: Die systematische Ästhetik und
das Problem der Geschichtlichkeit der Kunst. Überlegungen anhand
der Bestimmung der Malerei in Hegels Ästhetik und in der
Theorie der abstrakten Malerei (ZKTh 102. 1980 S. 156 183).

Haour, Bernnrd: Prodiiction, echange et histoire. Reflexions siir
le theme de la fin et des moyens ä partir du Tapital de Mar*
(RSB 68. 1980 S. 419-442).

Henrici, Peter: Philosophieren aus dem Glauben. Hundert .I ii'"'
nach „Aeterni Patris" (ZKTh 101. 1979 S. 361-373).

Hoffmann, Johannes: Zur Kantrezeption innerhalb der Moral'
theologie (MThZ 31, 1980 S. 81-109).

Hofmeister, Heimo: „Et*i Dens non daretur." Zum Verhältnis
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Tnciarte, Fernando: „Anti-Oilson" (ThBev 75. 1979 Sp. 265 276).

Jones, Hugh 0.: Die erkenntnisrheoretixche Struktur des Glauben
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