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Ausgabe:

1981

Spalte:

266

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Lactance et son temps 1981

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

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266

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1081 Nr. 4

Lebensgefühl. Andererseits zeigt sich das Unvorhergesehene als anderes besagt. Auch die Beschränkung auf die genannten Kirchen-
Kairos, als Ausnähmest uation, in der die Entscheidung eines Men- historiker verzeichnet, das Bild. Gelasius von Caesarea, Philostor-
schen den ganzen weiteren Lauf der Geschichte bestimmen kann. gius, Theodor Anagnostes u. a. werden gar nicht genannt. Die
Sofern das Schicksal unausweichlich ist. zeigt es sich als durch Entwicklungslinie von dem heidnischen Fortunadenken zur christ-
Träume. Orakel, Omina. Sterne, usw. angekündigtes Fahim, dem liehen Rationalisierung im 4. Jh. und zur späteren Wiederauf-
'!' M lagisehe Held unterliegt. Was hellenistische Aufklärung über- nähme verchristlichter Fortuna-Elemente steht auf zu schmaler
wunden hatte, stellte sich in der Spätantike wieder ein. Basis. Euseb vermeidet den Begriff der Tyche, doch die neue
Mit diesem Ocschiehtsveretändnis hatte sich Euseb auseinander- christliche Hauptstadt des Reiches. Konstantinopel, erhielt bei
zusetzen. Seine Ethik ist wie sein Weltverständnis rational. Der ihrer Einweihung 330 ihre Tyche. Der Vf. hat ein wichtiges Thema
Kosmos ist durch den Logos gesetzmäßig geordnet, der Wille kann in Angriff genommen und eine Aufgabe formuliert, doch harrt
frei entscheiden. Gott steht über allem. Das nicht Berechenbare sie noch der letzten Durchführung fs. auch F. Winkelmann. Die
gewinnt als Ausdruck der Providern Gottes, der auch das Zufällige Kirchengeschichtswerke im Oströmischen Reich, in: Byzantino-
ordnet, den Charakter des - als von Gott Gewollten - Sicheren slavica 37, 1976. 1-10. 172-190).

gegenüber aller Unsicherheit, die der Fortuna anhaftete. Der GrsMkwald TTans (loorc Tln'iinmpl

Mensch, der nicht nur dem Zufälligen unterworfen ist, sondern
fluch durch den eigenen Körper behindert wird, ist aufgerufen,
beiden Beschränkungen mit dem freien Willen zu begegnen. Der

origenistisoh verstandene Fall der Menschheit vor aller Geschichte Fontaine, j,f et M> Perrin rE(],-,. Lactance et son temps. Recherche«
und das Wirken des Logos von den Patriarchen an machen die actuelles. Actes du IV« Colloque d'Etudes Historiques et Patri-
Weltgeschichte zur Heilsgeschichte. Mit Christus und Augustus stiques Chantilly21-23 septembre 1976. Paris: Beauchesne 1978.
Vollzieht sich die Vereinheitlichung der Welt von der Polyarchie 3]2 S. 8" = Theologie historique, 48.
zur Monarchie und vom Polytheismus zum Monotheismus. Mit dem

Sieg Konstantins ist das christliche Weltreich angebrochen, dem Die Akten des Laktanz-Kongresses Chantilly 1976 lassen das
nur noch apokalyptische Schrecken und das Weltende folgen. Tm Bemühen erkennen, gegenüber einer herkömmlichen abschätzigen
Unterschied zu einem zyklischen Denken, vor allem aber zu einer Beurteilung des Kirchenvaters sein Werk aus der historischen
römischen Auffassung, die Geschichte als Niedergang begriff, ver- Situation heraus zu verstehen und zu würdigen. Laktanz steht an
stand sie Kusch (wie zumeist die griechischen Historiker) als Fort- der Schwelle der konstantinischen Zeit, die die offizielle Anerken-
schritt. Wachsen rler Zivilisation und der wahren Gottesverehrung nung, ja Bevorzugung der Kirche sah. Seine Sicht der römischen
gingen für ihn Hand in Hand. Die im Logos begründete Rationali- Geschichte wie der Heilsgeschichte sind davon geprägt. Die theotat
der Welt wird nur durch den Neid der Dämonen eingeschränkt. retische Begründung der Synthese von Antike und Christentum,
Das rationale Verhalten des Menschen wird überhöht durch die und das Verhältnis Von Laktanz, Konstantin und Euseb waren
TCusebeia als Teilhabe an der kosmischen Liturgie. Jüdische Vor- Hauptthemen des Kongresses.

Stellungen vom messianischen Herrscher wie antike Vorstellungen Laktanz ist davon überzeugt, daß das Bündnis mit dem wahren

v°w Herrscher als inkamiertem Gesetz oder Logos Gottes konnten Gott den Bestand Roms sichert. Die Romanitas als humanitas

Vr>n Euseb übernommen werden, wobei freilich streng die Grenze wird von den Christen gegenüber der barbaries gewahrt. Es ist ein

'-wischen Got t und dem (menschlichen) Herrscher eingehalten wird. Werk göttlicher Gerechtigkeit, daß die Verfolger untergehen

Obwohl Sokrates. der Continuater des Euseb, sieh wie dieser (Corsaro). Sieg und Heil werden durch den richtigen Kult des

Origenes verpflichtet weiß, so ist doch sein Geschichtsbild ein an- wahren Gottes garantiert (Heim). Das führt zu der Frage, ob Lak-

""eres. Heidnisches, vor allem Plate und der Neuplatonismus, tanz konstantinische Gedanken vertritt (Heim), oder ob Konstan-

knmmt wieder stärker zum Zuge. Fortuna erscheint bei ihm vor tin von Laktanz abhängig ist (Guillaumin). Jedenfalls besteht eine

■BeBo als Kairos, wobei dieser Begriff einen negativen Klang erhält, enge Verwandtschaft im Denken beider, die auch in Konstantins

Er bezeichnet die Katastrophen, die Gott als Strafe verhängt, und Rede an die Versammlung der Heiligen zutage tritt. Diese ist also

die vermittels kosmischer Syinpathie auf verschiedenen Ebenen nicht ein Produkt Eusebs (de Decker, Schwartz).
gleichzeitig eintreten, in Natur, Staat. Kirche. Geschichte ist der Tm Bemühen, seinen heidnischen Zeitgenossen überzeugende

Katalog menschlichen Leidens. Beweise für die Wahrheit des christlichen Glaubens darzulegen,

Die späteren Autoren benutzen das Erarbeitete, wobei das Be- zitiert Laktanz mit Vorliebe heidnische Autoren. Neben den schon

Treben herrscht, die christliche Providentia der heidnischen For- von anderen zitierten Philosophen, und hier besonders Plate

tnna anzunähern. Sie entwickeln in der Nachfolge Eusebs das (Perrin). beruft sich Laktanz auch auf die Dichter. Auch diese

[dealbild eines christlichen Kaisers, der unnahbar, von Frömmig- haben, wenn auch in verunklärter Form, die Wahrheit erkannt

keit und Askese geprägt, halb Mönch, halb Soldat ist. (Goulon). Das zu erheben hat Laktanz besondere Methoden der

Man muß dem Vf. bescheinigen, daß er die fraglichen Gesehichts- Mythendeutung entwickelt (Goulon). Aber er hat auch in diesem

^erke gründlich gelesen und wichtige Züge herausgestellt hat. Sinne bedenkenlos heidnische Aussagen christlich gedeutet und

l;0r'h ist dir Untersuchung etwas zu punktuell angesetzt , wodurch umgedeutet (Doignon, Heck). Bevorzugte heidnische Quelle ist

*!pTl Akzentverschiebungen ergeben. Es ist sicher richtig, daß für Laktanz Cicero. Daneben spielen aber auch die für heidnisch

"erodot. Thukvdides und Polybius. auf die der Vf. vor allem Bezug gehaltenen Sibyllinen eine große Rolle. Laktanz teilt hier nicht die

WUttttt, zum Bildungsgut der Spätantike gehörten und deren Bedenken eines Origenes und die Zurückhaltung eines Euseb

>eschichtsdenken mitbestimmten. Doch fragt man sich, warum (Ouillaumin). Auch die Religionsgeschichte erhält bei diesem Ver-

•"gegenfiber die Zeitgenossen der christlichen Historiographen fahren einen sinnvollen Platz im Geschiehtsablauf (Fredouille).
a° kurz wegkommen. Amniianus Marcellinus wird einige Male er- Eine Zusammenstellung dessen, was Laktanz nun eigentlich an

AV!»hnt, Zosimus kaum mehr, die Historia Augusta ist völlig über- genuin Christlichem geglaubt und vertreten hat. macht deutlich,

gangen. ,jns Heidentam vor allem durch die älteren Griechen daß das gar nicht so wenig gewesen ist. Christus als der Gottmensch

|*WUentler1 wird .kommt auch die neue Religiosität nur gelegent- ist Offenbarer und Erlöser. Letztes Ziel des Menschen sind die

.'°h in den Blick, die sich nach der hellenistischen Aufklärung in Erkenntnis Gottes, eine entsprechende virtus fpatentia) und die

j[nnier stürlc0r0n Wellen ausbreitet. Das Vordringen der orienta- wahre Oottesverehrung (iustitia). die vermöge der Unsterblichkeit

'sehen Kulte, die Gläubigkeit der pannonisehen Kaiser, die reli- in Ewigkeit anhält fStnderV

osophie Biotins, vor allem aber das neue Ernstnehmen Untersuchungen zur Stellung des Laktanz in der Entwicklung

v°n Mvthen. Orakeln. Omina seit Maximus von Tyrus. Bestrebun- vom quantitierenden zum akzentuierenden Rhythmus (Casey), zur

die in der julianischen Reaktion kulminierten, sind doch nicht Auslegungsmetbode (Monat) u. a. runden das Bild ab. Besondere

°™>« Einfluß auf die Geschichtsauffassung geblieben. Wenn der Erwähnung verdienen Rouges Bemerkungen zur Textüberlieferung

•* als eine Verehristliebune der antiken Tvehe bei Evagrins in der einzigen Handschrift von De mortibus persecuterum. die

'^nsieht. rlaß das Glück des Kaisers göttliche Belohnung seiner u. a. zu interessanten Konsequenzen für die Gestalt des konstan-

"mmigkeit ist (208), so muß doch darauf hingewiesen werden. tinischen Monogrammkreuzes führen.
' Rß die seit Commndus ständige Kaisertitulatur Pius Felix nichts Orelfnwald Hans Oeorg Thnmmel