Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1981

Spalte:

261-264

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Demandt, Alexander

Titel/Untertitel:

Metaphern fuer Geschichte 1981

Rezensent:

Haendler, Gert

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

261

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 4

262

Sehend von ihrem religiösen Standpunkt, geprägt sei es in den gepflanzt und ein anderer begossen habe. Die Bedeutung der ErGrundlagen
(dein biblischen Schöpfungsbericht - für viele Autoren siehung für den einzelnen wie für eine Gemeinschaft findet sich in
Anlaß, ihre Geographie in einer Auslegung des Schöpfungswerks der Antike, bei Propheten, bei Paulus und mehreren Kirchen -
•0 entwickeln: z. B. 53.145f.191). sei es in der Zielsetzung (Hin- vätern. Das Wiederausschlagen eines abgehackten Baumes ist ein
fiihrung des Menschen zu Gott: z.B. 98f. 221f. oder Wieder- in der Antike verbreitetes Bild; durch Jesll.l hat es bis heute
herstellung der verlorenen Gottebenbildlichkeit: 168f). Und auch seine lebendige Bedeutung. Wiedergeburt und Geburtsschmerz
die nie gelösten Schwierigkeiten einer Verbindung von biblischem spielen in der Bibel und ihrer Umwelt eine Rolle auch im über-
und griechischem (v. a. aristotelischem) Weltbild haben ihren letz- tragenen Sinne. Zusammenfassend sagt D.: Die organische Funkten
Grund in einem religiösen Konflikt zwischen unterschiedlichen tionsmetaphorik gehört zum Grundbestand der historisch-poli-
Gottesvorstellungen. Ein Wandel im religiösen Interesse (in der tischen Sprache. Oft spielt der Bildgehalt kaum noch eine Rolle
Reformation die Hinwendung zum Gesichtspunkt der Providentia (Staatsorgane. Hauptstadt); bei anderen Metaphern ist das Bild
Gottes; Büttner gebraucht die unglückliche Wendung vom „luthe- deutlicher: Das „Herz" eines Betriebes, das ..Rückgrat" einer
"sehen" oder gar „protestantischen .Zentraldogma' ": z.B. 26.122) Bewegung, der „harte Kern" einer Gruppe (114).
bedingt eine neue Ausrichtung der Geographie (26f.53f. u. ö.). Die An 2. Stelle stehen „Jahreszeiten- und Tageszeiten-Metaphern"
Entwicklung der neuzeitlichen Geographie vollzieht sich als Ab- (124 165). Astronomische Bilder gewinnen an Anschaulichkeit,
lösung von biblischen Vorgaben und religiöser Zielsetzung wie vom „indem das der jeweiligen Jahres- oder Tageszeit angemessene
Weltbild der vorchristlichen Antike. Doch dieser Vorgang, wohl Verhalten von Menschen, Tieren oder Pflanzen metaphorisch ge-
v°n Keckermann in die Wege geleitet (165ff). verläuft keineswegs nutzt wird. Die Rede vom Frühling oder vom Morgen weckt Geradlinig
. So erleben wir etwa bei Comenins die Rückkehr zu danken an das, was wir im Frühling oder am Morgen zu tun pfle-
fi'nor biblischen (189ff) oder bei WolfT zu einer phvsikotheologisoh gen" (24). Meist handelt es sich aber nur um dekorative Spraeh-
luwgerichteten (221 ff) Geographie. bilder, nur „die frühchristliche Periodisierung der Weltgeschichte
ftie Beiträge dieses Bandes bieten reiches Material zur Bedeu- nach den Schöpfungstagen" hatte eine „strukturierende Bedeutung
religiöser bzw. theologischer Voraussetzungen für die Ent- tung" (124). Besonders vielfältig sind Hinweiseanf den Stern, auf
w'oklung des geographischen Denkens insbesondere in der frühen Sonne und Mond. Große Wirkung hatte die Bezeichnung desMes-
Newzeit, Die umgekehrte Kausalbeziehung, die den Theologen sias als „Sonne der Gerechtigkeit" (nach Mal 3,20). Der Beginn
"och stärker berührt, nämlich der Einfluß geographischer Kennt- eines „neuen Weltentages mit dem sonnengleichen Erscheinen
niiso ,md Vorstellungen auf die Entwicklung von Frömmigkeit Christi ist ein unerschöpflicher Farbentopf christlicher Poesie"
nnd Theologie, wird nur gelegentlich gestreift (vgl. zu Comenius (148). Vergleiche geschichtlicher Vorgänge mit Gestirnen dienen
Ond Rcyher). Besondere Beachtung verdienen vereinzelt aufge- dem Hinweis auf die Gesetzlichkeit in der Geschichte, Vergleiche
ZfiiRte Ansätze zu relMonsgeographischer Betrachtung (z. B. 102. mit Unwettern versinnbildlichen die Unbereohenbarkeit histori-
119.238fF.256). Der Snmmelband gibt dem Theologen wertvolle scher Prozesse. Frühling und Morgen sind mit Optimismus ge-
Hinwoisp auf ein oft übersehenes Grenzgebiet. Er regt dazu an. koppelt, der Tagesanbruch hat besonders im Frühchristentum seiden
Wirkungen eines Wandels im geographischen Denken auf nen Stellenwert (165).

Religiosität und Theologe nachzugehen. Er lädt aber auch Theo- Das Kapitel „Metaphern der Bewegung" setzt an den Anfang
logen zur Mitarbeit auf"dem Feld der Geographiegeschichte ein. „Gewässervergleiehe für Geschichte". Die antike Vorstellung vom
T>*nn viele Aussagen über gesoMohtHohe Zusammenhänge v. a. „Strom der Vergänglichkeit" wird im christlichen Denken nicht
'"lher die von den behandelten „Geographen" aufgenommenen Ein- aufgenommen. In der Neuzeit spricht man von der „Flut der
fl,"ls«e und die von ihnen ausgehenden Wirkungen - sind unsicher Völkerwanderung" oder vom „Deichbruch": in solchem Zu«:im-
"nd bedürfen der Nachprüfung. Es berührt sympathisch, daß die menhang kann auch die „Sintflut" wieder als Bild verwendet werteren
des Bandes sich dieser Unsicherheit durchaus bewu Bt sind den (181). Neben dem Staatsschiff spielt das Seh iff der Kirche eine
selbst auf problematische Feststellungen und offene Fragen Rolle: Von Gen 6 über Lk 5 geht die Linie zu Hippolyt den
'''"weisen sowie überhaupt ihre Beiträge als Anregung für weitere Pseudoklementinen. Petrus Chrysologus. Ambrosius und Theo-
Eorsehumron vergehen (vgl z B. 70.126.202f.220f.273f). doret (195). Geschichte kann auch als „zielstrebige Bewegung zu

Lande" aufgefaßt werden. Hier hat die Pilgerschaft des Volkes

''"'''""■Im «W* Kn',r Gottes ihren Platz. Zusammenfassend sagt D„ daß Bewegungsmetaphern
neben den organischen Gleichnissen die wichtigsten
Denkbilder der Geschiehtsphilosophie seien. „Bewegungsbilder

1),^ . , „ . . _ ... a , , .., , sind ärmer an Anschauung und reicher an Vcrwendnngsmöglich-

»^nd. Alexander: M h fö Ge8ch.chte. Sprachbilder ,,nd - ZL. Metaphern, sie werden Vergleichs-

Gleichnisse im histerisch-polihschen Denken. München: Beck ^

' 1 s- "r- s • Lw- lm m'~' Metaphern der Technik (271-331) gab es auch schon in der An-
Der Althistoriker A. Domandt war bei Abfassung seiner Disser- tike. Das Bild von der machina mnndi konnte leicht mit einem
-J**on auf den Vergleich der römischen Geschichte mit den Lebens- Schöpfer verbunden werden (Boethius). Baumethaphern spielen
''.'tern eines Menschen gestoßen (Ammianus Marcellinus 14,6). Seit- im AT eine Rolle. Gott als Baumeister erscheint in Jes 28,16 und
*•» hat ihn diese Problematik beschäftigt, Er stellt Lesefrüchte Ps 118. Tm NT wird die Baumetaphorik für die Gemeinschaft der
!*M«imen. die er „im Vorübergehen mitgenommen" hat (2). Der Gläubigen einerseits und für den Glauben des einzelnen andereren
" Metapher schließt auch Allegorie, Parabel, Vergleich und seits bezeugt (281). Tm Abschnitt 1 Kor 3,6-16 sind „mehrere
'ld 'nit ein. Die folgende Rezension beschränkt sich auf Meta- Bilder ineinandergeschoben" (282): „Zuerst zeigt. Paulus die Ge-
aus dem altehristlichen Umkreis. Das ist nur ein Teilbereich. meinde als einen Bau. der Gott gehört und auf dem Fundament
' °ch zwingt die Fülle des theologisch interessanten Materials im- Christus ruht . . . Paulus bezeichnet sich selbst als den Architekten
mer noch zu Eingrenzungen. der Grundmauern ... Am Schluß vergleicht er sie mit dem Tcm-
An der Spitze stehen „Organisohe Metaphern" (18-213). Dar- pel, in dem Gottes Geist wohne" (282). Jesus ist der Grundstein
'nter finciet sich das Bild vom Weinstock und den Reben sowie für die Gemeinde und Stein des Anstoßes für die Ungläubigen (283).
°n Christus als llnupt und den Gläubigen als Gliedern. Der gute Auch in Augustins Gottesstaat taucht Christus sowohl als Fundn-
, 'rte 'st ein in der Antike verbreitetes Bild, ebenso der Sünden- ment wie auch als Baumeister der Kirche auf (284). Das Traumbild
()"!ck «nd das Opferlamm (33). Die Überwindung eines Drachens vom Koloß anf tönernen Füßen (Dan 2.31-45) hat stark naoh-
J* einer Schlange kehrt häufig wieder. Die Bedeutung des Adlers gewirkt. Häufig wird von Faden. Kette und Geflecht gesprochen.
„7" vom 4. Ksrabucli über Gregor [., Dante und Hutten vor- Der „rote Faden" tauoht in Gen 38.28 auf, doch handelt es sieh
,T ,.uhrt bis in unsere Zeit: „Die Tradition dieses Symbols hat alle hier nicht um eine Metapher (313). Die bemerkenswerteste iMcn-
^ '«"Ösen und politischen Brüche der Geschichte überdauert" (34). Metapher findet sich in Jes 22.23-25. die „das Phänomen der Ab-
W(' "nd dauerhaft ist auch der Vergleich zwischen einem Einzel- hängigkeit illustriert." (314). Das Bild vom Binden und Lösen
^"en iUl,i nilu,r (;en„,jll(,eliaft. Hier stellt Jesu Gleichnis vom (Mt 16.19) wird genannt, danach der ungennhte Rock Christi von
' ""'korn sowie die Redeweise des Paulus von einer Pllanze. die er Job 19.23. der meist auf die Kirche, von D.'inte aber auch auf den