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Ausgabe:

1981

Spalte:

255-256

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Patte, Daniel

Titel/Untertitel:

What is structural exegesis? 1981

Rezensent:

Schenk, Wolfgang

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Seite 1

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255

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 4

266

Patte, Daniel: What Is Structural Exegesis? Philadelphia, Pa:
Fortress Press 1976. VI, 90S.m.5 Abb. 8 = Guides to Biblical
Scholarship. New Testament Series, 5. $ 2.95.

Es ist eine beachtenswerte Tatsache, daß die Reihe der metho.
dischen Einführungen, deren erste Bände Literarkritik (W. A.
Beardslee 1970), Formkritik (E. V. McKnight) und Redaktionskritik
(N. Perrin 1969) behandelten, nun auch schon einen Band
der Strukturanalyse im besonderen widmet. Der starken Aufmerksamkeit
, die linguistische und semiotische Arbeitsweisen finden,
entspricht ebenfalls, daß die Society of Biblical Literatur« seit
1974 neben ihrem Journal of Biblical Literature eine spezielle Zeitschrift
Semeia (An experimental Journal for Biblical Criticism:
Heft 8 erschien 1977) herausgibt. Es ist zu begrüßen, daß der
Herausgeber der Guides für die entsprechende Einführung Prof.
Patte (VanderbiltUniversity, Nashville) gewonnen hat. dessen einschlägige
Beiträge in der Gleichnis-Diskussion von Anfang an
durch die Klarheit der Ausdrucksweise bestechen (Semeia 2. 1974.
113. 121).

Während die herkömmlichen exegetisch-historischen Methoden
ihre verbindende Mitte in der Orientierung an der schöpferischen
Aktivität eines Autors haben, fragen die struktnralen Methoden
ergänzend, wieweit die Sprache als Vorgegebenheit bestimmt, was
ein Autor passiv davon assimiliert. Das sind ihre grundlegenden
Strukturen, die durch differentielle Oppositionen gebildet werden.
Die Verbindung zwischen beiden Methoden kann dann aufzeigen,
was ein Autor sagen wollte, aus dem Vergleich mit dem, was und
wie er mit den verwendeten sprachlichen Mitteln auch hätte sagen
können, aber nicht sagte. Damit wird eine Uberwindung des ex-
egel isehen Historismus möglich, und zugleich liegt damit der Hauptwort
dieser Ergänzung in den methodischen Möglichkeiten, die der
hermeneutischen Übertragung eröffnet werden (Kap. 1: The Place
of Structural Methods in the Exegetical Task, 1-20). Gegenstand
der struktnralen Methode im engeren Sinne sind hier weder die
Strukturen der stilistischen Ausdrucksseite eines Textes noch die
vorgegebenen kulturellen Strukturmuster im Code einer bestimmten
Sprachgemeinschaft, da diese Strukturebenen schon mit den
herkömmlichen exegetischen Methoden untersucht werden, sondern
allein die Tiefenstrukturen auf der fundamentalen Ebene der
faculte de langage (Kap. 2: From Structuralism to Structural
Rxegesis, 21-34). Klärend anzumerken wäre dabei, daß man dann
präziser von „literarischer Semiotik" statt von strukturaler Exegese
sprechen sollte (N. P. Petersen, Semeia 1, 1974, 171 A. 22).
Das Augenmerk wird dabei nun auf zwei semiotische Struktursysteme
gerichtet: Das narrative System (Kap. 3: Narrat ive Struc-
tures and Exegesis, 35-52) wird im Anschluß an Greimas' Modell
am Beispiel der Erzählung vom mitleidigen Samaritaner (Lk 10,30
bis 35) analysiert; das mythische System (Kap. 4: Mythical Struc-
tures and Exegesis, 53-83) wird im Gefolge von Levi-Strauss am
Beispiel von Gal 1,1-10 und ebenfalls Lk 10,30-35 erläutert, wobei
sich am zweiten Beispiel ergeben soll, daß die Geschichte als echte
metaphorische Parabel und nicht als Beispielgeschichte anzusehen
sei (vgl. Semeia 2, wo Crossan zur gleichen Schlußfolgerung, Via
dagegen von den gleichen methodischen Prämissen her zur gegenteiligen
Bewertung kommt; vgl. dazu ferner G. Sellin, ZNW 66.
1975, 19ff). Beide Raster, das der narrativen wie das der mythischen
Strukturen, sollen jeweils bestimmte semantische Dimensionen
eines Textes (semantic features) ans Licht bringen, die sonst
unentdeckt blieben.

Diese Verfahren, die hier nur an jeweils einem Text exemplifiziert
werden, müßten an mehreren Texten geprüft werden, um ihre
Leistungsfähigkeit zu erproben. Das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit
hinsichtlich der Gattungsbestimmung (52) ist schon
auf begründete Skepsis gestoßen: Man muß bedauern, daß die
ausgezeichnete methodologische Kritik von N. R. Petersen (Semeia
1, 1974, 134-181) in diesem Guide unberücksichtigt geblieben
ist. Diese Skepsis ist darin begründet, daß in den vorgeführten
Analysemodellen eher die Semiotik der Codes als die Semiotik der
einzelnen Texte analysiert wird. Und auch dabei steht weiter in
Frage, ob dabei nicht vielmehr eine der mittleren Oberflächenstrukturen
(so selbst Patte Semeia, 2, 1974. 1-26) als die Tiefenstruktur
erforscht wird, wohin Patte 197(1 im Unterschied zu 1974
trotz des Einspruchs von Petersen immer mehr tendiert. Doch ist

diese Tendenz wohl zwangsläufig mit dem Ansatz gegeben, da die
Gewährsmänner Greimas und Levi-Strauss die struktnralen Methoden
von Erklärungsinstrumenten zu Begründungsursachen onto-
logisierten. Mittels der Hypostasierung eines strukturierten ..Unbewußten
" (vgl. 12 A. 15 u. ö.) wird aus einem operationalen Modell
eine ontologische Größe von der Art einer transzendentalen
Matrix, wie U. Eco (Einführung in die Semiotik, 1972, 357ff)
kritisch an den Ahnherren der von Patte angewendeten Met hoden
aufwies. Unter diesem Aspekt wird man wohl die Analysen der
literarischen Semiotik an weiteren Beispielen erproben müssen,
jedoch mit dem strikten Ziel, nicht einer strukturalistischen Orthodoxie
zu verfallen, sondern modifizierte Analysemodelle zu erhalten
.

Herliii Wolfgans Schenk

Standaert, Benott Herman Marguerite Ghislain Marie, OSB:
L'Evangile selon Marc. Compositum et Genre Litteraire. Proef-
schrift. Brügge 1978. V. 679 S. m. 1 Abb. 8 .

Die vorliegende Monographie, die unter Führung von Professor
B. M. F. van lersel erarbeitet wurde, überschreitet den Rahmen
üblicher Dissertationen durch das anspruchsvolle und umfassende
Thema und durch seine schöpferische Bearbeitung. Sie beschäftigt
sich mit der Gliederung, literarischer Gattung und dem „Sitz im
Leben" des Markusevangeliums - alles Fragen, die neuerlich wieder
aktuell geworden sind.

Im Teil I (25-372) weist St. nach, daß der Kvangelist, auch falls
er nur eine elementare Bildung gehabt hat, die Grundsätze der
Rhetorik kennen mußte und daß er auch mit einigen Regeln der
dramatischen Kunst vertraut war. Dies hat neben der Erzählkunst
seine Arbeit beeinflußt, besonders was die Gliederung des Evangeliums
betrifft. Nach St. hat der Evangelist sein Werk folgendermaßen
dramatisch-rhetorisch gegliedert : prota.tis-exordium (1,1 bis
13), epitasii(expositio)-narratio (1,14-6,13). katastasix - argumen-
latio (6.14-10,52), lysis - refulalio, die mit der kataxtrofe. gipfelt (11 •
1 -15,47) und der abschließende epüogo* - peromtio (16,1-8). Der Bot c
(angelox) steht am Anfang und am Ende des „erzählten Dramas".

Was die Hauptthemen der einzelnen Teile betrifft (Reich-Gottes
-Verkündigung, Jüngerunverständnis und Petrusbekenntnis,
Passion), entspricht diese Einteilung den drei Doppelteilen der
sechsteiligen Gliederung, die fast zum Konsensus geworden ist und
die in seinem repräsentativen Markuskommentar auch R. Pesch
vertritt (Das Markusevangelium, 1976/1977 = Herders Kommentar
11,1/2). In der Abgrenzung einzelner Abschnitte und in der
Unterteilung der drei Hauptteile gibt es jedoch auffällige Unterschiede
, und zwar nicht nur zwischen St.. und R. Pesch, sondern
auch zwischen St. und F. G. Lang, der seinen Gliederungsvorschlag
auch auf der Analyse der damaligen dramatischen Kunstregel"
baut (Kompositionsanalyse des Markusevangeliums, ZThK 74,
1977, 1-24 vgl. auch D. 6. Via, Kerygma and Comedy in the New
Testament, Philadelphia 1975). Diese Divergenz der Gliederungsvorschläge
bei gleichzeitiger Konvergenz in der Bestimmung de
entscheidenden dramatischen Handlungen deutet die Grenzen der
Methode an. St. weiß, daß ein „erzähltes Drama" spezifische Züg*
haben muß, die der Rhetorik entnommen sind. Der abrupt'-
Szenenwechsel muß nämlich an mehreren Stellen durch einen
glatten Übergang (tranxitw) ersetzt werden. Die Bestimmung f'lM
Einschnitte zwischen den einzelnen Akten ist deshalb kompli'/>''i't-
Die Beschreibung dieses Phänomens (109 -173) ist der erste bleibende
Ertrag der vorliegenden Arbeit, wenn auch die Unterteilung
und die Bestimmung der Übergangsabschnitte an manchen Stelle"
nicht überzeugend ist, besonders dort, wo der vorausgesetzte

Übergang
voll in dem vorgehenden oder darauffolgenden Abschnitt
integriert ist. So ist es z. B. mit den angeblichen Übergängen in
14,51-52 oder 15,42-47. Man wird dort, wo die dramatische Form
nicht eindeutig ist und wo auch die im Markusevangelium so bedeutenden
topographischen Angaben fehlen, von der inhaltlichen
(theologischen) Analyse ausgehen müssen und auch mehr das
wicht der übernommenen Traditionen und vorliterarischer Sammlungen
berücksichtigen müssen.

Für die Auslegung des Markusevangeliums bedeutend ist °*