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Ausgabe:

1981

Spalte:

237-239

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Wagner, Siegfried

Titel/Untertitel:

Franz Delitzsch 1981

Rezensent:

Osswald, Eva

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1 '->*> l Nr. 4

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haben" (46). Oman sei freilich nicht ..zu zweifeln, daß. Jesus ebenfalls uns Her
Schieb! der Annen kommt, die die frühe JesusbewegunK trauen" (42).

™ Mit diesen W orten ist dal dritte, von W. .Stegemulm verfallt« Kapitel des
Jesus-Buches überschrieben; es folgt noch: „Das Lukasevangelium" (Nil). Im
elnielnen führt W. Stegemaun aus: Totaler freiwilliger Itesltzverzieht werde nur
von den Jüngern Jesu gefordert und diese freiwillige Armut iler Jünger gehöre
i« die Zeit Jesu. Ihr Verzicht habe bei Lukas „die Funktion der Kritik- un <l<-"
Heichrn" (KW). .,i;in konkretes soziales Ziel" de» Lukas sei eben ein inneigeineiud-
licber „Itesitzausgleich" (160), ein anderes, „wohltätig gegen Arme auLicihalb
der Gemeinde zu sein" (14:5).

" Cassldy, Etichard .1.: Jesus, l'olltlcs, and Society. A Study of l.uke's
Stapel. Marylmoü, x. V.: Orbis liooks 107«. X. Ü80 s. m. i Ktn * . i.w. t 16.05.

Allgemeines

Wagner, Siegfried: Franz Delitzsch. Loben und Werk. München:
Kaiser: 1978.500 S., 1 Porträt gr. 8 Beiträge zur evang. Theologie
, 80. Kart. DM 65,-.

Mit dieser Veröffentlichung hat der Vf. die seit langem gewünschte
, nach seiner Ansicht aus sachlichen und wissenschaftsgeschicht-
liehen Gründen gerechtfertigte, unifassende Delitzsch-Biographie
vorgelegt, wobei er, wie er in der Kinleitttng schreibt, eine von II.
Bardtke begonnene Materialsaminlung benutzen konnte.

In der Darstellung, bei der der VI', von der Hoher zutreffenden
Erkenntnis ausgeht, daß die Lebensschicksale und -führungen
eines Theologen häufig von nachhaltigem Kintluß auf seine Theo-
'°gie sind (Einleitung, 11), Huden sicli zwei nahezu gleich umfangt
''eiche Teile ..Delitzschs Leben" (III 206) und „Wesen und Bedeutung
des wissenschaftlichen Lebenswerkes'' (207 420). Daran
■ohließt sich ein kürzerer dritter Teil „Schluß und Würdigung"

(4:i<>-445) an.

Bibliographie und Literaturverzeichnis umfassen die Seiten 446
Ws 498. Die Bibliographie zu den Lebensdaten enthält autobiographisches
Material und Briefe, Nekrologe, biographische Darstellungen
und Notizen sowie Akten und urkundliche Belege
(446-4 55). Ks folgen (Ins Verzeichnis der benutzten Literatur
(468 470) und die Bibliographie zum wissenschaftlichen Lebenswerk
(470-498), in der. jeweils zeitlich geordnet, Kommentare und
"oxtausgaben, Nachschriften von Delitzsch-Kollegs, Aufsätze,
'■rf'xikonartikel und selbständige Schriften, Vorworte von Delitzsch
""d von ihm herausgegebene Schriften und Zeitschriften sowie
'"'Pensionen über Veröffentlichungen Delitzschs aufgeführt werben
.

In der Bibliographie strebt der Vf. Vollständigkeit an, ist sich
aber bewußt, daß sie angesichts der kaum übersehbaren Pnbli-
k'ttionstätigkeit Delitzschs noch nicht erreicht ist.

Schon die umfassende Bibliographie läßt ahnen, was den Leser
111 der Darstellung erwartet. Ks ist ganz unmöglich, in einer
'''"'■ension einen Eindruck davon zu vermitteln.

Im ersten Teil „Delitzschs Leben" werden nach „Geburt, Kindheit
und Jugend" ..Studien und Berufsprobleme" behandelt. Der

'• stellt dem Leser den Studenten Delitzsch vor Augen, der sich
'Inaehst mit Philologie und Philosophie beschäftigte, sich aber
'tach seiner Bekehrung der Theologie zuwandte, jedoch weiter
Philologische, speziell orientalische und jüdische Studien trieb, da
er sich ursprünglich der Judenmission widmen wollte, was jedoch
'"n finanziellen scheiterte. Es wird nachgewiesen, daß Delitzschs
pistliehes Leben von pietistischen, mystisch-theosophischen und
"tlierisch-konfessionellen Elementen geprägt war. In diesem Ab-
""hnitt erfährt man auch viel Interessantes über die Geschichte
Rr Leipziger Theologischen Fakultät.

Ausführlich wird Delitzschs Tätigkeit als Hochschullehrer in
*'Pzig, Rostock, Erlangen und wieder in Leipzig dargestellt. Der

'• Versteht es. den rastlos schaffenden Gelehrten, der sich eines
'"^gewöhnlichen Lehrerfolges erfreuen durfte, den unermüdlich
Publizierenden, von einem sauberen Et hos geprägten Wissenschaft-
Rr> der um der Wahrheit willen durch biblizistisches Vermächtnis
*priigte Auffassungen revidierte, in eindrücklicher Weise zu
Erdigen.

~0t Recht wird herausgestellt, daß Delitzsch ohne seine Fröm-
J^'Kkeit nicht zu verstehen ist. Dementsprechend findet sich ein
p**°nderer Abschnitt „Kirche und Bekenntnis. Frömmigkeit und

redigt", Rh wjr(| gezeigt, daß Delitzsch eine ausgeprägte Er-

fahrungs- und Krlebnistheologie vertrat und daß er seine wissenschaftliche
Tätigkeit als Funktion der Kirche verstand. Wenn
Delitzsch auch wegen seiner Stimme selten gepredigt hat, so hat
er doch viel Erbauliches geschrieben.

Ein besonderer Abschnitt ist auch der Judenmission gewidmet,
in der sich Delitzsch, wie gezeigt wird, stark engagierte. Wagner
vermutet, daß das Streben nach wissenschaftlich fundierten
Kenntnissen über das Judentum als Voraussetzung der Missionsarbeit
ein neuer Zug war, der auf Delitzsch zurückgeht. Diese Bestrebungen
führten 1886 zur Gründung des Institution Judaicum
in Leipzig.

In engem Zusammenhang mit der Judenmission steht die Ubersetzung
des .Neuen Testaments ins Hebräische, die ebenfalls in
einem besonderen Abschnitt behandelt wird. Der Vf. ist der Meinung
, daß die wissenschaftliehe und praktisch-missionarische Leistung
hoch einzuschätzen ist.

Schließlich wird versucht, einen Eindruck von Delitzschs Persönlichkeit
zu vermitteln, wobei den Ausführungen über seine
wissenschaftliche Arbeitsweise besondere Bedeutung zukommt.

Der Abschnitt ..Familiäres und Tod" bildet den Schluß dieses
Teiles.

Die Datstellung des wissenschaftlichen Lebenswerkes beginnt
mit den Abschnitten über das exegetische Werk, in dem zunächst
ausführlich auf Delitzschs wechselnde Stellung zum Peutaleueh-
problem eingegangen wird. Delitzsch erscheint als wissenschaftlich
vielseitiger, geistig ungemein beweglicher, um wissenschaftliche
Redlichkeit und persönliche Aufrichtigkeit bemühter Gelehrter.

Bei den Prophetenbüchern - zum Begriff ..Prophet" ist S. 247f
zu vergleichen hat die Beschäftigung mit Jesu ja den Vorrang,
wobei Delitzsch in der Beurteilung von Jes 40-66 besonders unsicher
war. Auch die Psalmen, die er geistlich verstanden wissen
wollte, haben einen breiten Raum in seiner exegetischen Arbeit
eingenommen. Bei der Chokma wird untersucht , welche Bedeui ung
Delitzsch dieser Literatur im Kanon und für die Heilsgeschichte
beimißt.

Neben der Auslegung alttestamentlicher Texte hat 1 >clitzsch sich
auch mit neutestamentlicher Exegese beschäftigt,

Tn der Zusammenfassung wird u. a. herausgestellt, da Ii Delitzsch
in methodischer Hinsicht bei der Exegese auch wortstatistische
Untersuchungen anwandte, wobei auch tnischnisch-talmudische
Texte herangezogen wurden und daß er erkannte, wie wichtig die
Semasiologie für die Exegese ist, obwohl seine diesbezüglichen
Bemühungen kritisch zu betrachten sind. Delitzsch hatte außerdem
immer starkes Interesse für die Wissenschaftsgeschichte.

Seinen hermeneutischen Prinzipien ist ein besonderer Abschnitt
gewidmet. Der Vf. weist nach, daß der ohristologische Ansatz zu
den wichtigsten hermeneutischen Prinzipien im Bibelverständnis
gehört. Die grammatisch-philologische Exegese steht für Delitzsch
in höherem Dienst. Die Offenbarung entfaltet sich stufenförmig,
entsprechend den Heilserkenntnissttifen. Die Heilsgeschichte gliedert
sich in Vorbereitungsgeschichte (alttestamentliche Heilsgeschichte
) und Erfüllungsgeschichte, die im wesentlichen im
Neuen Testament zu finden ist. Bindeglied ist die Typologie. An
anderer Stelle (140) macht der Vf. darauf aufmerksam, daß Delitzsch
durch die umfassend angewandte Typologie die Basis der
Frömmigkeit erhalten blieb. Er weist auch auf Absurdes hin, so
auf die tvpologische Ausleerung der Kleidung der Stammelten!
(344).

Schließlich werden Delitzschs Wissenschaftsbegriff, seine Auf -
fassung vom Wunder, sein Geschichtsbegriff, der Begriff der Idee,
sowie Fortsehritt und Entwicklung untersucht. Die Belege für die
IJesrrifTsbestiinmnno „Gott und Mensch" mußten zusammengetragen
werden.

Nur zögernd versucht der Vf. am Schluß eine geiNtesgeschicht-
liche Einordnung des großen Gelehrten. Man wird ihm zustimmen,
wenn er die Ansicht vertritt, daß Delitzsch letztlich als Gelehrter
und Persönlichkeit allein stand. Er hat durch seine tiefe Frömmigkeit
und seine liebenswerte Persönlichkeit eine nachhaltige Wirkung
ausgeübt. Er war das kritische Gewissen für die verschiedensten
Richtungen.

Man wird für die große wissenschaftliche Leistung S. Wagners,
seinen Spürsinn, seine minutiöse Kleinarbeit bei der Heranziehung
und Auswertung der Quellen und die gut lesbare Darstellung nur