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Ausgabe:

1981

Spalte:

217-218

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Renker, Joseph

Titel/Untertitel:

Christliche Ehe im Wandel der Zeit 1981

Rezensent:

Winter, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 3

218

zu entdecken, statt diese Bereiche ganz ihrer Eigengesetzlichkeit zu
überlassen. Die von Bu. verkürzte Handlungsperspektive müsse von
der christlichen Ethik in ihrer vollen Bedeutung entfaltet werden.

Rostock Gert Wendelborn

Renker, Joseph: Christliche Ehe im Wandel der Zeit. Zur Ehelehre
der Moraltheologcn im deutschsprachigen Raum in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts. Regensburg: F. Pustet 1977. 243 S.
8" = Studien zur Geschichte der kath. Moraltheologie, Kart. DM
46,-.

Der Untertitel des Buches, dem eine Dissertation zugrundeliegt,
grenzt den Haupttitel mit Recht ein. Verschiedenen katholischen
Monographien zur Geschichte der christlichen Ehelehre tritt damit
eine weitere zur Seite (9.34). Sie erschließt eine wichtige Periode, die
Tür die Entwicklung von Neuansätzen zur Eheauffassung besonders
fruchtbar geworden ist. Vf. wendet sich ihr auch darum zu, weil die in
dieser Zeit vorhandenen Ansätze zu einem stärker personal gefaßten
Eheverständnis in der heutigen römisch-katholischen Lehre zum
Zuge gekommen sind. Kommen auch die Bezüge zu Bibel. Alter
Kirche und Mittelalter unterschiedlich breit in den einzelnen Kapiteln
des Buches mit zu Wort, so wird doch besonders gern die Brücke
*ur offiziellen Eheauffassung um die Zeit des II. Vatikanums geschlagen
, wie sie besonders in der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes"
vorliegt. Von dort übernimmt Vf. z. B. die Loci, nach denen er die
wichtigsten Kapitel seiner Arbeit einteilt. „Die Auswahl der behandelten
Themen entspricht dabei im wesentlichen den Neuoricntie-

ungen, die uns durch das IL Vatikanum zur Ehe gegeben sind" (33).

fon kann sich nicht des Eindruckes erwehren, daß von daher auch
die 34 Autoren, mit denen das Gespräch stattfindet, quellenmäßig
{um Teil etwas zu tendenziös ausgewertet werden, wie Vf. auf S. 35
selbst zugibt. Im Vorwort des Hrsg. heißt es: „Es ist überraschend,
w'e stark doch im 19. Jahrhundert bereits der personal-dynamische
Char akter der Ehe und das Verständnis der Ehe als Liebes- und
Lebensgemeinschaft von Mann und Frau sowie die Gleichwertigkeit
der Gatten herausgestellt werden. Diese Ansätze kommen erst in
unserer Zeit wesentlich zum Tragen" (10).

Auf ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis (15-30)
folgt

eine kurze, aber umsichtige Einführung (31-36). Schon hier
Zci8t sich das Interesse an zusammenfassenden Abschnitten, die häufig
im Buch vorkommen und die Fülle des angeführten Materials zu
"Derschen helfen. Für den mehr am Überblick interessierten Leser
ergibt sich so auch ein schnellerer Einblick in die Ergebnisse zu den
e'nzelnen Kapiteln und Fragestellungen.

Kap. 1 „Zeitgeschichtliche und biographische Orientierung"
(37-82) läßt deutlich werden, wie sehr katholische Aufklärung und
Romantik unter dem Einfluß protestantischer Religionsphilosophie.
Anthropologie und Theologie gestanden haben (z. B. Chr. Wolff, I.
Kant., D. F. Schleiermacher). Daneben ist auch eine Orientierung an
MPstlichen Dokumenten nachweisbar, die Vf. für die Zeit zwischen
'^82 und 1846 zusammengestellt hat. Diese wertet er freilich weniger
aus- Ausführlich werden die bereits erwähnten 34 Autoren mit Bio-
graPhie und Werk vorgestellt. Und dann folgt der Versuch, die
Abhängigkeit der einzelnen Autoren von theologischen Schulen und
außerkirchlichen Strömungen klar werden zu lassen.

Die weiteren Kapitel behandeln folgende systematische Fragestel-
'Ungen: Die Lehre von den Ehezwecken (IL Kap., 83-102); Die Ehe
als Geschlechtsgemeinschaft (III. Kap., 103-158); Die Ehe als Liebes-
^"leinschaft (IV. Kap., 159-210); Die Hierarchie der Ehe (V.Kap.,
2 "-234).

. Ein Schlußteil faßt die Ergebnisse der fleißigen Quellenarbeit überörtlich
zusammen (235-238). Es wird klar, wie einige Autoritäten
(J M. Sailcr, J. B. v. Hirscher, F. G. Wanker, B. Stattler, B. Fuchs, J.
'^a'a<. A. Erhard) bemüht sind, „die Ehelehre vom Ballast statischer
0rmcn freizuhalten und der Partnerbeziehung den richtigen Stellenwert
in der Ehe zu geben" (237). Freilich wird es dann mit dem
zunehmenden 19. Jh. wieder anders. Es „kehrt die Moral zur traditionellen
Schultheologie zurück. Auch in der Ehelehre zeigt sich das
in einer neu erwachenden Vorliebe für positive Normierung" (237).
Der Einfluß der Neuscholastik wirkt sich in der zweiten Hälfte des
19. Jh. zunehmend aus. Belehrt und dankbar legt man das Buch aus
der Hand.

Berlin Friedrich Winter

Praktische Theologie: Homiletik

Schulz, Rudolf: Predigten filr Zweifler. München: Claudius Verlag
1978. 174 S. 8 Kart. DM 19,80.

Die zwanzig Predigten sind nicht nur ausgesprochen interessant
und anregend, sondern auch unzweifelhaft hilfreich und ermutigend.
Unter Zuhilfenahme gut ausgewählter Beispiele aus - zumeist neuester
-belletristischer und psychologischer Literatur werden psychologische
und seelsorgerliche Informationen und Impulse vermittelt, die
für das Alltagsleben der Predigthörer von spürbarer Bedeutung sein
können. Wenn in einer dem Buche beigegebenen Verlagsnotiz von
der „großen Zahl seiner Predigthörer" gesprochen wird, die Pfarrer
Schulz, Jahrgang 1937, als Großstadtpfarrer von Köln-Braunsfeld
unter seiner Kanzel sammle, so ist das dem Leser vollauf glaubhaft
und verständlich. Man wünschte sich viele solcher Prediger und Predigten
!

Menschen, die daran zweifeln, daß Predigten heutzutage überhaupt
noch Interesse verdienen, wird hier wohl weithin überzeugend das
Gegenteil demonstriert. Insofern ist auch der Titel des Buches berechtigt
. Allerdings sind es keine „apologetischen" Predigten im herkömmlichen
Sinne des Wortes. In einer neun Seiten langen Einleitung
- „eine Lanze für den Zweifler" - wird zwar knapp, aber ausgesprochen
hilfreich und weiterführend, nicht nur der Zweifler, sondern
auch der Zweifel selbst thematisiert, sowohl der intellektuelle Zweifel
im Sinne des notwendigen Anstoßes am Buchstaben der Bibel, als
auch der existentielle, echte Zweifel im Sinne der Frage nach der
„Brauchbarkeit" und Tragfähigkeit einer Lebenshaltung, die sich auf
Jesus Christus und seine Sache einläßt; aber es sind nur wenig Predigten
, die dem einen oder anderen Zweifel gegenüber eine direkte
Hilfe geben wollen.

Das zeigt bezüglich der intellektuellen Zweifel schon die Auswahl
der Predigttexte. Von den zehn „Predigten am Sonntag" haben nur
zwei einen Text, der unter dem Gesichtspunkt der Entmythologisie-
rung Schwierigkeiten bietet (Gen 3,23-24 und 4,1-8). Bei den zehn
„Predigten im Festkreis" liegt das naturgemäß etwas anders, aber
auch hier werden eindeutig Texte bevorzugt, die nicht schon als
solche einen intellektuellen Anstoß bereiten. In der Osterpredigt
„Auferweckung mitten im Leben" über Joh 11,17-27, die Aufer-
weckung des Lazarus als einzige Wunderperikope des ganzen Predigtbandes
, wird denn auch deutlich ausgesprochen, daß die ausdrückliche
hermeneutische Erschließung solcher schwierigen Texte einer
Predigtphase angehört, die in der Gemeinde vor etwa zehn Jahren an
der Tagesordnung war. Mit Ausnahme gelegentlicher polemischer
Frontstellungen gegen ein falsches Bibel- und Glaubensverständnis,
vor allem in den Festtagspredigten, liegt die Hilfestellung dieser Predigten
gegenüber dem Zweifel darin, daß dem Hörer bzw. Leser dogmatisch
nichts zugemutet wird, kein Inkarnations-, kein Aufer-
stehungs-, kein Himmel- und kein Höllendogma, sondern ihm positiv
recht konkret und psychologisch entfaltend vor Augen geführt wird,
daß die christliche Tradition Impulse vermittelt, die Liebe und
Menschlichkeit freizusetzen vermögen. Es handelt sich im wesentlichen
um einen ausgesprochen psychologisch-seelsorgerlichen Predigtstil
und weniger um einen solchen, der um intellektuelle Dia-
konie bemüht wäre.