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Ausgabe:

1981

Spalte:

209-211

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Schwan, Alexander

Titel/Untertitel:

Geschichtstheologische Konstitution und Destruktion der Politik 1981

Rezensent:

Fischer, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 3

210

Der Wert des kleinen Büchleins liegt in der präzisen Einzeldarstellung
der vier Erbauungsschriftsteller bzw. ihrer Illustratoren. Die
enge Beziehung zwischen Bild. Unterschrift und Motto wird analysiert
. Peil ergänzt damit die bisherige Emblcmatikforschung des Barock
, die sich bisher mehr der hohen Literatur gewidmet hat (Gry-
phius. Grimmelshausen. Regina von Greifenberg). Die vier herangezogenen
Beispiele sind Johann Michael Dilherr (1604-1669) aus
Nürnberg, der ebenfalls in Nürnberg wirkende Erasmus Francisci
(1627-1694) und der Magdeburger Christian Scriver (1629-1693).
Johann Arndt (1555-1621) darf nicht zu den Emblematikern gezählt
werden. Sein Werk .Vom wahren Christentum' wurde 1678/79 erstmals
in Riga mit Sinnbildern herausgegeben, die von zwei Schweden.
Dum und Meyer, stammen. Kritisch gefragt werden muß nach den
Auswahlkriterien für diese vier Personen. Während die Zusammenhänge
zwischen Bild. Unterschrift oder Motto sorgsam untersucht
werden, bedarf es wohl auch der Ausweitung cmblcmatischer Forschung
auf die „literarische Emblematik". Die im Mittelalter (Geiler
von Kaisersberg) und im Barock (Abraham de Santa Clara) emblema-
lische Blüte innerhalb der Predigt ist mit der gemalten Emblematik
zu vergleichen.

Magdeburg Pctcr Schicketanz

Systematische Theologie: Allgemeines

Schwan, Alexander: Geschichtstheologische Konstitution und
Destruktion der Politik. Friedrich Gogarten und Rudolf Bultmann
. Berlin - New York: de Gruyter 1976. XIII, 322 S. gr.8-. Lw.
DM 124,—.

Eigentümlicherweise hat sich das Interesse an der Theologie Friedrich
Ciogartens im Vergleich zu demjenigen an der Theologie Barths
und Bullmanns erst verspätet, seit etwa Mitte der 60er Jahre, in
monographischen Untersuchungen niedergeschlagen. Seit dieser Zeit
>st allerdings eine Vielzahl von Publikationen mit unterschiedlichen
methodischen Zugangsweisen und thematischen Schwerpunkten zum
Lebenswerk dieses Mitbegründers der sog. dialektischen Theologie
Erschienen. Die vorliegende Studie A. Schwans gehört zeitlich und
thematisch in den Umkreis des damals erwachten Interesses an
Gogartens Theologie, denn sie hat bereits 1965 der Freiburger Philosophischen
Fakultät als Habilitationsschrift für das Fachgebiet der
Wissenschaftlichen Politik vorgelegen, außerdem konzentrieren sich
die Analysen des Buches vorwiegend auf Gogartens Konzeption von
Geschichtstheologie: lediglich zur Verdeutlichung ihres Programmes
Und ihrer Intentionen wird auf Bultmanns Verständnis von geschichtlicher
Theologie Bezug genommen und dabei sein Ansatz zur Poli-
•'schen Ethik in Gestalt eines Bekenntnisses zum demokratischen
Rechtsstaat als spezifische Nuance zur Position Gogartens herausgearbeitet
(252-270).

Diese außerordentlich klar angelegte, interessant durchgeführte,
flüssig geschriebene und für einen Nichttheologcn von erstaunlicher
theologischer Souveränität zeugende Arbeit Schwans verdient höch-
s'cs Interesse, denn sie stellt den m. E. glänzend gelungenen Versuch
^r. den inneren systematischen Zusammenhang der Geschichtstheo-
'°8>e Gogartens mit den irritierend wandlungsrcichen Ausformungen
•Ciner Politischen Ethik von seinen Anfängen im Rahmen der dialektischen
Theologie nach dem Ende des I. Weltkrieges (die vordialek-
''schc Phase Gogartens wird ausgespart) bis zur Entfaltung der Säku-
'arisierungsthese in den Spätwerken nach dem Ende des 2. Weltkriegs
verständlich zu machen.

Die Arbeit gliedert sich in zwei etwa gleich umfängliche Haupt-
lc'le, deren erster die „Theologie der Geschichtlichkeit im systema-
"ehen Grundriß" (27-152) und deren zweiter eine „Typologie
**chichtttheologischer Ansätze zur Politischen Ethik" (153-270)

entfaltet. Vorangestellt ist ein einleitender Abschnitt (3-23), der die
durch den I. Weltkrieg ausgelöste Erfahrung der Krisis des Humanismus
als bestimmenden Faktor für die Entwicklung der Theologie
eschatologischer Geschichtlichkeit deutet. Der Schlußteil der Arbeit
(273-308) bietet neben einer zusammenlässenden Kritik unter Wahrung
der grundlegenden Einsichten geschichtlicher Theologie einen
modifizierten Entwurf zur Politischen Ethik.

Als fundamentale Schwäche des Humanismus, der vor allem im
Systemdenken des Deutschen Idealismus seinen geschichtlichen
Höhepunkt erreichte, diagnostiziert Gogarten eine Denk- und
Lebensweise, die alles unter die Vorherrschaft der Subjektivität des
Menschen bannt. Dem stellen er und Bultmann ein Verständnis des
Menschen entgegen, dessen Sein konstituiert wird durch die Begegnung
mit der biblischen Botschaft, dem Wort Gottes, in dem sich
Gott dem Menschen als sein Gott offenbart. Offenbarung ist ein fortdauerndes
Geschehen, sie hat „geschichtliche" Qualität, und ihr entspricht
die stets neu zu vollziehende Antwort des Glaubens, die
deshalb ebenfalls „geschichtlich" ist. Der Ausdruck „geschichtlich"
bzw. „Geschichtlichkeit" dient als Terminus für den Geschehnis-
und Begegnungscharakter von Offenbarung und Glauben. Verweisen
Offenbarung und Glauben aufeinander, so wird doch zugleich in
scharfer Abgrenzung gegen eine Vermischung von Immanenz und
Transzendenz die Überweltlichkeit Gottes und die Unbedingtheit
seiner Selbstoffenbarung betont, sie entzieht sich der Direktheit des
Zugriffes und des Besitzes. Das macht.die Dialektik der Offenbarung
Gottes aus, „daß gerade dann, wenn sie als die souveräne Selbstoffenbarung
des überweltlichen Gottes zu verstehen ist, der Mensch in sie
konstitutiv miteingeschlossen ist, da das Offenbarungs-Wort des
überweltlichen Gottes stets nur innerweltlich verlautet" (310. Insofern
muß sich eine solche Gestalt radikaler Offenbarungstheologie
zur Anthropologie erweitern und entwickeln, einer Anthropologie
freilich, die nicht wieder dem alten Subjcktivitätssyndrom verfallt.
Das kann nur so geschehen, daß die Anthropologie strikt als die
Betroffenheit der menschlichen Existenz durch die Selbstoffenbarung
Gottes, als die Weise des Hörens und Verstehens seines Wortes zur
Entfaltung kommt. Gleichwohl bleibt dies der neuralgische Punkt,
denn es soll das für den Substanzverlust des überlieferten theologischen
Denkens verantwortlich gemachte Prinzip der Subjektivität
überwunden werden mittels eines geschichtstheologischen Entwurfes,
dessen ausschließliche Orientierung an der Selbstoffenbarung Gottes
eine neue und zentrale Thematisierung des „menschlichen Faktors"
(34) erzwingt. Hier haben sich denn auch die Wege der ursprünglich
miteinander verbundenen Begründer der dialektischen Theologie
auseinanderentwickelt. An den einschlägigen Problemkomplexen
(OlTenbarungstheologie. Anthropologie,, Christologie, Sozialanthro
pologie) verfolgt und verdeutlicht Schwan die besondere systematische
Ausgestaltung, die die Theologie der Geschichtlichkeit bei
Gogarten (und Bultmann) gefunden hat. Dabei schält sich als sein
entscheidender kritischer Gesichtspunkt die These heraus, daß der
Ansatz der radikalen Geschichtlichkeit des Menschen nicht zu einer
Überwindung der Subjektivität des Menschen, sondern im Gegenteil
zu deren äußerster Steigerung im Sinne eines sich selbst ganz und gar
unverfügbaren Menschseins (73fT) führt. Da der Mensch worthaft,
durch Begegnung. Beziehung konstituiert ist. fehlt seiner äußersten
Subjektivität Substanz, „so etwas wie Selbststand, natürliche Eigenwürde
und Wcsenhaftigkeit" (84). Im Horizont solcher Subjektivität
wird echte „Dia-logizität" (73) zwischen Gott und Mensch verhindert
, außerdem ergeben sich problematische Konsequenzen für das
Verständnis der Politischen Ethik.

Der Geschichtstheologie Gogartens (und Bultmanns) korrespondiert
eine Ethik der Mitmenschlichkeit. In der Begegnung mit dem
anderen Menschen, dem Nächsten, erfährt der Mensch die Forderunt
und Gabe des Wortes Gottes. Aber entsprechend dem Verständnis
der Geschichtlichkeit menschlicher Existenz werden nun auch irr
Entwurf einer Ethik der Mitmenschlichkeit die natürlichen, mit